Warum sich Entwickler mit Wearables beschäftigen sollten

Spätestens seit dem Erscheinen der Apple Watch sind Smartwatches und andere Wearables in aller Munde. Dieser Artikel geht der Frage nach, ob es Alternativen zum Apple-Produkt gibt und wie Entwickler von vom Trend profitieren können?

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Von
  • Tam Hanna
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Spätestens seit dem Erscheinen der Apple Watch sind Smartwatches und andere Wearables in aller Munde. Dieser Artikel geht der Frage nach, ob es Alternativen zum Apple-Produkt gibt und wie Entwickler von vom Trend profitieren können?

Wearables sind nichts Neues. Sowohl Casio als auch Timex fuhren in den 80ern mit ihren um das Armband tragbaren Taschenrechnern Achtungserfolge ein. Die Nachfolger des von HP mit dem 1977 erschienenen Mini-Taschenrechners begründeten Genres galten einige Zeit als absolutes Modeaccessoire. Firmen wie Nelsonic lieferten diverse Spiele in diesem Format aus. PDAs erstickten die Weiterentwicklung im Keim.

Wearables erlebten um 2003 herum eine zweite Hochblüte, die aufgrund des Fehlens einiger Schlüsseltechniken wieder im Nichts versank. Die von Fossil vorgestellte WristPDA-Smartwatch wurde 2003 vorgestellt und bis 2005 vertrieben: Aufgrund fehlender Verkäufe verramschte der Hersteller das Gerät schließlich für etwa 70 Dollar pro Stück.

HP bot 1977 einen Taschenrechner fürs Armband an.

(Bild: Ebay)

Microsofts Smart Personal Object Technology (SPOT) erging es nur wenig besser. Ein in rund 100 US-amerikanischen Städten verfügbares Funksystem auf FM-Basis versorgte Geräte mit Informationen über Wetter, Aktienkurse und eingehende E-Mails. Melitta integrierte das System gar in eine Kaffeemaschine. Microsoft schaltete den Dienst 2012 ab – WLAN und andere Techniken waren so weit verbreitet, dass der Funkdienst nicht mehr sinnvoll war.

Der WristPDA hielt im Großen und Ganzen, was er versprach. Leider blieb ihm ein Stammplatz am Arm aus mehreren Gründen verwehrt. Erstens war die Akkulaufzeit mit rund einem Tag für den praktischen Einsatz zu kurz. Zweitens war das zugrunde liegende Palm OS trotz aller Effizienz nur leidlich als Betriebssystem für Uhren geeignet: Der monochrome Bildschirm war zu klein und schlecht ablesbar. Zu guter Letzt erwies sich die manuelle Synchronisierung – Stichwort Kabel anstecken, Hotsync starten – als "Zeitkiller erster Güte".

Der aufklappbare Stift ist bei an den WristPDA nicht angepassten Applikationen Pflicht.

Im Laufe der letzten Jahre haben technische Weiterentwicklungen die Situation verbessert. Organische Bildschirme oder die von Pebble verwendete E-Paper-Technik erlauben die Realisierung von Uhren, die die gerade aktuelle Zeit ohne großen Energieverbrauch am Bildschirm halten. Das ist für die Nutzer insofern wichtig, als sie die Uhrzeit so ohne vorheriges Einschalten ablesen können. Nokia versah einige seiner Symbian-Smartphones mit einer ähnlichen Funktion:

Nokia nutzte den organischen Bildschirm des E7, um die Uhrzeit permanent anzuzeigen.

Wer den Begriff Smartwatch hört, denkt an Geräte mit Display, starkem Prozessor und Touchscreen. Die Vorstellung trügt: Fitnesstracker sind in Zeiten sesshaften Lebensstils auf dem Vormarsch, da Diabetes, Herzschwäche und andere Ärgernisse überhand nehmen. Hersteller reagieren darauf mit dem Anbieten von Armbändern, die die Herzfrequenz und das Laufverhalten der Benutzer analysieren. Samsung stattet seinen Tracker mit einem Display aus, während die meisten anderen Hersteller auf diesen "Luxus" verzichten.

Aus Entwicklersicht sind klassische Tracker nur wenig attraktiv. Ist die Hardware nicht zur App-Ausführung zu blöd, blockieren die Hersteller die Ausführung von Apps aus Stabilitäts- oder Zuverlässigkeitsgründen. Gesammelte Daten werden normalerweise ebenfalls nicht freigegeben, um den Kunden so ans Unternehmen zu binden. An Reverse Engineering interessierte Personen können das durch Knacken der Protokolle ausnutzen. Eine Adapter-App, die die Daten frei zur Verfügung stellt, kann bei ausreichender Verbreitung der "verwundbaren" Hardware nette Umsätze erzielen – bis der Hersteller klagt oder das Protokoll ändert.

Microsoft und Misfit stellen in diesem Bereich löbliche Ausnahmen dar. Die Produkte beider Unternehmen arbeiten mit allen relevanten Smartphone-Plattformen zusammen. Für die Misfit ist ein SDK verfügbar, das die Auswertung der Daten erlaubt. Der vergleichsweise primitive Aufbau der Geräte schränkt die Möglichkeiten von Programmierern ein.

Der in der Abbildung gezeigte Flash hat nur eine Gruppe von Leuchtdioden auf der Oberseite.

Daraus folgt, dass die Mittel zum Erstellen interaktiver Applikationen arg eingeschränkt sind. Misfit begegnet dem Problem durch das Anbieten einer REST-basierten API. Die mit dem Smartphone verbundenen Aktivitätstracker laden die gesammelten Informationen auf einen Server des Anbieters, wo sie auf den Abruf durch Applikationen warten. Apps nehmen per HTTP Kontakt mit dem Server auf, wo sie – nach erfolgreicher Anmeldung per OAuth 2.0 – bis zu 150 Anfragen pro Stunde absetzen dürfen.

Zudem implementiert Misfit einen Push-Mechanismus, der Apps über das Auftreten interessanter Ereignisse informiert. Tritt ein Event auf, wird ein HTTP-Request an einen von Entwicklern bereitzustellenden Service abgesetzt. Das geschieht über die sogenannte Subscription API.

Mehr Infos

Et tu, malus?

Dieser Artikel befasst sich nur mit Apple-Alternativen. Wer mehr zur Entwicklung für App Watch erfahren möchte, dem sei ein besonderer Artikel auf heise Developer empfohlen.

Die Microsoft Band ist ein Hybrid zwischen Fitness-Tracker und Smartwatch: Das vergleichsweise große Display ist zwar kleiner als das einer echten Smartwatch; von der Interaktivität her ist das Gerät dem Flash trotzdem meilenweit überlegen.

Entwickler interagieren mit Band durch das Hochladen von Tiles. Es handelt sich dabei um bildschirmfüllende "Dialoge", die Informationen präsentieren und Eingaben entgegennehmen: Klassische Spiele im Stil von Arkanoid und Co. lassen sich so nicht realisieren.

Wenn ein Applikation mit dem Ausliefern von im Web vorgehaltenen Informationen auskommt, bietet sich die Nutzung des WebTile-Services an. Das offensichtlich von Nokias Web-App-Generator inspirierte Tool nimmt einen RSS-Feed entgegen, dessen Daten daraufhin für die Smartwatch aufbereitet werden. Neben dem Anzeigen von Blog-Inhalten empfiehlt Microsoft die Nutzung des Features für die Realisierung einfacher Informationsanwendungen wie dem folgenden Wetteranzeiger.

Wetteranzeiger für Microsoft Band

(Bild: http://developer.microsoftband.com/Content/docs/Microsoft%20Band%20Web%20Tile%20Preview%20Documentation.pdf)

Die Interaktivität ist dabei auf das Wechseln zwischen im an den Server gesendeten File enthaltenen Inhalten beschränkt. Microsoft bietet sechs verschiedene Vorlagen an, die auf der Uhr – ganz analog zu WebClippings am Palm Vii – mit den heruntergeladenen Informationen bevölkert werden.

Fortgeschrittene Applikationen lassen sich über das vollwertige SDK realisieren, das für Android, iOS und Windows Phone angeboten wird. Unter Android ist dabei API Level 17 erforderlich, während iOS nur auf realer Hardware ab OS 7.0 unterstützt wird (Emulatornutzung nicht erlaubt). Neben dem Ausliefern von Pages erlaubt die API auch das Entgegennehmen von Sensordaten: sie können so Accelerometer- und Pulsinformationen einsammeln, um sie am per Bluetooth verbundenen Telefon weiterzuverarbeiten.

Zu guter Letzt gibt es noch eine API, mit der Applikationen auf die in Microsoft Health enthaltenen Daten zurückgreifen können – sie orientiert sich im Großen und Ganzen am im vorigen Abschnitt angerissenen Konzept von Misfit.