Unter Geiern: .org-Fehde entzweit das Netz

Nach der Ankündigung, die Top Level Domain .org an den Investor Ethos Capital zu verkaufen, bietet sich eine Alternative an – allerdings nicht ohne Kritik.

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Unter Geiern: .org-Fehde entzweit das Netz

(Bild: Ondrej Prosicky / Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Im November kündigte die Internet Society (ISOC) den Verkauf der Top Level Domain .org an den US-Investor Ethos Capital LLC an und erntete massive Kritik. Und die verschärft sich mit neuen Initiativen in den letzten Tagen eher noch. .org als eine der ersten generischen Top Level Domains (gTLD) war usprünglich nur für nicht-kommerzielle Organisationen gedacht und hat diesen Charakter weitgehend in die heutige Zeit gerettet, auch wenn die TLD mittlerweile keine Beschränkungen in der Registrierung von Second Level Domains mehr aufweist.

Eine neue Initiative, als für US-Verhältnisse ungewöhnliche Kooperative eingetragen, bietet sich jetzt als Alternative für die künftige Verwaltung der TLD an. Aber bekommen die .org-Nutzer damit einen besseren Deal? Ironischerweise steht auf beiden Seiten je ein ehemaliger Chef der Netz-Selbstverwaltung ICANN.

Mit einem Aufschlag in der New York Times machte die neue "Kooperative der .org-Domaininhaber" auf sich aufmerksam. Statt den geplanten 1,13 Milliarden Dollar Verkauf von ISOCs Public Interest Registry an Ethos zu genehmigen, soll die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) die org-Verwaltung an die neue Kooperative ĂĽbertragen.

Die ICANN muss als Selbstverwaltung für die Domainbranche dem Verkauf zustimmen und hat bei vorherigen Eigentumsübergängen für TLDs niemals Nein gesagt. Doch wegen des Aufschreis von .org-Domaininhabern, von verschiedenen nationalen Chaptern der ISOC und der breiteren Internet Gemeinde nimmt man sich in Marina del Rey dieses Mal deutlich mehr Zeit für die Entscheidung.

Einerseits warnen nicht-kommerzielle Organisationen von der EFF bis zu Greenpeace vor steigenden Preisen, die vor allem für kleinere Organisationen in Entwicklungsländern durchaus empfindlich sein könnten. Andererseits wehren sie sich gegen den als Ausverkauf eines kleines Zipfels nicht-kommerzieller Landschaft im Netz an reiche Investoren aus dem Umfeld konservativer US-Politiker.

"Warum sollten das Rote Kreuz, die Unesco, die IATA und der Fußballverein meiner Tochter plötzlich Mitt Romney Geld schulden?", fragt Bill Woodcock, Chef von Packet Clearing House (PCH), in einem Kommentar gegenüber heise online. Leute wie Romney oder US-Milliardär Ross Perot, der laut dem britischen Register ebenfalls zum Kreis der Investoren hinter Ethos Capital gehört, hätten wirklich keinerlei moralisches Recht, kleinen Vereinen ihr Geld abzuknöpfen.

Woodcock, der noch im November den ISOC-Plan wohlwollend beurteilt hatte, hat seine Meinung nach eigener Aussage vor allem wegen der Höhe des Kaufpreises radikal geändert und gehört heute zum Direktorium der neuen Kooperative.

In einem offenen Brief rechnete Woodcock im Dezember vor, dass für Ethos der teure Kauf nur rentabel sei, wenn der Investor die Preise nach oben und die Ausgaben für die Sicherheit nach unten drücke. Die ISOC kritisiert Woodcock in seiner Antwort an heise online zudem massiv: sie habe seit der Übernahme der .org-TLD schon fast eine Milliarde Dollar "verschwendet". Anstatt für die nationalen Chapters habe die Mutter Unsummen für Gehälter und Reisen ausgegeben.

Geht es nach der neuen Initiative, soll die ISOC am Ende leer ausgehen. Denn die Kooperative will kein Geld für die .org-Registry ausgeben. "ISOCs Verkaufsinitiative hat einen Redelegationsprozess für .org angestoßen und es liegt nun in ICANNs Hand, wem sie den Zuschlag gibt", sagt Woodcock. Die Kooperative verpflichte sich dauerhaft, ein Viertel der Einnahmen den ISOC Chaptern, der Internet Engineering Task Force, dem System der Root Server und dem Internet Governance Forum zur Verfügung zu stellen. Zudem garantiere die Kooperative den Verzicht, aus den Daten der Domaininhaber Kapital zu schlagen. Ethos werde angesichts den Kaufpreises auf derartige Geschäftsmodelle kaum verzichten können.

Bei der ISOC hat man praktisch zeitgleich mit dem Aufschlag der Kooperative gerade erst kritische Nachfragen aus dem US Kongress abgewehrt. Eine Gruppe von Senatoren und Kongressabgeordneten – unter ihnen Ron Wyden und Präsidentschaftskandidatin Elisabeth Warren – hatten wegen der Kommerzialisierung nachgehakt.

Die ISOC verwies nun darauf, dass PIR sich dazu verpflichten werde, Preiserhöhungen auf maximal 10 Prozent pro Jahr zu begrenzen. Derzeit sei man mit 10 Dollar Registry-Preis immer noch eine der erschwinglichsten Domains. Zudem soll ein beratendes Gremium die Interessen der nicht-kommerziellen Nutzer wahren und unter anderem auch klare Selbstverpflichtungen gegen Zensur auflegen. Außerdem sollen mit einem Fonds gemeinnützige Internet Initiativen unterstützt werden und schließlich verspricht man auch, dass PIR als spezielle Gesellschaftsform einzutragen, als sogenannte Public Benefit LLC.

Solche Zusagen soll die ICANN nach den Vorstellungen etwa von Milton Mueller vertraglich fest zurren. Mueller ist einer der Gründer des ICANN Gremiums für nicht-kommerzielle Domainnutzer und gehörte selbst zu den Kritikern des Verkaufs. Die neue Kooperativen-Initiative lehnt Mueller allerdings kategorisch ab. Aus seiner Sicht sind viel zu viele Insider beteiligt, neben Woodcock, dessen PCH als Subunternehmer für PIR arbeitet, auch die Ex-Chefin der ICANN, Esther Dyson, oder der erste CEO der Netzverwaltung, Mike Roberts.

"Wer fand, dass der Deal mit Ethos Capital einen schlechten Beigeschmack hat, weil der ehemalige CEO (Fadi Chehade, d. Red.) als Berater involviert ist, für den sollte diese Gruppe übel stinken", schreibt Mueller. Er ziehe eine org-Domain, die offen kommerziell betrieben werde – und damit bestimmten Gesetzen unterliege – dem Management durch eine Gruppe vor, die Verantwortlichkeit predigten, aber doch nur opportunistische Insider seien.

Wie die Chancen im Kampf der laut Mueller als "Geier" bezeichneten Kontrahenten stehen, ist nicht leicht abzusehen, beide Seiten sind gut vernetzt in der US-Politik. Mueller unterstützt allerdings die Auffassung der ISOC, dass ICANN die TLD nicht einfach so freihändig neu vergeben kann. (emw)