Warum Entwickler ein Augenmerk auf ihre Gesundheit legen sollten

Seite 3: Auf die eindeutigen Signale hören, bevor es zu spät ist

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Ein Burn-out, also medizinisch gesprochen eine Anpassungsstörung, bedeutet vor allem, dass man sich in einer Stresssituation nicht mehr richtig verhalten kann. Umgangssprachlich sagt man auch, dass man "weich" wird. Das ist ein schleichender Prozess, der sicherlich nicht von heute auf morgen kommt.

Hier eine Auflistung eindeutiger Signale, die der Autor bei Befragungen betroffener Entwickler eruieren konnte:

  • zwanghafte Hatz: Es geht morgens direkt los. Kein Prüfen von E-Mails, kein persönliches Hochfahren, sondern einfach nur rein in den Code. Kein Austausch mit Kollegen, keine Schwätzchen, keine Menschlichkeit. Das wirkt sich auch auf die Persönlichkeit und darauf aus, wie Kollegen einen wahrnehmen. Wenn man also plötzlich auf der Arbeit keine Freunde mehr hat und nicht locker ist, dann ist das ein sicheres Zeichen für den falschen Kurs und eine starke Schieflage.
  • Code ballern, also ohne Planung und Abstand in einen Try-Error-Modus fallen.
  • Immer unter Strom und sehr angespannt produziert man stundenlang und am Stück immer neuen Code. Dabei räumt man nicht mehr auf, sondern läuft nur noch dem Ziel des Fertigwerdens hinterher. Kein Refactoring, kein In-sich-gehen und keine Reflexion. So entsteht schlechter Code: Legacy-Code, der auch nur einen ganz kleinen Blickwinkel abdeckt und mögliche Eventualitäten nicht mehr beachtet. Also viel Code mit wenig Struktur und für Fehler anfälligen Funktionen.
  • Lieber alleine coden und am besten keine zweite Meinung zu seinem Code wollen. Das Ergebnis ist einem einfach peinlich.
  • "Jetzt nicht, vielleicht später ...": Wenn man so in seinem eigenen Tunnel und der eigenen Welt gefangen ist, geht man diesen Weg leider allein und einsam. Alle angebotene Hilfe wird abgelehnt – oder der Gegenüber auf später "vertröstet". Dadurch entfernt man sich immer mehr vom rettenden Ufer. Da draußen kann einem sprichwörtlich keiner mehr helfen. Hier sind auch die Kollegen und Vorgesetzten gefragt: Wenn sich einer da draußen in einem Projekt verheizt, dann sollten sie helfen, selbst wenn er die Hilfe zurückweist.
  • Trinken und Essen: Wenn man unter hohem Druck arbeitet, blendet man alles aus, auch menschliche Bedürfnisse. Elon Musk zum Beispiel, der Macher hinter Tesla und ein echtes Arbeitstier, hätte gerne auf Hunger und Essen verzichtet, damit er mehr Zeit für Arbeit gehabt hätte. Das kann allerdings längst nicht jeder. Somit ist es wichtig, seinen Körper und seinen Geist fit zu halten. Das ist insbesondere für Programmierer elementar. Um ausreichend Wasser zu trinken und besser auf der Arbeit zu funktionieren, kann man sich einen Reminder einrichten. Es gilt, auf die Signale des Körpers zu achten. Sonst setzt man in einem schleichenden Prozess die Gesundheit aufs Spiel.

Häufig erstellen Programmierer alleine und mit leisem oder lautem Fluchen irgendwas, das ein ganz bestimmtes Ergebnis verfolgt. Wie der Weg dorthin verläuft und wie lange er dauert, wird dabei nicht weiter beachtet. Hauptsache, es läuft. Das führt zu einem großen Ärgernis und nagt am Selbstbewusstsein. Man hat Angst, den Anschluss zu verpassen, weil man scheinbar einfache Dinge nicht mehr hinbekommt. Insgesamt bringt das leider niemanden weiter.

Hier dürfen sich gerne die Entwickler angesprochen fühlen, die sich nicht auf Community-Events rumtreiben und sich überwiegend in Soloprojekte einbringen. Entwickler sollten sich gegenseitig schützen, helfen und gerade in Fällen (zu) hohen Arbeitsaufkommens zusammenstehen. Wichtig ist es, die Probleme offen anzusprechen.

Gute Arbeitgeber sehen hier eine Chance, sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Software zu verbessern. Transparenz ist eben wichtig. Entwickler wollen ja gute Arbeit leisten, und dafür brauchen sie gute Arbeitsbedingungen, gute Arbeitgeber und gute Laune. Sie sollten sich demnach nicht in seelischen oder technischen Problemen vergraben.

Die hier besprochenen Probleme betreffen nicht nur die IT. Aber weil nach außen mimmer wieder nur neue Rekorde kommuniziert werden und gesagt wird, wie viel Geld denn verdient wird und dass es der Branche durch die gute Auftragslage so gut geht, werden die Probleme oftmals als Luxusprobleme bezeichnet.

Tatsächlich sind viele Arbeitnehmer in Deutschland betroffen, und zwar quer durch alle Branchen. Beispielsweise ergab eine Umfrage der pronova BKK aus dem Jahr 2018, dass sich jeder zweite Bundesbürger von Burn-out bedroht fühle. Die Leute sind unter anderem ständig erschöpft und ausgebrannt. Schlimmstenfalls können die Folgen über Monate und Jahre anhalten und krankheitsbedingte Ausfälle nach sich ziehen. Und irgendwann geht es recht schnell um Berufsunfähigkeit und damit um Existenzen.

Und in der IT nimmt der Druck weiter zu. Es gibt zunehmend mehr Aufträge, größere Anforderungen und dafür zu wenig Nachwuchs. Dadurch stehen ITler mit dem Rücken zur Wand, bedroht von Deadlines. Wenn agile Methoden wie Scrum falsch angewendet werden, passiert das dann alle zwei Wochen. Dswegen ist es ratsam, sich mit den Themen "seelische Gesundheit", "Burn-out" und "nachhaltige Arbeitsbedingungen" zu befassen.

Stress zieht sich durch – man arbeitet zu lange und zu verbissen. Die Körperhaltung ist nicht mehr natürlich und angespannt. Kein Lächeln, keine Wahrnehmung mehr außerhalb des "Tunnels". Man trinkt zu wenig, der Kopf läuft heiß, und es wird zunehmend anstrengender. Das dürfte den meisten sowieso bekannt sein. Wenn man zum Beispiel die PlayStation hochfährt, kommt ein Warnhinweis, man möge nach 45 Minuten Spielzeit eine Pause von 15 Minuten einlegen. Warum sollte das bei kreativer Arbeit am Bildschirm anders sein?

Außerdem sollte man sich zwischendurch auch mal bewegen. Steharbeitstische sind zwar ein großer Fortschritt, aber es ist unabdingbar, auch mal draußen an der frischen Luft zu sein. Das vor allem offline – einige Stunden am Tag ohne Handy unterwegs zu sein, tut gar nicht weh. Man verpasst nichts, und es entspannt den Kopf. Spaziergänge in der Mittagspause sind empfehlenswert. Gleiches gilt für den Abend. Eine halbe Stunde spazieren zu gehen wirkt Wunder.