Web Summit: Warum die Startup-Konferenz so erfolgreich ist
Der Web Summit ist in nicht mal zehn Jahren von einem lokalen Event für ein paar hundert Besucher zu einer globalen Institution gewachsen.
Es war einmal eine kleine Tech-Konferenz im irischen Dublin, erstmals 2009 organisiert von einem gewissen Paddy Cosgrave. Aus dem Jahr 2010 sind 400 Teilnehmer überliefert. Acht Jahre später zieht diese Veranstaltung, mittlerweile nach Lissabon umgezogen, 70.000 Besucher an – und das scheint noch lange nicht das Ende der Fahnenstange zu sein. Diese einmalige Wachstumsrate hebt den Web Summit aus der Masse der boomenden Tech-Konferenzen heraus.
Dass der Web Summit so erfolgreich ist, hat eine Reihe von Gründen. Cosgrave hatte die richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt. Die Zeit war reif für eine Konferenz, auf der Entwickler und junge Unternehmen ihre Ideen und Projekte vorstellen können – der Web Summit ist vor allem ein Forum für Startups und Risikokapitalgeber, aber zunehmend auch etabliertere Unternehmen.
Heute kann sich keine Tech-Messe, kein Kongress mehr leisten, die Startup-Szene zu ignorieren. Die klassischen Technik-Messen wie Mobile World Congress, die CEBIT oder die CES wollen sich mit der Szene ein junges, lebendiges Image geben: Die Startups als Indikator für die Innovationsfähigkeit der Branche. Doch sind die Jungunternehmer auf dem Web Summit nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern die Hauptattraktion.
Hohe Promidichte
Darüber hinaus schaffen es Cosgrave und sein Team, immer wieder interessante Branchen-Persönlichkeiten auf den Web Summit zu holen. Bereits 2011 etwa war YouTube-Mitgründer Chad Hurley dabei. Heute hat die Veranstaltung eine hohe Anziehungskraft nicht mehr nur auf Promis aus der Tech-Welt, auch Hollywood-Prominenz, Sportler und Spitzenpolitiker kommen nach Lissabon.
Auch mit dieser zehnten Ausgabe zeigte der Web Summit seine ganze Bandbreite: Neben Web-Erfinder Tim Berners-Lee und Seriengründer Ev Williams (Blogger.com, Twitter) gaben sich 2018 zahlreiche Top-Manager großer Player wie Apple, Netflix, Microsoft oder Booking.com die Klinke in die Hand. Dann auch Unternehmen, die man auf einer Tech-Konferenz nicht unbedingt erwartet: Shell, Tommy Hilfiger, Svarovski.
Web Summit 2018 (20 Bilder)
Inzwischen hat auch die Politik den Web Summit entdeckt. EU-Wettbewerbs-Kommissarin Margrete Vestager nutzt die Konferenz, um der Branche die Leviten zu lesen. Politische Regulierung ist ein heißes Eisen für die Techies, die harte Linie der EU gegen Google bringt ihr aber auch Respekt ein. Die Kommission war gleich dreifach vertreten: Neben Vestager waren Justizkommissarin Vera Jourová und der für die Forschung zuständige portugiesische Kommissar Carlos Moeda vor Ort.
Der Web Summit ist auch ein lebhafter Jobmarkt. Viele große Namen kommen nach Lissabon, um sich den zahlreich angereisten Entwicklern als potenzielle Arbeitgeber vorzustellen: Unternehmen wie Bosch, Siemens und SAP sind hier erfolgreich auf der Suche nach Talenten. Die deutschen Autobauer sind dabei, um ihr Profil als Tech-Companies zu schärfen. Volkswagen hat gerade ein Entwicklungszentrum in Lissabon eröffnet und BMW setzt mit dem Joint Venture Critical TechWorks auf Entwickler in Portugal.
Gut zum Netzwerken
Vor allem aber ist der Web Summit ein riesiges Forum zum Netzwerken. Dabei hilft die App, die der Web Summit wie alle großen Tech-Events hat – mit dem Unterschied, dass sie tatsächlich hilfreich ist und deshalb nicht ungenutzt auf dem Smartphone verschimmelt. In der App sind alle Teilnehmer erreichbar. So finden Startups Kontakt zu Investoren und den Medien, die Journalisten können CEOs und Speaker direkt ansprechen. Mit dem Kalender behält man den Überblick über die mehr als 20 Teilveranstaltungen.
Wer 70.000 Teilnehmer in seiner App vernetzen will, muss dafür sorgen, dass alle Internet haben. Das WLAN, auf vielen Großveranstaltungen ein notorisches Problem, funktioniert auf dem Web Summit. Selbst die abgelegensten Ecken des Messegeländes sind gut ausgeleuchtet – zumindest fast immer. "Wir hatten dieses Jahr eine Uptime von 99,5 Prozent", freut sich Cosgrave, "Das ist für eine Veranstaltung dieser Größe schon eine Leistung." Für das WLAN war der portugiesische Netzbetreiber Altice zuständig, der mit mobilen Basisstationen seiner Tochter Meo auch die Mobilfunkversorgung auf dem Gelände sicherstellte.
Nicht zuletzt sorgt der Web Summit dafür, dass die 70.000 auch ihren Spaß haben. Surf Summit, Sunset Summit, Night Summit – die abendliche Party oder der nächtliche Zug durch die Kneipen der Altstadt gehören fest zum Programm. Bei einem Bier in der Kneipe kann man sich mitunter unverkrampfter vernetzen als auf der Konferenz – das haben Cosgrave und Co. offenbar schon sehr früh erkannt. Inzwischen verfolgt die CEBIT mit ihrem neuen Konzept einen ähnlichen Ansatz.
Zufriedene Teilnehmer
"Es waren tolle vier Tage", zieht Cosgrave zum Abschluss des Web Summit 2018 ein vorläufiges Fazit. Auch die meisten Teilnehmer, mit denen heise online gesprochen hat, waren zufrieden. Christoph Grote von BMW etwa zeigte erfreut über den großen Zulauf am Stand seines Unternehmens.
Besonders stolz ist Cosgrave, dass viele Frauen auf den Web Summit kommen – für 2018 zählten die Veranstalter 44 Prozent Teilnehmerinnen. Für eine Tech-Konferenz ist das nicht selbstverständlich. Und wie geht es in den nächsten zehn Jahren weiter mit dem Web Summit? Cosgrave hat da so ein paar Ideen. "Ich würde gerne ein Podcast-Festival machen, bei dem sich einige Teilnehmer abends richtig langen Interviews stellen", sagt der Gründer. "Oder einen Wine Summit mit den tollen portugiesischen Weinen."
Doch im Moment setzt das Lissaboner Messegelände dem Wachstum enge Grenzen. "Wir sind an der Kapazitätsgrenze", sagt Cosgrave. Tatsächlich ist es in der Altice Arena, die 20.000 Zuschauer fasst, und den vier angrenzenden Messehallen an den drei Konferenztagen rappelvoll. Gerade hat Cosgrave mit der Stadt vereinbart, dass der Web Summit die nächsten zehn Jahre in Lissabon bleibt. Die Stadt investiert kräftig, bis 2028 sind es rund 110 Millionen Euro. "Die Stadt hat zugesagt, das Gelände zu erweitern", sagt Cosgrave. "Ab 2020 werden wir dann wieder Potenzial für Wachstum haben."
Aber Cosgrave will den Web Summit behutsam weiterentwickeln. Wachstum ist kein Selbstzweck - der CEO weiß, dass der Web Summit schnell auch zu groß werden kann. "Es gibt eine natürliche Grenze für so eine Veranstaltung", sagt Cosgrave, für den jetzt erstmal eine persönliche Veränderung ansteht: "Gestern hat mir meine Frau eröffnet, dass wir nach Lissabon umziehen", erzählt der Web-Summit-Gründer. "Es sieht also so aus, als würde ich nach Lissabon ziehen." (vbr)