Mitteldeutsche Kommunikationsgesellschaft (MDDSL) patzt beim Glasfaserausbau

Wenn ein Anbieter den versprochenen Glasfaseranschluss mehrere Jahre nicht realisiert, ist der Kunde irgendwann nicht mehr an den Vertrag gebunden.

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Vetrag mit Handschellen

(Bild: c't)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Tim Gerber
Hinweis

Dies ist ein Beitrag aus unserer Magazin-Rubrik Vorsicht, Kunde!, der erstmals am 13.6.2024 in c't 14/2024 erschienen ist.

Die alten Kupferleitungen im Wohngebiet von Rainer P. geben nicht viel her. Ganze 8 Mbit/s sind derzeit möglich. So war P. sehr interessiert, als Ende 2021 die Mitteldeutsche Kommunikationsgesellschaft (MDDSL) den Ausbau eines Glasfasernetzes in der Eigenheimsiedlung im Osten Magdeburgs im kommenden Jahr versprach und für ihre Verträge warb. Gleich zu Jahresbeginn schloss Rainer P. die nötigen Verträge über die Herstellung eines Hausanschlusses und die Bereitstellung der Internetverbindung für mindestens 24 Monate ab.

Am 5. Januar 2022 bedankte sich die MDDSL für seine Bestellung. Diese habe man "systemseitig erfasst und zur weiteren Bearbeitung an unsere Bauabteilung weitergeleitet", hieß es in der E-Mail. Nun wartete Rainer P. zusammen mit einigen Nachbarn, dass die Bagger in ihrer Straße anrücken würden. Doch Woche um Woche, Monat um Monat vergingen, ohne dass sich auch nur ein Vortrupp der "Bauabteilung" der MDDSL hätte blicken lassen.

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Auf telefonische Nachfrage hieß es, dass der Ausbau bis Ende 2022 erfolgen solle. Doch das Jahr verging komplett, ohne dass sich etwas getan hatte. Anfang 2023 sagte man Rainer P., dass der Ausbau im ersten oder zweiten Quartal beginnen würde. Wieder wartete Rainer P. geduldig – was blieb ihm auch groß übrig? Inzwischen kündigte die Deutsche Telekom an, in seinem Wohngebiet ebenfalls Glasfaseranschlüsse verlegen zu wollen. Nun verteilte die MDDSL Informationsblätter, dass es zu Verzögerungen gekommen sei, der Anschluss aber spätestens bis zum Ende des vierten Quartals erfolgen werde.

Rainer P. fragte daraufhin bei der MDDSL an, ob sie ihr Kabel gemeinsam mit der Telekom verlegen werde, da die Straße ja nur einmal aufgerissen werden sollte. Die MDDSL nutze ein sogenanntes Bohrspülverfahren, bei dem die Straße gar nicht aufgerissen werden müsse, belehrte man den Kunden am Telefon. Man warte ab, bis die Telekom fertig sei, und lege dann seine eigenen Leitungen.

Im Sommer 2023 war es dann so weit, dass ein Bautrupp im Wohngebiet von Rainer P. tätig wurde. Aber die Bagger arbeiteten im Auftrag der Deutschen Telekom und nicht etwa der MDDSL, bei der er seinen Anschluss bestellt hatte. Also musste sich der Kunde weiter mit seinen 8 MBit/s begnügen, die die alte Telefonleitung der DDR-Post hergab. Nachdem die Telekom-Bagger längst weg waren, fragte Rainer P. erneut nach einem Termin für die Fertigstellung seines Anschlusses. Und nachdem er wieder nichts Konkretes zu hören bekommen hatte, schrieb er am 26. Oktober an die MDDSL, dass er von seinem Vertrag zurücktreten wolle.

Am Tag darauf antworte ihm die Leiterin des Innendienstes bei MDDSL jedoch, dass ein Rücktritt vom Glasfaservertrag nicht möglich sei: "Da die Vertragsunterlagen bindend sind, müssen wir uns an diese Vereinbarungen halten. Dieses haben wir Ihnen per Mail am 05.01.2022 mitgeteilt. Daher können wir Ihre Bitte um Kündigung des Glasfaserauftrages nicht bestätigen." Darüber war Rainer P. nun doch reichlich erbost und antwortete postwendend, dass der Vertrag ja nun schon fast 24 Monate laufe und länger nicht dauern dürfe. Antworten bekam er von dem Unternehmen keine mehr.

Nachdem er über die Verfügbarkeitsprüfung bei der Telekom und auch beim Anbieter 1&1 festgestellt hatte, dass an seiner Adresse Glasfaseranschlüsse angeboten werden und rasch realisiert werden können, wandte er sich am 20. Mai dieses Jahres mit seiner Schilderung an c’t und fragte, wie lange er denn an nun tatsächlich an den Vertrag gebunden sei.

Servide im Visier
Vorsicht Kunde!

Immer wieder bekommen wir E-Mails, in denen sich Leser über schlechten Service, ungerechte Garantiebedingungen und überzogene Reparaturpreise beklagen. Ein gewisser Teil dieser Beschwerden ist offenbar unberechtigt, weil die Kunden etwas überzogene Vorstellungen haben. Vieles entpuppt sich bei genauerer Analyse auch als alltägliches Verhalten von allzu scharf kalkulierenden Firmen in der IT-Branche.

Manchmal erreichen uns aber auch Schilderungen von geradezu haarsträubenden Fällen, die deutlich machen, wie einige Firmen mit ihren Kunden umspringen. In unserer Rubrik „Vorsicht, Kunde!“ berichten wir über solche Entgleisungen, Ungerechtigkeiten und dubiose Geschäftspraktiken. Damit erfahren Sie als Kunde schon vor dem Kauf, was Sie bei dem jeweiligen Unter nehmen erwarten oder manchmal sogar befürchten müssen. Und womöglich veranlassen unsere Berichte ja auch den einen oder anderen Anbieter, sich zukünftig etwas kundenfreundlicher und kulanter zu verhalten.

Falls Sie uns eine solche böse Erfahrung mitteilen wollen, senden Sie bitte eine chronologisch sortierte knappe Beschreibung Ihrer Erfahrungen an: vorsichtkunde@ct.de.

Wir fragten am 21. Mai bei dem Unternehmen nach, wann es denn mit der Erfüllung des Vertrages beginnen wolle und weshalb es den Kunden auf keinen Fall aus dieser Knebelung entlassen wolle. Gleichzeitig fragten wir bei der Verbraucherschutzzentrale in Magdeburg nach, ob es dort häufiger solche Beschwerden über das in einem Vorort der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt ansässige Unternehmen gebe.

Bereits nach wenigen Stunden antwortete uns der Vertriebsleiter der MDDSL, dass es sich um ein Missverständnis handeln müsse. Schon immer hätten Kundinnen und Kunden des Unternehmens die Möglichkeit gehabt, ihre zukünftigen Verträge zu kündigen, sofern diese baulich nicht realisiert wurden. Es gebe keinen nachvollziehbaren Grund, solche Praktiken anzuwenden.

Man habe sich nun umgehend an die betroffene Abteilung gewandt und dem Kunden die Kündigung sowohl telefonisch als auch schriftlich bestätigt. Zudem habe man seine Mitarbeiter auf dieses Thema sensibilisiert, um sicherzustellen, dass ein solcher Vorfall in Zukunft nicht erneut vorkomme.

Ursprünglich sei der Ausbau bis Ende 2023 geplant gewesen. Man lege aber großen Wert darauf, keine bestehenden Netze zu überbauen. Die eigenen Planungen seien durch die Bauaktivitäten der Telekom behindert worden. Mit anderen Worten: An der Adresse von Rainer P. wird es keinen Glasfaseranschluss der MDDSL geben, weil die Telekom schneller war. Der Kunde bestätigte uns, inzwischen einen Anruf und später auch eine Bestätigung per E-Mail erhalten zu haben, dass er nun nicht mehr an die über zwei Jahre alten Verträge gebunden sei.

Das Thema beschäftige auch sie, antwortete uns die Verbraucherzentrale (VBZ) von Sachsen-Anhalt. Es trete zwar nicht gerade in Massen auf. In diesem Jahr seien bisher zwei ähnlich gelagerte Beschwerden zu MDDSL eingegangen. Die Problematik sei allerdings nicht auf MDDSL beschränkt. Auch andere Anbieter von Glasfaseranschlüssen handelten ähnlich.

Dabei dürften Verbraucherinnen nicht länger als zwei Jahre an einen Vertrag gebunden sein und die beginnen laut Bundesgerichtshof (siehe ct.de/y5cb) zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, erläuterten die Verbraucherschützer. Da viele Verbraucherinnen schon während der Bauphase einen Vertrag abschlössen, beginne der Vertrag oft schon Monate, bevor das Internet bereitgestellt werden könne. Der erste reguläre Kündigungszeitpunkt eines laufenden Glasfaservertrages sei in der Regel zwei Jahre nach Erhalt der Auftragsbestätigung und nicht erst nach der Schaltung des Anschlusses.

Sollte der Anbieter nicht wie vereinbart mit dem Ausbau beginnen, könne man den Vertrag auch außerordentlich kündigen. Dazu müsse man dem Anbieter eine angemessene Frist setzen, innerhalb derer er die Leistung erbringen muss. Bei einem Glasfaseranschluss kommt es auf die Vereinbarungen und Umstände des Ausbaus an, sodass man eine längere Frist als gewöhnlich setzen solle, meint die VBZ.

Ein Einzelfall scheint der von Rainer P. also wohl doch nicht zu sein und warum man den Kunden halten wollte, obwohl man bei ihm bis Sankt Nimmerlein keinen Internetanschluss realisieren würde, bleibt schleierhaft.

Infos der VBZ zu Glasfaserverträgen: ct.de/y5cb (tig)