Fotobücher — die Kritiken des Jahres 2023

Bücher über Fotografie zeigen nicht nur Bilder, sie erzählen auch Geschichten von und über Fotografen oder geben Einblicke in unbekannte Welten.

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Lesezeit: 19 Min.
Inhaltsverzeichnis

Fotografie ist eine große Quelle der Inspiration und Kreativität. Fotobücher sind eine besonders gute Möglichkeit, sich mit den Ideen und Perspektiven unterschiedlichster Fotografinnen und Fotografen auseinanderzusetzen. Fotobücher sind nicht einfach Sammlungen von Bildern, sondern sie geben Einblicke in Welten, die wir vielleicht nie betreten könnten, sie erzählen Geschichten, von denen wir bisher nichts wussten, oder sie zeigen Bilder, die uns tief berühren können. Von atemberaubenden Landschaftsaufnahmen über intime Porträts bis hin zu dokumentarischen Arbeiten decken sie die ganze Bandbreite der Fotografie ab.

c't Fotografie 4/24

In jeder Ausgabe von c’t Fotografie stellen wir in unserer Reihe "Buchkritiken" jeweils zwei Fotobücher vor, die uns fotografisch oder inhaltlich angesprochen und interessiert haben. Das Spektrum reicht vom aufwändigen Fotoreiseführer über den spannenden Sammelband bis zur faszinierenden Monografie.

Im Folgenden haben wir alle Buchbesprechungen des Jahres 2023 noch einmal für Sie zusammengefasst.

In Hong Kong leben 7,4 Millionen Menschen. 6890 Einwohner pro Quadratkilometer – ein hochverdichteter Stadtraum. Die meisten Hong Konger leben daher in Hochhäusern, die in Blocks eng aneinander stehen.

Mit "Architecture of Density", der bereits 2012 erschien und nun wieder aufgelegt wurde, widmet sich der deutsch-amerikanische Fotograf Michael Wolf auf eine faszinierend-dystopische Art diesen urbanen Hochhausstrukturen. Wolf (* 1954 † 2019) ging 1994 als Fotojournalist für den Stern nach Hong Kong und hat dort über zehn Jahre gelebt. Seine "Density"-Serie entwickelte er über einen langen Zeitraum. Sie stellt den Startpunkt für Wolfs Karriere als Fotokünstler dar.

Hier zeigt sich eine urbane Dystopie in ihrer stärksten Ausprägung: riesige Wohnmaschinen mit unzähligen Einheiten, neben- , über- und untereinander, zahllosen Fenstern und keine Menschen zu sehen. Es sind keine glitzernden Glas- und Stahlbauten, sondern Betonhochhäuser, die Wolf zum ersten Mal in seinem Hinterhof fotografierte.

Dabei wählt er stets eine Frontalperspektive, die sich durch die Teleobjektivaufnahme noch intensiviert. Zudem ist der starke Beschnitt der Fotos ganz entscheidend und ein Markenzeichen des Fotografen. Weder Himmel noch Vorder- oder Hintergrundelemente sind zu sehen. So wirken die Häuser größer und regelrecht unendlich. Die Gebäudelinien sind horizontal und vertikal präzise ausgerichtet und entwickeln sich zu einer kolossalen Struktur, die aus geometrischen Formen und bunten Farben besteht.

Die außerordentlichen Dimensionen der Wohnhochhäuser lassen den Betrachter nicht nur erstaunen, sondern schüchtern geradezu ein. In Verbindung mit der Gleichförmigkeit und der offensichtlichen Anonymität entsteht eine gewisse Beklemmung.

Obwohl die Auswahl der Motive vielfältig ist, stellt sich durch die Wiederholung der Frontalperspektive nach einer gewissen Zeit ein wenig Monotonie ein. Diese scheint jedoch künstlerisch gewollt, da nach intensiverer Betrachtung auch Spuren von Menschen sichtbar werden: Wäscheleinen, ein paar Pflanzen, ein Fernseher oder Markisen in den Fenstern. Diese alltäglichen Details stechen hervor und sind die wenigen Unregelmäßigkeiten in diesem geordneten Design. Insgesamt ist dieser Bildband eine reizvolle visuelle Auseinandersetzung mit der einzigartigen Bauweise der Megastadt und für Architektur- und Fotokunstinteressierte sehr zu empfehlen.

Ein Meer aus Wohnungen, Fenstern und Balkonen.

(Bild: Michael Wolf)

  • Michael Wolf
  • Buchkunst Berlin
  • 127 Seiten
  • 31 cm × 24 cm
  • 48,00 Euro
  • ISBN: 978-3-9819805-1-6