Urheberrechtsreform: Was hat das EU-Parlament tatsächlich beschlossen?

Seite 2: Kommen nun die gefürchteten Upload-Filter?

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Die Volksvertreter stellen mit dem einschlägigen Artikel 13 ihres Entwurfs auf "Anbieter von Online-Inhaltsweitergabediensten" ("Online Content Sharing Service Providers") ab. Darunter sollen insbesondere Plattformbetreiber fallen, "bei denen einer der Hauptzwecke darin besteht, wesentliche Mengen an von Nutzern dieser Dienste hochgeladenen beziehungsweise bereitgestellten urheberrechtlich geschützten Inhalten zu speichern, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder als Stream wiederzugeben".

Die Definition erstreckt sich auch auf Anbieter, die Inhalte "durch Wiedergabe, Verschlagwortung, Verwahrung und Sequenzierung der hochgeladenen Werke" oder auf andere Weise "optimieren und zum Zwecke der Gewinnerzielung bewerben und folglich aktiv handeln". Darunter fallen letztlich alle Dienste mit nutzergenerierten Inhalten, die Beiträge mit Werbung versehen sowie Inhalte kuratieren und damit in die Wiedergabe involviert sind.

Nicht erfasst werden sollen kleine und mittlere Unternehmen, unkommerzielle Dienste wie Online-Enzyklopädien oder Anbieter, bei denen die Inhalte mit Zustimmung aller betroffenen Rechtsinhaber etwa in bildungsbezogene oder wissenschaftliche Verzeichnisse hochgeladen werden. Ebenfalls ausnehmen will das Parlament Betreiber von Cloud-Diensten für "die individuelle Nutzung ohne direkten Zugang für die Öffentlichkeit", Entwicklungsplattformen für freie Software und Online-Marktplätze, die vor allem physische Waren online feilbieten.

Die erfassten Plattformbetreiber geben geschützte Werke laut dem überarbeiteten Entwurf öffentlich wieder, "sind deshalb für deren Inhalt verantwortlich und sollten infolgedessen faire und angemessene Lizenzvereinbarungen mit den Rechtsinhabern schließen". Für sie gelten die Haftungsprivilegien aus der E-Commerce-Richtlinie nicht mehr.

Praktisch sollen die beteiligten Interessensträger gemeinsam "bewährte Verfahren" festlegen und dabei berücksichtigen, "in welchem Ausmaß der Dienst Inhalte anbietet, bei denen ein Verstoß gegen das Urheberrecht vorliegt". Über Leitlinien rund um die "Wirksamkeit von Lizenzvereinbarungen" wollen die Abgeordneten dafür sorgen, dass "den Grundrechten und dem Rückgriff auf Ausnahmen und Beschränkungen Rechnung getragen werden". Dabei soll auch gewährleistet werden, dass "Inhalte nicht automatisch gesperrt werden". Die Zusammenarbeit dürfe nicht dazu führen, dass legale oder unter den skizzierten Ausnahmen veröffentlichte Werke nicht verfügbar seien. Die Mitgliedsstaaten sollen sicherstellen, dass den Nutzern "wirksame und zügige Beschwerde- und Rechtsbehelfsmechanismen zur Verfügung" stehen, falls Inhalte ungerechtfertigt entfernt werden.

Der Begriff Upload-Filter taucht im Text des Parlaments nicht auf. Praktisch dürften die Vorschriften aber angesichts der Fülle von Beiträgen, die Nutzer sekündlich auf Portale wie YouTube hochladen, auf eine automatisierte Kontrolle der Inhalte hinauslaufen. Für Kritiker des Entwurfs steht außer Zweifel, dass die betroffenen Plattformen auf Upload-Filter setzen müssen, um sich angesichts des neuen strengen Haftungsregimes vor Klagen etwa aus der Musik- oder Filmindustrie zu schützen.

Die Position des Ministerrats ist an diesem Punkt noch deutlicher: Demnach sollen die betroffenen Betreiber ohne Lizenz der Rechteinhaber alles in ihrer Macht Stehende tun, um etwa mithilfe "effektiver und verhältnismäßiger Mittel" die Verfügbarkeit geschützter Inhalte auf ihren Portalen zu verhindern.

Die Technik ist nicht nur sehr teuer, sondern produziert auch viele Fehler. YouTube soll nur für die Entwicklung des eigenen Content-ID-Systems über 60 Millionen US-Dollar hingeblättert haben. Für nicht ganz so große Plattformen dürften solche Techniken unerschwinglich sein. Das YouTube-Filterverfahren ist zudem berüchtigt dafür, oft falsch zu liegen: Katzenschnurren hat Content ID bereits genauso als Urheberrechtsverstoß eingestuft wie weißes Rauschen. Internetpioniere wie Wikipedia-Mitgründer Jimmy Wales von oder Tim Berners-Lee warnen daher davor, dass solche Filter das offene Netz Wikipedia in "ein Werkzeug für die automatisierte Überwachung und Kontrolle der Nutzer" verwandeln.