Transparenzregister: EU-Parlament will Lobby-Kontakte deutlicher machen
Die EU-Abgeordneten wollen ein verbindliches Lobbyregister einführen, über das die Bürger auf einen Blick sehen können sollen, wie ausgewogen Interessenvertreter bei Gesetzesinitiativen einbezogen werden.
Das EU-Parlament will stärker dem Eindruck entgegenwirken, dass Gesetze in Brüssel und Straßburg undurchsichtig in enger Absprache zwischen gewählten Volksvertretern und finanzkräftiger Wirtschaft ausgearbeitet werden. Es hat dazu am Donnerstag eine Entschließung verabschiedet, wonach für die Institution ein verbindliches Transparenzregister für Treffen mit Interessenvertretern eingeführt werden soll. Einfließen werden laut dem entsprechenden Bericht über Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen auch die Finanzierung, die Unterstützer und die Kunden der Lobby-Organisationen.
Treffen nur noch mit registrierten Lobbyisten
Die Parlamentarier sollen auch generell nur noch Lobbyisten treffen, die im Transparenzregister verzeichnet sind. Ein Eintrag kurz vor einem Gespräch wird aber nicht ausgeschlossen. Abgeordneten sollen in ihrem Online‑Profil auf der Website des Parlaments selbst Informationen über Gespräche mit Lobbyisten veröffentlichen können, wenn sie dies wünschen. Den Ministerrat fordern die Volksvertreter auf, eine vergleichbare Vorschrift und einen entsprechenden Verhaltenskodex einzuführen.
An die Kommission geht der Appell, "alle Informationen bezüglich Tätigkeiten der Interessenvertretung bei den Organen der EU", einschlägige Erklärungen, bestätigte Interessenkonflikte und Sachverständigengruppen der Öffentlichkeit "im Rahmen einer einzigen Anlaufstelle im Internet leicht zugänglich zu machen". Die Abgeordneten sprechen sich ferner dafür aus, dass Informationen und legislative Dokumente der Öffentlichkeit während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens direkt zugänglich sind. Handlungsbedarf sehen sie hier vor allem rund um die Transparenz der Verhandlungen über Freihandelsabkommen wie CETA oder TTIP. Die Kommission gelobte hier parallel ihrerseits, offener agieren zu wollen.
Laut dem Berichterstatter Sven Giegold von den Grünen wird mit den Vorhaben eine Art "legislativer Fußabdruck" entstehen. Daran könnten die Bürger künftig auf einen Blick erkennen, "wie ausgewogen Interessenvertreter bei EU-Gesetzentwürfen einbezogen wurden". Berlin, Paris und andere Hauptstädte hätten schwächere Transparenzregeln und müssten nun endlich nachziehen.
Keine "Gesinnungspolizei"
Für die Resolution stimmte eine Mehrheit von 368 Abgeordneten, 161 waren dagegen, 60 enthielten sich. Der CDU-Parlamentarier Markus Pieper hatte wenige Tage vor der entscheidenden Plenarsitzung für Unruhe gesorgt mit dem Ruf nach einer staatlichen Behörde, die bewerten sollte, ob geförderte Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf der Basis "überprüfbarer Fakten" argumentieren. Giegold zeigte sich erleichtert, dass dieser Änderungsantrag keine Mehrheit fand und die europäische Zivilgesellschaft so nicht "an die kurze Leine einer Gesinnungspolizei" gelegt werde. Staatliche Wahrheitsprüfungen passten zu Russland, Kuba oder Venezuela, nicht aber zur Meinungsfreiheit Europas.
Die Kommission führt bereits ein Lobbyregister. Transparency International recherchierte anhand der dortigen Einträge vor zwei Jahren, dass sich Günther Oettinger (CDU) zu seiner Zeit als Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft fast ausschließlich mit Konzernvertretern traf und kaum ein offenes Ohr hatte für NGOs, Denkfabriken oder Kommunalverwalter. Fortan sollen laut dem Parlament die Regeln für Lobbykontakte der Brüsseler Regierungseinrichtung auch auf deren Referatsleiter und höhere Ebenen ausgeweitet werden. Geschont haben die Abgeordneten sich selbst bei strengeren Auflagen für Seitenwechsel in die Industrie. (mho)