Schnuppernder Sensor mit lebenden Zellen
Das Start-up Koniku hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: den ersten Computer mit lebenden Nervenzellen zu bauen. Den Anfang macht eine kĂĽnstliche Nase.
- Steffan Heuer
- Jo Schilling
Es gibt Hardware. Es gibt Software. Und es gibt Wetware. So bezeichnen Experten die Zellen jedes Organismus, die streng genommen nichts anderes als nasse Rechner sind. Anstatt elektrischer Impulse, die durch Halbleiter rasen, tauschen Wetware-Systeme Informationen durch bioelektrische und chemische Signale aus. Was im Körper eines Lebewesens in jeder Zelle blitzschnell und auf fast magische Weise funktioniert, können Wissenschaftler nur rudimentär im Labor nachbauen. Deswegen sind biologische Rechner bislang eher theoretische Visionen als realer Diskussionsgegenstand in akademischen Kreisen.
KĂĽnstliche Nase mit echten Nervenzellen
Technology Review berichtet in seiner neuen Ausgabe nun von dem Start-up Koniku. Die US-Firma um den Gründer Oshiorenoya Agabi, hat eine künstliche Nase entwickelt. Die Nervenzellen im Inneren des Kore-Sensors sind darauf programmiert, flüchtige organische Verbindungen, kurz VOC, zu erschnuppern – etwa als tragbarer Sensor, um Sprengstoffreste aufzuspüren. Er verfolgt dieses ehrgeizige Ziel seit Studentenzeiten in Europa und arbeitet mit seinem Start-up seit 2015 daran, den ersten Prototyp seines Hybridsystems zu entwickeln.
Bis Ende des Jahres sollen die ersten dieser Koniku-Kore-Systeme an zahlende Kunden fĂĽr Tests ausgeliefert werden. Anders als Spektrometer, sagt Agabi, sind biologische Sensoren erheblich preiswerter, tragbar und lassen sich vor allem je nach eingebauter Zellkultur fĂĽr die Identifizierung vieler unterschiedlicher Verbindungen anpassen.
Die Kombination aus Halbleitern und lebenden Zellen als Hybridsystem soll mehr Rechenleistung bei deutlich niedrigerem Energieverbrauch auf kleinstem Raum ermöglichen und so die Voraussetzung für künstliche Intelligenz der nächsten Generation schaffen.
Biologische Computer fĂĽr den Alltag
Für die Kommerzialisierung seines Kore-Sensors hat das Start-up nach eigenen Angaben rund 4,4 Millionen US-Dollar an Wagniskapital eingesammelt und obendrein Verträge mit einer Handvoll Firmen- und Regierungskunden in Europa und den USA unterschrieben, die sich auf knapp 13 Millionen Dollar addieren. Wer diese Kunden sind, dürfe er nicht sagen, so Agabi.
Wenn man dem Firmengründer zuhört, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir in Unternehmen und sogar zu Hause die ersten biologischen Computer in Betrieb nehmen können. "In acht bis zehn Jahren wird es praktische Anwendungen geben", sagt der aus Nigeria stammende Bioinformatiker. "Im Labor sind solche Systeme bereits machbar. Jetzt kommt es darauf an, ihren Wert für Alltagsanwendungen zu beweisen." Den Anfang macht die künstliche Nase.
Mehr über Koniku und seine künstlichen Nasen mit lebenden Nervenzellen in der neuen Juni Ausgabe von Technology Review (im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich). (jsc)