Federlesen #5: Die Schattenseiten einer Konsenskultur

Seite 2: Freiheit & deren Konflikte

Inhaltsverzeichnis

Die meisten Apache-Projekte werden eher konservativ und evolutionär weiterentwickelt, was sich in langen Major Release-Zyklen zeigt, etwa bei Apache http 1.x und Tomcat 5.5. Der Erfolg des Projekts kann jedoch zur Bremse für die Weiterentwicklung und bei der Fehlerbehebung werden, zum Beispiel bei Ant, Xalan-J oder Struts 1. (Die über 100 noch offenen Bugs werden bei Ant beispielsweise nur schleppend behoben, was auch das PMC (Project Management Chair) in seinem letzten Bericht kritisiert hat.)

Neue Versionen erscheinen dann immer seltener und enthalten nur noch Fehlerkorrekturen. Aus Unzufriedenheit über die mangelnden Fortschritte kann es, wenn auch selten, vorkommen, dass Apache-Projekte außerhalb der Apache-Community weiterentwickelt werden, so geschehen bei den früheren Apache-Projekten myBatis, logback und SL4J.

Der Gründer von commons-logging und log4j – Ceki Gülcüentwickelt seine neuen Projekte SLF4J und logback wegen der für ihn nicht mehr passenden Apache-Vetokultur außerhalb von Apache weiter und führt dazu als Negativbeispiel einen durch Brandbriefe enttäuschten Apache-MINA-Committer an.

Da Software bekanntlich von Menschen entwickelt wird, kann eine Open-Source-Community durchaus ihre Schattenseiten haben.

Ein anderes Beispiel für einen ungelösten Konflikt ist der Streit über einen zurückgenommenen Commit im Solr-Projekt. Als Lösung soll der Commit-Prozess, wo realisierbar, automatisiert und der Ernennungsprozess von Contributor zu Committer zu PMC beschleunigt werden. Der PMC-Vorsitz soll, wie in anderen Apache-Projekten üblich, jährlich rotieren. Da alle etwas achtsamer miteinander umgehen wollen, sind inzwischen mit Lucene 3.3 und Solr 3.3 synchronisierte Versionen erstellt worden. Ein Beispiel für Abstimmungs- und Entscheidungsprobleme war der Streit über den Vorsitzwechsel (von Alex Karasulu zu Pierre-Arnaud Marcelot) und die Weiterentwicklung des Apache-Directory-Projekts Anfang des Jahres.

Da sich jedoch alle genannten Konflikte offen ansprechen und klären ließen, dürfen sie auch als Beispiele für eine erfolgreiche Konsenskultur bei der Entwicklung von Open-Source-Software gelten. Ratschläge für den Umgang mit Brandbriefen oder Trollen in den Mailinglisten finden sich bei Ted Husted, der Apache Netiquette und in Kapitel 2 und 6 von Karl Fogels Buch "How to Run a Successful Free Software Project".