Mekka für Klimaschützer

Mit einer ausgeklügelten Strategie will sich das Emirat Abu Dhabi einen weltweiten Wissensvorsprung bei Erneuerbaren Energien sichern, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe.

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Mit einer ausgeklügelten Strategie will sich das Emirat Abu Dhabi einen weltweiten Wissensvorsprung bei Erneuerbaren Energien sichern, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe (ab dem 16. 4. am Kiosk oder hier portokostenfrei online zu bestellen).

An der Straße zwischen Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, und dem internationalen Flughafen, wagen die Scheichs ein ebenso ehrgeiziges wie teures Experiment: Masdar City, Hightech-Metropole vom Reißbrett, Klima-Oase unter sengender Sonne, Stadt der Zukunft. Die Projektbeschreibung klingt wie ein hypermodernes, ökologisch korrektes Märchen aus "1001 Nacht": In Masdar City sollen 50.000 Menschen leben, die ihre Umwelt weder mit Kohlendioxid noch mit Müll belasten, und die ihren Energiebedarf ausschließlich aus regenerativen Quellen decken.

Im Zentrum der Stadt steht ein vom Architekturbüro Adrian Smith + Gordon Gill entworfener achtstöckiger, futuristischer Gebäudekomplex, der nicht nur seinen kompletten Energiebedarf aus regenerativen Quellen bezieht, sondern mehr Energie erzeugt, als er verbraucht. Der anfallende Müll wird komplett wiederverwertet oder kompostiert, die Abwässer für die Biogasgewinnung genutzt. Gebäude und Fußwege sollen auf Betonstelzen sieben Meter über dem Boden stehen – das erlaubt eine kühlende Luftzirkulation und gibt auf der unteren Ebene genug Raum für ein Verkehrsnetz ausschließlich für Elektroautos. Mit Benzin wird kein einziges Fahrzeug in Masdar City fahren.

Schon bevor das erste Gebäude steht, gilt die Null-Emissions-Metropole als zukunftsweisendes Prestigeprojekt, mit dem sich zahlreiche Konzerne wie GE oder Daimler schmücken wollen. Auch Siemens hat seine Fühler ausgestreckt und verhandelt derzeit über enge Kooperationen im Bereich der "grünen" Technologien. "Die Masdar-Initiative und damit auch Masdar City ist für Siemens ein interessantes Projekt und passt strategisch sehr gut zu unserem 'Energy efficiency and Environmental Protection'-Programm", sagt der für Masdar verantwortliche Siemens-Manager Tom Ruyten.

Ob das Engagement den Firmen neben dem sicheren Imagegewinn langfristig auch lukrative Aufträge im gesamten Nahen Osten einbringen wird, ist allerdings keineswegs sicher. Denn anders als in den vergangenen Jahrzehnten kauft das Emirat nicht mehr schlicht Produkte aus den USA, Europa und Japan ein, sondern setzt auf Kooperationen und Technologietransfer. So kaufte Masdar für 120 Millionen Euro Anteile am finnischen Windturbinen-Hersteller WinWinD und sicherte sich 40 Prozent des spanischen Solarthermiebauers Torresol. Für den wachsenden Markt der Offshore-Windparks kooperieren die Araber mit E.on. Aufbauend auf dem Know-how deutscher Ingenieure baut die hundertprozentige Tochterfirma Masdar PV dieses Jahr sogar ohne Partnerunternehmen mit 300 Millionen Euro eine Fabrik für Dünnschicht-Solarzellen in Thüringen auf. Die geplante Kapazität der Fabrik beträgt 70 Megawatt pro Jahr. Bereits ab 2010 soll dann die doppelte Menge an Solarmodulen in einem weiteren Werk in Abu Dhabi selbst produziert werden.

Ohne Joint-Venture-Abkommen kaufte das Emirat die Solarmodule für das Zehn-Megawatt-PV-Kraftwerk vom US-Unternehmen First Solar und Suntech in China – allerdings nur für die Startphase von Masdar City. Auch Schott Solar (Absorberrohre), Flabeg (Spiegel) und MAN (Dampfturbine) konnten sich Aufträge für das 100-Megawatt-Solarthermiekraftwerk "Shams 1" sichern, die nicht an einen Technologietransfer gekoppelt waren. Die Verhandlungen für zwei weitere Kraftwerke – Shams 2 und 3 – werden zeigen, ob die Unternehmen diese Position halten können oder sich vielleicht doch auf eine Kooperation einlassen werden. (Jan Oliver Löfken) / (wst)