Tempolimit-Streit: Polizeigewerkschaft fordert unabhängiges Gutachten

In der Debatte um ein Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen befürwortet die Gewerkschaft der Polizei eine Begrenzung und verlangt ein Gutachten zur Klärung.

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Autobahn A14

(Bild: dpa, Jan Woitas/Archiv)

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  • dpa
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Im Streit über das Für und Wider eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ein unabhängiges wissenschaftliches Gutachten. Die Bundesregierung sollte ein solches in Auftrag geben, um valide Zahlen über den Nutzen einer Geschwindigkeitsbegrenzung zu bekommen, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der GdP, Michael Mertens, dem Handelsblatt. "Mit einer solchen Grundlage kann man die aktuell sehr emotionsgeladene Diskussion sicher auf eine sachliche Ebene bringen."

Die GdP gehört zu den Tempolimit-Befürwortern. "Mit einer Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen verringert sich auch das Risiko schwerer Unfälle mit Schwerstverletzten", sagte Mertens. Es gebe Schätzungen, die davon ausgehen, dass man mit einem Tempolimit bundesweit etwa 80 Verkehrstote pro Jahr vermeiden könne. "Schon allein deshalb macht eine Diskussion darüber Sinn, ob eine Tempolimit von 130 Stundenkilometern angemessen ist."

Die Tempolimit-Debatte war über Weihnachten erneut hochgekocht. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte sich ablehnend geäußert und gesagt: "Wir haben weit herausragendere Aufgaben, als dieses hoch emotionale Thema wieder und immer wieder ins Schaufenster zu stellen – für das es gar keine Mehrheiten gibt." Der Regierungspartner SPD hatte auf einem Parteitag Anfang des Monats ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen gefordert und dies mit Verkehrssicherheit und Klimaschutz begründet.

[Update 28.12.2019 14:55 Uhr:] Im Streit um ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen ist Bundesumweltministerin Svenja Schulze auf Konfrontationskurs zu Verkehrsminister Andreas Scheuer gegangen. "Ich bin für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen", sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Auch die neue SPD-Chefin Saskia Esken legte in der Debatte noch einmal nach: Es gebe nur wenige Länder ohne Tempolimit. Nordkorea gehöre dazu, schrieb sie am Samstag bei Twitter.

Ein Tempolimit verringere die Unfälle mit Todesfolge und spare jährlich ein bis zwei Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2), sagte Umweltministerin Schulze. "Insofern spricht der gute Menschenverstand für die Einführung eines generellen Tempolimits, das es in fast allen EU-Ländern längst gibt." Auch im Netz wurde weiter lebhaft über das Thema diskutiert. SPD-Chefin Esken beteiligte sich mit mehreren Kommentaren beim Kurznachrichtendienst Twitter: "(..) in Nord-Korea gibt es kein Tempolimit, ebensowenig wie zum Beispiel in Afghanistan", schrieb Esken unter anderem. "Es gibt sonst fast kein Land mehr mit unbeschränktem Tempo. Sind die alle verrückt?"

Kritiker von Union und FDP wiesen die Forderungen scharf zurück. Der CSU-Verkehrspolitiker Ulrich Lange übte scharfe Kritik an der Haltung der SPD bei dem Thema: "Die neuen SPD-Vorsitzenden sind offensichtlich völlig von der Rolle", sagte der stellvertretende Fraktionschef der Unionsfraktion im Bundestag der dpa. "Wer glaubt, ein generelles Tempolimit sei die dringendste Maßnahme, um die Abwanderung von SPD-Wählern zu stoppen, dem ist offensichtlich der politische Kompass verloren gegangen." Deutschland habe "mit die sichersten Autobahnen der Welt".

Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic sagte am Samstag: "Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ist Symbolpolitik und würde weder den Klimaschutz noch die Verkehrssicherheit nennenswert voranbringen." Er sprach sich für flexible Geschwindigkeitsbegrenzungen je nach Wetter und Verkehrslage aus. In Deutschland sterben jährlich mehr als 3000 Menschen im Straßenverkehr. FDP-Politiker Luksic wies allerdings auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes hin, wonach die meisten Menschen auf Landstraßen ums Leben kommen.

Auf dem Großteil der Autobahnen in Deutschland gilt nach wie vor freie Fahrt. Ohne verbindliches Tempolimit sind 70 Prozent des Autobahn-Netzes. Dauerhaft oder zeitweise geltende Beschränkungen mit Schildern gibt es auf 20,8 Prozent des Netzes, wie aktuelle Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen für 2015 zeigen - am häufigsten sind Tempo 120 (7,8 Prozent) und Tempo 100 (5,6 Prozent). Dazu kommen variable Verkehrslenkungsanzeigen. (tiw)