Q&A: Doppelschlag bei der Lkw-Maut

Hunderttausende Lastwagen rollen täglich über deutsche Straßen und strapazieren Fahrbahnen, deren Sanierung durch mehr Kilometer Maut finanziert werden soll.

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Q&A: Doppelschlag bei der Lkw-Maut

Rund 600 Kontrollsäulen kontrollieren zukünftig die Lkw-Maut auf Bundesstraßen. Das sind keine Blitzer.

(Bild: Marco Urban)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Sascha Meyer
  • Andreas Hoenig
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Maut? Im Autofahrerland Deutschland denken da viele an die PKW-Maut, die die CSU mit maximalem Wirbel in der Bundesregierung durchgeboxt hat – auch wenn der konkrete Start weiter in den Sternen steht. Ganz ohne Streit beginnt dagegen jetzt eine neue Zeit für die LKW-Maut, die schon lange zuverlässig Milliarden einbringt. Ab diesem Sonntag, Punkt Mitternacht, gilt sie auf allen Bundesstraßen quer durch die Republik. Das gebührenpflichtige Netz wächst auf einen Schlag von 15.000 auf 52.000 Kilometer. Der Staat bekommt deutlich mehr Geld für die Straßen. Spediteure gehen auf die Barrikaden.

Momentan müssen LKW ab 7,5 Tonnen auf den 13.000 Kilometer langen Autobahnen und 2.300 Kilometern Bundesstraße zahlen. Dies sind bisher aber meist nur gut ausgebaute Abschnitte. Jetzt wird die Maut auf sämtliche 39.000 Kilometer Bundesstraße ausgedehnt. Das stärke das Nutzerprinzip, sagt SPD-Fraktionsvize Sören Bartol: "Wenn schwere LKWs für Schlaglöcher, Lärm und dreckige Luft auf den Bundesstraßen verantwortlich sind, sollen sie dafür auch zahlen." Der Betreiber Toll Collect schaltet dafür in seinem System ein Streckenmodell mit 140.000 Tarifabschnitten aktiv, das auch Änderungen wie Baustellen abbildet. Neben den 300 Kontrollbrücken an Autobahnen sollen 600 Säulen an Bundesstraßen stehen – vier Meter hoch, blau-grün lackiert.

Bei den Einnahmen kalkuliert der Bund schon mit einem Doppelschlag bei der Maut. Denn nur sechs Monate nach der Netz-Ausdehnung kommen zum 1. Januar 2019 neue Tarifsätze, die erstmals auch Lärmbelastung durch Lastwagen in Rechnung stellen. Insgesamt sollen so im Schnitt jährlich 7,2 Milliarden Euro hereinkommen, rund 2,5 Milliarden Euro mehr als bisher – nach Abzug von Kosten reserviert für Investitionen in Fahrbahnen oder Brücken. "Davon profitieren nicht nur unsere Unternehmen, die auf eine leistungsstarke Infrastruktur angewiesen sind, sondern auch alle Autofahrer", sagt Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Auch Länder bekommen einen kleinen Teil der Einnahmen.

Bisher sind schon 1,1 Millionen Laster mit Bordcomputer (OBU) für eine automatische Abrechnung unterwegs. Toll Collect rechnet damit, dass durch die Netz-Ausdehnung zusätzliche 140.000 LKW aus dem In- und Ausland zahlen müssen. In einen Teil davon dürften ebenfalls OBUs eingebaut werden. Generell bleiben Fahrzeuge von Straßenreinigung und Winterdienst mautfrei – nicht aber Müllwagen und Fahrzeuge für die öffentliche Strom-, Gas- und Wasserversorgung. Vor allem auf Touren in ländliche Regionen seien diese oft auf Bundesstraßen angewiesen, heißt es beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Auch hierfür sollte es Maut-Befreiungen geben, damit Mehrkosten nicht am Ende über höhere Gebühren für die Müllabfuhr bei den Bürgern landen. Generell hätten sich viele vorbereitet, einige aber würden von der Ausweitung der LKW-Maut überrascht werden und empfindlich betroffen sein.

Die Transportbranche ist auf der Palme. Binnen kurzer Zeit komme ein "erheblicher Kostenschub" in Milliardenhöhe auf die Unternehmen zu, beklagt der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV). Das könne sich auf die Fracht- und Verbraucherpreise auswirken. Sprich: Waren im Supermarkt und Paketlieferungen könnten teurer werden. "Die LKW-Maut wirkt wie eine versteckte Steuer für die Endkunden", warnt der Außenhandelsverbands BGA. Die Bundesregierung rechnet dagegen ausdrücklich nicht mit Auswirkungen auf die Verbraucherpreise. Dabei befürwortet auch die Wirtschaft im Prinzip eine Nutzerfinanzierung.

Demnächst klären muss Scheuer, wie es mit dem Mautsystem weitergeht. Der Vertrag mit Toll Collect endet am 31. August, tags drauf gehen die Anteile für sechs Monate an den Bund. Noch in diesem Jahr soll ein neuer Betreiber den Zuschlag bekommen, der dann ab 1. März 2019 übernimmt. Risiken aus einem lange festgefahrenen Schiedsverfahren mit den Toll-Collect-Gesellschaftern Daimler und Telekom wegen der verspäteten Maut-Einführung 2005 räumte Scheuer gerade beiseite – der Bund bekommt 3,2 Milliarden Euro. Noch weitergehende Pläne für eine Ausdehnung auf alle Straßen, Kleinlaster oder Busse hat die Regierung nicht. Letzte Ausfahrt bleibt also vorerst: die umkämpfte PKW-Maut. (bme)