ESP-32-CAM als Rückfahrkamera im Auto – guter Plan, klappt aber nicht
Geplant war eine selbstgebaute Rückfahrkamera für den Camper, herausgekommen ist am Ende nur ein schickes Gehäuse für das Board – und eine Menge an Erfahrungen.
- Kurt Meister
Es ist Maker-Alltag, dass nicht alle Projekte in der Praxis so funktionieren, wie geplant – selbst wenn man eigentlich beim Konzept an alles gedacht hat und auch nicht bei der ersten Schwierigkeit aufgibt. So erging es mir bei meinem letztendlich gescheiterten Versuch, aus der günstigen ESP32-CAM eine Rückfahrkamera fürs Auto zu bauen. Damit ich diese Erfahrungen aber nicht umsonst gemacht habe und als Anregung für alle, die ein ähnliches Projekt (mit anderer Hardware!) planen, beschreibe ich hier kurz meinen Weg und meine Erfahrungen. Erprobte Projekte mit der ESP32-CAM finden sich übrigens im Make-Special rund um dieses Kamera-Board.
Vor drei Jahren habe ich mir einen langgehegten Wunsch erfüllt: Ich habe mir einen Camper zugelegt. Genau genommen ist das falsch, weil der "Camper" noch als Transportfahrzeug für eine Fensterbaufirma ausgerüstet war. Wie aus dem Fahrzeug dann ein Camper wurde, wäre ein ganz eigenes Thema; hier soll es nur um den Versuch gehen, eine Rückfahrkamera nachzurüsten.
Das Auto ist ein Renault Trafic, Baujahr 2012, in der Ausführung mit dem langen Radstand. Aus Sicht meiner Frau ist der Radstand so lang, dass man unmöglich ohne Kamera rückwärts fahren kann. Zugegeben: Das Rangieren bei engen Platzverhältnissen ist anspruchsvoll, weil neben der Kamera auch jegliche andere Sensoren fehlen und nicht immer jemand mit im Auto sitzt, der aussteigen und lotsend mithelfen kann. Darum zögerte ich nicht lange und sprang mit beiden Füßen ins kalte Wasser im Umgang mit der günstigen ESP32-CAM.
Proof of Concept
Der erste Funktionstest, bei welchem ich die Kamerabilder zu Hause via WLAN auf ein Notebook schicken wollte, misslang völlig: Ohne externe Antenne und taugliche Stromversorgung mit 5 Volt sei der Controller nicht in die Gänge zu bringen, las ich in Foren. Also nichts, was sich nicht korrigieren ließe. Mit Antenne klappte dann die Übertragung in so guter Auflösung und ordentlicher Wiederholrate, dass für mich der Status Proof of Concept erreicht schien. Das war leider vorschnell, dazu jedoch später mehr ...
Der Prototyp
Das Setting für den Prototyp sollte so aussehen: Die ESP32-CAM im Heck des Wagens wird mit Strom versorgt, sobald das Fahrlicht eingeschaltet ist. Damit läuft der ESP dauerhaft und es sollten keine Verzögerungen beim Verbindungsaufbau auftreten. Die 12 V von der Autobatterie werden mit einem Spannungswandler auf 5 V zum Betrieb des Boards heruntertransformiert. Montiert wird die Cam auf der Innenseite der linken Hecktür. Vorn im Wagen haben wir ein 8-Zoll-Android-Tablet, welches wir für die Navigation mit Google Maps nutzen. Also schon alles da, um den Stream vom ESP anzusehen. Das Bindeglied dazwischen ist ein WLAN-Hotspot, welchen wir via Handy einschalten. Angestoßen wird die Übertragung, indem beim Tablet der VLC-Player gestartet und damit der Videostream vom ESP abgerufen wird.
Probleme in der Praxis
So machten wir uns im Frühsommer 2023 auf in die Camperferien. Das Wetter zeigte sich von der sympathischen Seite und so sorgten diese Ferien für eine wunderbare Entspannung von der Arbeit. Die Rückfahrkamera selber trug aber nur wenig zur Tiefenentspannung bei, da es Probleme bei der drahtlosen Verbindung zwischen Kamera und Tablet gab: Die brach jeweils nach einigen Minuten ab. Und eine Woche nach Ferienstart war komplett Schluss mit lustig: Nichts ging mehr – wenn auch gemäß Hotspot waren die Geräte immer noch existent waren ...
Damals ging ich von davon aus, dass sich irgendwie das Flachbandkabel vom Kameramodul zum ESP gelöst haben musste. Viel wahrscheinlicher war aber, dass dem ESP nicht mehr die gleiche IP zugewiesen wurde. Dies ließ sich mittels mDNS umgehen, wodurch die IP-Adresse nicht mehr bekannt sein musste – anstatt auf http://192.168.1.3
konnte auf http://kamera.local
zugegriffen werden. Die Ausfälle jedoch blieben jedoch erhalten.
Ein weiteres Problem war die Halterung der Cam. Dass im Fahrzeugbau andere Maßstäbe gelten, hätte ich mir eigentlich denken können: Durch die Vibrationen bei der Fahrt löste sich nach kurzer Zeit die Halterung der Cam und die zuvor sorgfältig optimierte Ausrichtung war hin. Immerhin ließe sich dieses Problem mit einer stabileren Halterung beheben.
Display und Trigger
Ursprünglich wollte ich via Browser auf den Stream zugreifen. Das dauerte in der Praxis aber viel zu lange. Besser funktioniert es via VLC Player, wo ich einen Medienstream via IP-Adresse oder mDNS abrufen kann. Im ersten Prototypen musste ich den VLC manuell starten. Das ist sehr mühsam. Damit das automatisch geht, müsste ich detektieren, ob das weiße Rückfahrlicht brennt. Falls ja, kann ich diesen Umstand via ESP auswerten. Das sollte sich dann via Tasker als Push-Nachricht realisieren lassen.
Fazit
Für die meisten aufgetretenen Probleme gäbe es Lösungsansätze, aber was nützt es, wenn es ein Kernproblem gibt, bei dem man nicht weiterkommt? Genau an dieser Stelle musste ich das Projekt mit der ESP32-CAM abbrechen. Hätte ich doch beim Proof of Concept besser nachgeforscht und Tests gleich mit dem Handy-Hotspot statt in meinem heimischen WLAN gemacht.
Vielleicht hätte ich dabei schon festgestellt, dass der Handy-Hotspot einem klassischen nicht das Wasser reichen kann und damit die drahtlose Verbindung instabil wird. Bei einem Nachtest zum direkten Vergleich hatte ich via Handy-Hotspot eine Latenz von 0,5 bis 5 Sekunden und während der Testzeit gelegentlich Abbrüche. Via WLAN-Router in unserer Wohnung war praktische keine Verzögerung registrierbar. Allerdings arbeite ich im Zug auch ständig mit meinem Handy als Hotspot. Das hat bisher in der Regel gut funktioniert und deshalb kann ich mir das Problem der ESP32-CAM mit dem Hotspot nicht vollends erklären. Vielleicht hat jemand eine Erklärung und mag das in die Kommentare schreiben?
Mit dem Erfahrungsstand von heute hätte ich jedenfalls die ESP32-CAM als Plattform gleich verworfen und nach einer kabelgebundenen Lösung gesucht. Was bleibt, abgesehen von dieser Erkenntnis? Ein schönes Gehäuse für die ESP32-CAM (Download als Fusion-Datei) und ich habe wieder einmal viel gelernt ...
(pek)