Stuttgart: Erste Diesel-Fahrverbote für Anfang 2019 erwartet
Fahrverbote in der Stadt von Porsche und Mercedes: Ein bevorstehender Gerichtstermin zu Diesel-Fahrverboten zwingt die Landesregierung zum Handeln.
Zehntausende Bürger müssen sich auf großflächige Fahrverbote für ältere Diesel-Autos ab 2019 in Stuttgart einstellen. Grün-Schwarz will dann Verbote für Diesel-Autos der Abgasnorm Euro 4 und darunter verhängen. Das konkrete Datum ist noch unklar. Ob später auch Diesel-Autos mit Euro 5 betroffen sind, hängt von der Wirkung des geplanten Gesamtpakets zur Luftreinhaltung ab, das Grün-Schwarz bis zur Sommerpause eintüten will.
Fahrverbote für wen?
Eine kleine Koalitionsrunde hatte am Dienstagmorgen die Richtung vorgegeben. CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart gab seinen grundsätzlichen Widerstand gegen Fahrverbote auf. Er knüpfte Verbote für Euro 4 und darunter aber an mehrere Voraussetzungen. So dürften keine Fahrzeuge, die nach dem 1. Januar 2012 zugelassen worden seien, mit einem Fahrverbot belegt werden. Zudem müsse es großzügige Ausnahmen von den Verboten geben – etwa für Lieferanten, Handwerker und Anwohner. Fahrverbote für jüngere Diesel mit Euro 5 schließt Reinhart aus. Übrige Koalitionsmitglieder sind da weniger strikt.
Reinhart sprach von "Zwischenergebnissen" und "Zwischenständen" in den Beratungen. Er räumte zugleich aber ein, dass die Verhängung von Fahrverboten Sache der Regierung sei – das Parlament werde keine eigene Handhabe haben, sie zu verhindern. Nach Reinharts Angaben wird sich der Koalitionsausschuss möglicherweise am Dienstag kommender Woche mit weiteren Details zur Luftreinhaltung beschäftigen.
Fahrverbote in weiten Teilen der Innenstadt möglich
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, es gebe noch eine Reihe offener Fragen. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz erklärte, dazu gehöre das exakte Gebiet, in dem die Verbote gelten sollen. Klar ist aber, dass weite Teile der Innenstadt erfasst sein werden. Welche Ausnahmen es geben soll, ist ebenfalls noch offen.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte im Februar entschieden, dass Fahrverbote in Stuttgart zur Luftreinhaltung grundsätzlich erlaubt sind. Seitdem galt es in der grün-schwarzen Koalition als schwierig bis unmöglich, in Stuttgart noch um sie herumzukommen. Stuttgart kämpft seit langem gegen hohe Stickoxidwerte. Wesentliche Verursacher dieser Luftverschmutzungen sind Diesel-Fahrzeuge.
Wirksamkeit unklar
FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke warf Vizeregierungschef Thomas Strobl und dessen CDU vor, eingeknickt zu sein. "Spannend bei den Fahrverboten ist leider nur noch die Frage, in welcher Geschwindigkeit sich die CDU von den Grünen über den Tisch ziehen lässt." Offenbar gebe es kein Interesse, die Spielräume aus der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts zu nutzen.
"Bestraft werden die Falschen, nämlich die Eigentümer älterer Diesel-Fahrzeuge", kritisierte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. Fahrverbote bis einschließlich Euro 4 hätten keine großen Effekte auf die Luftqualität. "Wesentlich sinnvoller wäre es, das Thema Nachrüstung jetzt anzugehen und die Automobilindustrie in die Pflicht zu nehmen", sagte Stoch.
Zwangsvollstreckung
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will das Land zur Durchsetzung von Diesel-Fahrverboten in Stuttgart zwingen. "Das Land knickt immerhin ein und erfüllt unsere Forderung nach Diesel-Fahrverboten", sagte DUH-Chef Jürgen Resch der Pforzheimer Zeitung am Mittwoch. Aber die müssten schon im Herbst kommen – und außerdem auch für Euro-5-Diesel. "Ich finde es übrigens beschämend, dass erst durch den unmittelbar bevorstehenden Gerichtstermin und unsere Zwangsvollstreckung die Landesregierung beginnt, notwendige Schritte für die saubere Luft zu gehen", sagte Resch.
Die DUH hatte das vor längerer Zeit beantragt. Am Donnerstag steht dazu ein nicht-öffentlicher Erörterungstermin am Verwaltungsgericht in Stuttgart an. Dann wird es vor Gericht noch einmal um einen verwandten Sachverhalt gehen: den juristischen Streit um punktuelle Fahrverbote wegen zu hoher Feinstaubwerte am Stuttgarter Neckartor. Dabei geht es um die Einhaltung eines Vergleichs, den das Land 2016 mit zwei Anwohnern geschlossen hat. Es ist dadurch verpflichtet, den Verkehr am Neckartor an Tagen mit hoher Luftbelastung zu reduzieren.
Die Landesregierung will dazu versuchsweise am Neckartor eine Busspur auf der Bundesstraße 14 stadtauswärts einrichten. Dort sollen Schnellbusse vom Herbst an fahren können. Die Stadt Stuttgart hatte sich allerdings skeptisch gezeigt, weil sie zusätzliche Staus befürchtet, die die Maßnahme konterkarieren könnten. (olb)