Seltsame Vorgänge bei Dream Market: Darknet-Marktplatz kündigt Schließung an
Der wohl älteste Darknet-Markt macht dicht – oder handelt es sich doch nur um einen Umzug? Einige Kunden wähnen dahinter die Strafverfolgungsbehörden.
Dream Market, der derzeit wohl größte Marktplatz für illegale Waren im Darknet, hat für Ende März seine Schließung angekündigt – und zugleich seine Wiedereröffnung durch (angeblich) neue Betreiber.
Die Handelsplattform für Drogen, rezeptpflichtige Medikamente und allerhand andere illegale Waren gibt es schon seit 2013. Auch geklaute Daten werden dort gern feilgeboten: In die Schlagzeilen geriet Dream Market in diesem Zusammenhang zuletzt durch den Verkauf einer Datenbank mit hunderttausenden gestohlenen Nutzer-Accounts im Februar dieses Jahres.
Versucht man, sich bei dem via .onion-URL erreichbaren Markt neu zu registrieren, wird seit einigen Tagen ein kleines Banner angezeigt, das den 30. April als Datum für die Abschaltung ankündigt. Zugleich heißt es dort aber auch, dass die "Services" des Marktplatzes von einem Partnerunternehmen weitergeführt würden. Die im Banner ebenfalls aufgeführte neue Onion-Adresse sei derzeit noch offline; dies solle sich jedoch bald ändern.
Wie die News-Webseite tarnkappe.info berichtet, verschickte der virtuelle Schwarzmarkt am vergangenen Dienstag zudem private Nachrichten an Nutzer seines integrierten Forums. Darin wurde über die Schließung informiert.
Dream Market offenbar Zielscheibe von DDoS-Angriffen
Über die Hintergründe des Umzugs wird derzeit in den Foren Darknet-affiner (News-)Webseiten wie DeepDotWeb oder Dark Web News wild spekuliert. Auf der Darknet-Plattform Dread meldete sich ein angeblicher Dream-Market-Moderator zu Wort. Er begründete die Schließung des Marktplatzes mit einer sieben Wochen andauernden Distributed-Denial-of-Service-Attacke auf den Server. Die Angreifer hätten rund 400.000 US-Dollar von den Betreibern erpressen wollen. Den Marktplatzbetreiber sei es nicht möglich gewesen, die Angriffe in den Griff zu bekommen. Er verwies auf den angekündigten neuen Marktplatz eines "fairen und ehrlichen Partnerunternehmens".
Die Ausführungen klingen insofern plausibel, als dass es solche DDoS-Angriffe auf große Darknet-Marktplätze bereits in der Vergangenheit gab. Im Oktober 2017 beispielsweise wurden neben Dream Market unter anderem auch die Märkte Wall Street und Trade Route tagelang lahmgelegt.
Neue "Operation Bayonet"?
Ungewöhnlich ist allerdings, dass ein Darknet-Markplatz seinen Kunden die Beendigung ihrer aktuellen Transaktionen ermöglicht, statt sich via "Exit Scam" aus dem Staub zu machen. Bei dieser Betrugsmasche nehmen Marktplatzbetreiber weiterhin das Geld zahlender Kunden an, ohne jedoch Ware zu verschicken – und um schließlich blitzschnell von der Bildfläche zu verschwinden.
In einigen Forendiskussionen wird dies als Zeichen der "Vertrauenswürdigkeit" der Dream-Market-Betreiber gewertet, soweit man diesen Begriff in Bezug auf Online-Kriminelle überhaupt verwenden kann. Einige Kunden des Marktplatzes wittern hinter dieser Vorgehensweise aber auch eine neue "Operation Bayonet".
Der Begriff bezeichnet eden 2017 erfolgten systematischen Takedown der damals größten Marktplätze Alpha Bay und Hansa Market. Damals nahmen die Ermittler – FBI, Europol und Strafverfolgungsbehörden aus Deutschland und den Niederlanden – zuerst Alpha Bay vom Netz. Sie manipulierten den Quellcode des bereits beschlagnahmten, aber noch aktiven Hansa Markets, um an die Daten ehemaliger Alpha-Bay-Kunden zu gelangen, die massenweise zu Hansa überliefen. Passwörter, IP- und Bitcoin-Adressen sowie PGP-verschlüsselte Nachrichten brachten sie auf die Spur zahlreicher Käufer und ermöglichten deren strafrechtliche Verfolgung.
Operation SaboTor: US-Behörde nimmt Drogendealer fest
In einigen Diskussionen wurden aber auch mögliche Zusammenhänge zwischen einer am vergangenen Dienstag veröffentlichten Pressemitteilung der US-amerikanischen Drug Enforcement Administration (DEA) und den Geschehnissen rund um Dream Market erwähnt. In der Pressemitteilung verkündete die DEA, zwischen 11. Januar und 12. März dieses Jahres 61 Personen verhaftet sowie 50 Darknet-Accounts geschlossen zu haben. Im Rahmen von 65 Hausdurchsuchungen beschlagnahmten die Ermittler demnach fast 300 Kilogramm Drogen, 51 Feuerwaffen und rund 7 Millionen US-Dollar, teils in Form von Kryptowährungen. Man habe zudem 122 Befragungen durchgeführt.
Dass Befragte zugunsten einer möglichen Strafmilderung ihnen bekannte Informationen mit den Behörden teilen oder Darknet-Accounts für Ermittlungen zur Verfügung stellen, ist nicht ungewöhnlich.
Kunden suchen nach Alternativen
Was auch immer tatsächlich hinter Dream Markets Ankündigung stecken mag: Tatsache ist, dass sie schon jetzt nicht nur jede Menge Unruhe, sondern auch Bewegung in der Szene verursacht. Unter anderem meldete Dark Web News, dass der Darknet-Marktplatz Wall Street Market aufgrund zahlreicher neuer Registrierungen mit Geschwindigkeits- und Performance-Problemen zu kämpfen habe. Die Journalistin Eileen Ormsby wies am vergangenen Mittwoch darauf hin, dass der Markt The Majestic Garden derzeit keine neuen Anmeldungen mehr akzeptiere.
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(ovw)