Was war. Was wird. Germanistan ist noch nicht soweit
Die zentralen Probleme für die Zukunft Deutschlands, die eine neue Regierung zu lösen hat? Wer kommt drauf? Fragt sich Hal Faber, und weiß die Antwort(en). Leider.
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.
Was war.
*** Nein, welch ein Illtum! Der letzte Woche erwähnte Bundestrojaner ist zwar "frei" gegeben worden, aber noch gar nicht im Einsatz. Das hat ein Redakteur der Welt herausgefunden und berichtet und gleich hinzugefügt, dass der mobile Knacker der Quellen-TKÜ ein Qualitätsprodukt von Finfisher sein soll. Die Firma, die nach dem Surveillance Index so vertrauenswürdige Regimes wie Kasachstan und Turkmenistan auf ihrer Kundenliste hat, ist auch in Germanistan zum Zuge gekommen. Das Innenministerium hat am 10. Januar dem Bundeskriminalamt erlaubt, die mobile Schnüffelsoftware einzusetzen. Nun liegt anscheinend kein dringender Bedarf vor, diese Software schnellstmöglich einzusetzen, von der es schon einmal geheißen hat, dass jeder Tag ohne diese Überwachungssoftware ein Malus für unser aller Sicherheit sei.
*** Wer nun die Erlaubnis gegeben hat, ist unbekannt, es ist ja eine große Behörde mit vielen Sourcecode-Spezialisten und dann noch den Gutachtern von CSC, die die einsatzfreie FinSpy-Software daraufhin beurteilen können, ob sie rechtskonform ist und nicht etwa Screenshots speichert, wo es nur um WhatsApp geht. Wie sagte es einmal Franz Kafka: "Es ist ein Arbeitsgrundsatz der Behörde, daß mit Fehlermöglichkeiten überhaupt nicht gerechnet wird. Dieser Grundsatz ist berechtigt durch die vorzügliche Organisation des Ganzen, und er ist notwendig, wenn äußerste Schnelligkeit der Erledigung erreicht werden soll." Bei der Firma Eset hat nun ein gewisser Filip Kafka analysiert, wie die eCrime-Software von Finfisher trickst und täuscht, damit sie nicht erkannt wird. Bleibt nur noch die Frage, wie teuer die neue Schnüffelsoftware ist. Im Jahre 2013 kostete eine Vorgängerversion schlappe 150.000 Euro.
*** In dieser Woche hat Reporter ohne Grenzen zusammen mit anderen Journalistenverbänden wie der dju in ver.di im Namen von ausländischen Journalisten Klage gegen die Überwachung durch den BND erhoben. No trust, no news ist der Slogan der Verfassungsbeschwerde zum BND-Gesetz. Dass parallel zu dieser Aktion der BND begonnen haben soll, Journalisten anzurufen, ist natürlich nur ein Scherz irgendwelcher Komiker: Der Bundesnachrichtendienst telefoniert grundsätzlich nur mit ausgeschalteter Rufnummernanzeige. Spione beherrschen nun einmal ihr Handwerk, ob nun unter falschen oder echten Palmen. Das es bei so hoch qualifizierten Fachleuten für die Arbeit mit Selektoren und Kabeln zu Doppeljobs kommen kann, ist nur natürlich. Ein BND-Mitarbeiter, der gleichzeitig stellvertretender Chef der IT-Sicherheit beim Springer-Verlag ist, ist doch eine schöne Tarnung.
*** Ahnungslos ist die Haselnuss: Ich hätte mein letztes Hemd und das Unterhemd dazu darauf verwettet, dass die Blockchain es zum Anglizismus des Jahres schafft. Jeder Unsinn wird heute als Blockchain neu abgefüllt, von der Blockchain-Datenbank für Gesundheitsdaten bis zur neuen Nachhaltigkeit der globalen Ökonomie. Dazu kommen Erklärungen der Blockchain, die der blanker Unsinn sind. (Aufklärung bietet der Kollege Torsten Kleinz in seinem, nunja, Blockbeitrag.) Aber nein, der Influencer ist in der Welt abseits der IT und der Digitalisierung ungleich wichtiger. Influencer sind Leute, die eine Tafel Schokolade wie ein Alien behandeln und Mitglied einer Kuh-Munity sind. Insgesamt erscheint das genauso bescheuert wie Blockchain, nur mit Bildern.
*** Yo Memo, das "Memo to end all Memos" ist draußen (PDF-Datei der US-Regierung) und in den Vereinigten Staaten geht es lustig zu, nicht nur unter dem Hashtags YoMemoJokes. "Worte sind Schall und Rauch", schreibt der von Trump höchstselbst geholte FBI-Chef Wray und verteidigt seine Mitarbeiter, während die Aussagen des Memos bewertet werden. Da passt das Schall und Rauch unserer Verschwörungstheoretiker ja bestens. Solange das Gegen-Memo der Demokraten von der republikanischen Mehrheit blockiert ist, wird im Kaffeesatz gelesen oder in Eingeweiden gestochert. Nun diskutiert die einstmals mächtige USA über ein Papier, das sich liest wie ein Artikel aus Praline oder Bento, aber jeweils alle 90 Tage herhalten musste, um vor vier Richtern die andauernde Überwachung des US-Amerikaners Carter Page genehmigt zu bekommen. Nun ja, leere Eimer machen schon immer den lautesten Krach. Unterdessen spielt Präsident Trump wieder einmal Golf, auf Plätzen, auf denen seine Bälle mitten im Fairway liegen. Der Lackmus-Test der amerikanischen Demokratie hat begonnen.
Was wird
Unterdessen schwächelt sich die große Koalition ihrer Konstituierung als Regierung entgegen. In der anstehenden letzten Verhandlungsrunde, in der es ab Montag eigentlich endlich um die Posten gehen soll, sind noch Fragen bei der IT-Sicherheit zu klären. Auf dem Tisch liegt auf einem Zettelchen die Forderung herum, das BSI aus der Aufsicht des Innenministeriums zu lösen, wo man Software wie FinSpy freigibt und die Schnüffelsoftware-Entwicklungsbehörde ZITiS aufbaut. Irgendwie soll die Rolle des BSI unabhängiger werden, damit die Behörde neben der Arbeit als nationaler Zertifizierungssstelle auch diesen "nationalen Pakt für Cybersicherheit" beaufsichtigen kann, der auf einem weiteren Zettelchen aufgeschrieben wurde. Dann wäre da noch dieser komische, seit zwei Jahren immer wieder verschobene "Digitalpakt #D" des Bildungsministeriums, der braucht ja auch einen Anker, der sich darum kümmert, wo die 3,5 Milliarden Euro noch in dieser Legislaturperiode versickern können. Aber an Wochen wie diesen steckt man vielleicht lieber all das Geld in die Bekämpfung der Wölfe, die Kinder an Bushaltestellen anknurren. Das ist dann ja auch eine Art Bildungspolitik wie der Klassenchat mit WhatsApp.
In der nächsten Woche richten sich die Blicke nicht nur auf SPD, CDU und CSU. Auch Großbritannien hat etwas zu bieten. Nein, nicht der Brexit ist gemeint, sondern zwei höchst unterschiedliche Exits. Am Montag um 11:15 wird in der Berufungsverhandlung von Lauri Love der oberste Richter Großbritanniens, Ian Burnett, darüber entscheiden müssen, ob die von den USA gewünschte Auslieferung von Lauri Love durchgesetzt wird oder das Risiko zu groß ist, dass sich der junge Mann in US-Haft das Leben nehmen könnte. Mit dem Hinweis auf Loves Asperger-Syndrom haben Gutachter vor diesem Risiko gewarnt.
Am Dienstag um 14:00 will Richterin Emma Arbuthnot entscheiden, ob der internationale Haftbefehl, vor dessen Vollzug Julian Assange nach drei verlorenen Gerichtsverfahren in die Botschaft von Ecuador geflohen ist, noch gültig ist. Die sofortige Aufhebung des einstmals von Schweden ausgestellten Haftbefehls hatten Assanges Anwälte beantragt. Das kollidierte jedoch mit den Behauptungen, es gäbe ein geheimes Auslieferungsersuchen der USA und dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Flucht in die Botschaft als Bruch der Kautions- und Meldeauflagen zu werten. Ganz nebenbei gibt es ein vertracktes diplomatenrechtliches Problem zu lösen.
Ach, trösten wir uns mit der Kunst von Hélène Grimaud. Die kann nicht nur mit Wölfen umgehen, sondern auch mit einem der deutschesten aller deutschen Komponisten. Und einem der modernsten unter den der Romantik zugeordneten Musikschaffenden. Trösten wir uns also, in dem wir einer Frau zuhören, die besser mit Wölfen umgehen kann als unsere Großkoalitionäre, und mit einem Komponisten, der die Moderne seiner Zeit besser verstand als diese Großkoalitionäre die ihre. (jk)