Anbieter Sonnen lässt Kunden auf Solarvergütung warten

Wer eine Solaranlage installiert, will sie zügig ans Netz bringen, um Stromkosten zu sparen und Geld zu verdienen. Das klappt mit der Sonnen GmbH nicht immer.

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Solarpanel unterm Regenschirm
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Tim Gerber
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Dies ist ein Beitrag aus unserer Magazin-Rubrik Vorsicht, Kunde!, der erstmals am 2.3.2024 in c't 7/2024 erschienen ist.

Hermann E. möchte daheim in einer oberpfälzischen Kleinstadt gern Strom aus Sonnenenergie erzeugen. Sein Haus liegt günstig. Im Juni vergangenen Jahres installierte er eine Photovoltaik-Anlage mit einer Leistung von knapp 18 kWp, die einen Jahresertrag von gut 18.000 Kilowattstunden einbringen sollte. Um die über den Eigenverbrauch hinausgehende, erzeugte Energie besser auszunutzen, bestellte er am 11. Juli über den Anbieter Sonnen GmbH einen Batteriespeicher mit einer Kapazität von 22 Kilowattstunden und schloss mit der Firma zugleich einen Stromliefervertrag in deren Tarif "Sonnen Flat Direkt" ab.

Dieser Tarif weist einige Besonderheiten auf: Der Kunde verkauft den überschüssigen Strom nicht an den Netzbetreiber, sondern an seinen Stromlieferanten, also die Sonnen GmbH. Die handelt damit an der Strombörse oder liefert ihn an andere Kunden. Scheint bei Hermann E. in der Oberpfalz tagelang die Sonne, dann beliefert Sonnen mit von ihm erzeugten Strom ihre Kunden im verregneten Ostfriesland. Scheint an der Nordseeküste die Sonne, während im Süden trübe Wolken den sonst blauweißen Himmel verdunkeln, fließt Strom in die andere Richtung.

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Für den von ihnen an Sonnen gelieferten Strom erhalten die Kunden eine relativ hohe Vergütung von 10 Cent pro Kilowattstunde, gut zwei Cent mehr als sie aktuell nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von ihrem Netzbetreiber erhalten würden.

Damit das Ganze funktioniert und abgerechnet werden kann, lässt das Unternehmen bei den Kunden intelligente Messeinrichtungen, sogenannte Smart Meter installieren. Auch dies ist Bestandteil des Liefervertrags von Sonnen, den Hermann E. im vergangenen Sommer einging.

Bereits Ende Juli war die Anlage fertig installiert und bereit zum Anschluss an das Netz. Ans Netz angeschlossen werden durfte sie jedoch noch nicht, da bei Hermann E. ein alter Ferraris-Zähler installiert war, der bei Stromüberschuss aus der PV-Anlage verbotenerweise rückwärts drehen würde.

Die Installationsfirma meldete am 31. Juli per E-Mail, dass die Inbetriebsetzungsanzeige beim Netzbetreiber Bayernwerk bearbeitet worden sei. Der Mitarbeiter wolle umgehend mit Sonnen abklären, ob die den notwendigen Zählertausch nicht früher bewerkstelligen könne als Bayernwerk und gleich den endgültigen Zähler setzen könnten. "Sonst muss ja erst Bayernwerk einen Zweirichtungszähler montieren und der wird dann wieder von Sonnen deinstalliert", schrieb der Mitarbeiter: "Deutsche Bürokratie kann schon sehr an den Nerven zehren …".

Am 3. August erhielt Hermann E. eine Nachricht von Sonnen: "Unser Fachpartner hat uns darüber informiert, dass alle Voraussetzungen bei Ihnen vor Ort für den Einbau des intelligenten Messsystems erfüllt sind." Die damit beauftragte Firma werde ihn "in den nächsten Wochen" kontaktieren. Innerhalb von acht bis zehn Wochen solle der Einbau des intelligenten Messsystems abgeschlossen sein.

Nachdem am 28. August bereits drei der "nächsten Wochen" verstrichen waren, ohne dass sich eine Firma bei ihm gemeldet hätte, fragte der Kunde bei seinem Installateur nach. Der bestätigte ihm, dass alles in Ordnung sei, es aber wohl noch zirka zwei Monate dauern werde, bis der intelligente Zähler bei ihm installiert werde und er den Sonnen-Tarif nutzen könne.

Ende September erkundigte sich Hermann E. erneut bei der Installationsfirma nach dem Zählereinbau. Diese kontaktierte wiederum die zuständige Stelle unter zaehlerwechsel@sonnen.de. Von dort antwortete man der Fachfirma, ein schneller Zählerwechsel sei leider "allein schon aus regulatorischen Gründen nicht möglich". Der beauftragte Messstellenbetreiber sei hier an den WiM-Beschluss gebunden. Die Abkürzung steht für "Wechsel im Messwesen" und bezieht sich auf Richtlinien, die der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) herausgegeben hat. Allein die Tabelle mit den Abkürzungen in dem knapp 200 Seiten umfassenden Papier erstreckt sich über volle fünf Seiten.

Der Beschluss schreibe "gewisse Fristen" für die Anmeldung und die Durchführung eines Zählerwechsels vor, hieß es in dem Schreiben von Sonnen weiter. Dann sei der Kunde noch in eine Installateurs-Tour einzuplanen und der Termin mit ihm abzustimmen, was ebenfalls immer "etwas Vorlauf" benötige. Ein Zählerwechsel könne aktuell bis zu zwölf Wochen dauern.

Von diesen zwölf Wochen waren inzwischen allerdings bereits neun fruchtlos ins Land gegangen, ohne dass auch nur ein Termin vereinbart worden wäre. Das in der E-Mail vom 28. September von Sonnen gegebene Versprechen, bis zum Zählerwechsel die ganz normale EEG-Vergütung zu erhalten, konnte Hermann E. auch nicht trösten. Denn da er noch immer einen alten Ferraris-Zähler hatte, war seine PV-Anlage nicht ans Netz angeschlossen und die Sonnenenergie brezelte weiterhin nutzlos auf sein Dach.

Service im Visier
Vorsicht Kunde!

Immer wieder bekommen wir E-Mails, in denen sich Leser über schlechten Service, ungerechte Garantiebedingungen und überzogene Reparaturpreise beklagen. Ein gewisser Teil dieser Beschwerden ist offenbar unberechtigt, weil die Kunden etwas überzogene Vorstellungen haben. Vieles entpuppt sich bei genauerer Analyse auch als alltägliches Verhalten von allzu scharf kalkulierenden Firmen in der IT-Branche.

Manchmal erreichen uns aber auch Schilderungen von geradezu haarsträubenden Fällen, die deutlich machen, wie einige Firmen mit ihren Kunden umspringen. In unserer Rubrik „Vorsicht, Kunde!“ berichten wir über solche Entgleisungen, Ungerechtigkeiten und dubiose Geschäftspraktiken. Damit erfahren Sie als Kunde schon vor dem Kauf, was Sie bei dem jeweiligen Unter nehmen erwarten oder manchmal sogar befürchten müssen. Und womöglich veranlassen unsere Berichte ja auch den einen oder anderen Anbieter, sich zukünftig etwas kundenfreundlicher und kulanter zu verhalten.

Falls Sie uns eine solche böse Erfahrung mitteilen wollen, senden Sie bitte eine chronologisch sortierte knappe Beschreibung Ihrer Erfahrungen an: vorsichtkunde@ct.de.

Immerhin versprach sein Installateur, gleich am ersten Arbeitstag im Oktober mit dem Netzbetreiber Bayernwerk Kontakt aufzunehmen, um den Einbau eines Zweirichtungszählers zu veranlassen, damit die Anlage endlich ans Netz gehen konnte. Das geschah innerhalb von gut zwei Wochen und am 19. Oktober ging die Anlage nun endlich ans Netz. Von seinem Vertragspartner Sonnen und dem versprochen Smart-Meter-Einbau hörte Hermann E. indessen rein gar nichts mehr, obwohl die versprochenen zwölf Wochen seit Ende Juli schon kräftig überschritten waren.

Immer wieder schaute Hermann E. in seinem Kunden-Account bei my.sonnen.de, doch der Status blieb unverändert: Sein Tarif sei seit 28. Juli aktiv, die Anlage erfolgreich getestet, der Zählerwechsel befinde sich "in Vorbereitung". So war es im Dezember zu lesen und im Januar. Anfragen des Kunden beantwortete Sonnen inzwischen überhaupt nicht mehr. Am 26. Februar wandte sich Hermann E. an c’t und schilderte uns den Vorgang.

Wir fragten am 28. Februar bei der Sonnen GmbH an, warum sich der versprochene Einbau eines Smart Meters bei dem Kunden und mithin sein Vertragsbeginn nun schon ein halbes Jahr hinzogen. Am 4. März antworte uns der Pressesprecher von Sonnen: Aktuell komme es beim Einbau der Smart Meter zu längeren Wartezeiten. Unter anderem sei durch neue rechtliche Rahmenbedingungen die Nachfrage sehr stark angestiegen. Zugleich gebe es bei den für die Installation zertifizierten Installateuren einen hohen Fachkräftemangel.

Man bedauere, dass man den Kunden nicht entsprechend informiert und seine Anfragen Ende 2023 und Anfang 2024 durch einen "Prozessfehler" nicht beantwortet habe. Die Mitarbeiter seien irrtümlich davon ausgegangen, dass der Prozess bereits im Gang sei. Dem Kunden sollen indessen einstweilen keine Nachteile entstehen, da man ihm die Differenz bei der Einspeisevergütung ausgleichen wolle.

In einer E-Mail vom folgenden Tag erläuterte Sonnen dem Kunden lediglich die Ursachen für die Verzögerungen und sicherte ihm einen alsbaldigen Termin für den Einbau des Smart Meters zu.

Das Ärgerlichste an dem Vorgang für den Kunden ist die Verzögerung von zweieinhalb guten Sonnenmonaten, die bis zum Anschluss seiner Anlage vergingen, weil er auf das Smart Meter von Sonnen gewartet hatte. Darauf sollten sich frisch gebackene PV-Anlagenbesitzer also lieber nicht verlassen und schnell den Zweirichtungszähler ihres Netzbetreibers einbauen lassen, auch wenn dieser bereits ein paar Wochen später wieder ersetzt werden soll. Das Beispiel von Hermann E. zeigt, dass aus einer solchen Übergangsphase auch mal ein gutes halbes Jahr und mehr werden kann.

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(tig)