.org-Verkauf: die Zivilgesellschaft tobt

Mit einem solchen Sturm um den Verkauf von .org hat die Internet Society nicht gerechnet. Nun fordern Organisationen eine Untersuchung.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 166 Kommentare lesen
Untersuchung des .org-Verkaufs durch US-Kongress gefordert

(Bild: alphaspirit/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Nichtregierungsorganisationen wollen den Verkauf der .org-Registry durch die Internet Society nicht kampflos hinnehmen. Die Organisation Access Now wandte sich mit einem Brandbrief an Vertreter beider Häuser des US-Kongress und forderte Senatoren und Abgeordnete auf, den für 1,135 Milliarden Dollar vereinbarten Verkauf der TLD an den Privatinvestor Ethos Capital zu untersuchen.

Seit Jahrzehnten habe die .org-TLD zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Heimat geboten, schreibt Access Now in seinem Brief an die US-Politiker. Der in aller Heimlichkeit abgeschlossene Deal berge das Risiko, dass die an Gewinnmaximierung interessierten neuen Inhaber die Preise erhöhen, vor allem dass sie ihre Aktivisten-Kundschaft weniger gegen Attacken schützen werden.

In einer Zeit, in der Bürgerrechtler weltweit von autokratischen Regierungen und großen Unternehmen mit Gewalt, Zensurmaßnahmen, gezielter Überwachung oder Desinformation überzogen würden, bedeute der Verkauf die Preisgabe eines der letzten "zivilen Räume" im Netz. Der Kongress solle in Anhörungen daher herausfinden, welchen Schutz die neuen Inhaber zu gewähren bereit sind, so eine der Hauptforderungen.

Die Kampagne von Access Now ist nur eine von vielen gegen die von der ISOC im November bekannt gegebene Transaktion. ISOC hatte 2002 den Zuschlag fĂĽr den Betrieb der TLD erhalten und sich finanzell mit den Einnahmen aus 10 Millionen Registrierungen gesund gestoĂźen.

Den Verkauf für ein Milliardengebot empfindet die Non-for-Profit-Szene regelrecht als Verrat. Die Electronic Frontier Foundation hatte unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Deals sofort einen Stop des Verkaufs gefordert. Die Mozilla-Stiftung riet Anfang Dezember dringend dazu, dass sowohl die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), die als Namensverwaltung den Eigentumsübergang absegnen muss, als auch die US-Aufsichtsbehörden überprüfen, mit welchem Schutz die .org-Kunden künftig rechnen können. Gleich zwei Unterschriftenlisten gegen den Verkauf liegen auf. Die von Access Now hat immerhin 17.000 Unterschriften.

Bitter für die ISOC dürfte vor allem auch die Kritik der eigenen nationalen Chapter sein. Ein Vorstandsmitglied des kanadischen ISOC Chapters bringt es so auf den Punkt: Der Verkauf sei angesichts des hohen Kaufpreises und des Risikos, dass Domains in der Zukunft doch von einer Blockchain-Technologie abgelöst würden, ökonomisch schon nachvollziehbar. Wegen der Beteiligung ehemaliger ICANN-Hauptamtlichen, darunter des ehemaligen ICANN-CEO Fadi Chehadi, habe der Deal aber mindestens ein „Geschmäckle“. Daher behalte er sich für die kanadische ISOC einen Plan B in der Schublade: den Namen ISOC abzulegen, sollten der ISOC Mutter irgendwelche Unregelmäßigkeiten nachgewiesen werden.

Auch die ICANN, die den Deal gerade satzungsgemäß prüft, hat sich nun diese Woche ebenfalls mehr Transparenz von der ISOC erbeten. Zwar versuchen ISOC und Ethos mittlerweile mit einer speziellen Webseite und offenen Webinars die Wogen zu glätten – Ethos und Public Interest Registry (PIR) veranstalten ein solches Webinar in der kommenden Woche.

Die ICANN möchte aber gerne die eigenen Fragen, die sie an ISOC und PIR übermittelt hat, und auch die Antworten der Partner und PIRs, sowie den ursprüngichen Antrag bei der ICANN, veröffentlichen. Immerhin habe ISOC-Chef Andrew Sullivan selbst gesagt, dass ihm angesichts des nicht-transparenten Vorgehens nicht wohl sei, schreibt ICANNs Chefjurist John Jeffrey. (emw)