Abmahnung im Onlinehandel: Hier lauern die Fallen

Abmahnungen gehören nach wie vor zum Alltag von Online-Händlern. Auch wenn Massenabmahner kaum noch auftreten, ist das Risiko einer Abmahnung noch immer sehr hoch.

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Von
  • Marzena Sicking

Rechtsanwalt Max-Lion Keller über die aktuelle Abmahnsituation im IT-Handel.

Laut der aktuellen Studie "Abmahnungen im Online-Handel" von Trusted Shops ist die Zahl der Abmahnungen im Online-Handel rückläufig. Hat sich die Lage im Online-Handel diesbezüglich tatsächlich entspannt?

Keller: Die Lage hat sich nicht unbedingt entspannt, aber in den letzten Jahren doch sehr verändert. Zunächst einmal ist die Zahl der reinen "Abmahn-Juristen", die sich selbst durch Massenabmahnungen finanzieren, mittlerweile rückläufig. Dafür traktieren zunehmend die verschiedenen Verbraucherschutz- und Wettbewerbsverbände die Unternehmer mit Abmahnungen aller Art. Allerdings lässt sich auch beobachten, dass Onlinehändler verstärkt auf Prävention setzen und sich vor Abmahnungen schützen, indem sie sich laufend juristisch beraten lassen.

Max-Lion Keller ist Rechtsanwalt und Partner der IT-Recht Kanzlei München. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehört u.a. die Beratung von Unternehmen beim Aufbau von rechtssicheren Online-Auftritten und Online-Shops, sowie juristisches Risiko- und Vertragsmanagement. Max-Lion Keller ist außerdem Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für mehr Fairness im Internet e.V. – Fair-E-Com und Autor des "Lexikon für das IT-Recht 2009"

Immerhin tritt das Phänomen der Massenabmahner im Online-Handel nicht mehr so häufig auf. Woran liegt das? Machen die Händler weniger Fehler oder hat der Gesetzgeber dem "Geschäftsmodell“ Massenabmahnung einen Riegel vorgeschoben?

Keller: Von Seiten des Gesetzgebers hat sich da – leider – nichts geändert. Aber dass die Onlinehändler sich immer öfter präventiv von Juristen betreuen lassen, scheint sich langsam bezahlt zu machen. Ein gut beratener Unternehmer kann im Falle einer grundlosen Abmahnung sofort mit einer sogenannten negativen Feststellungsklage kontern; in diesem Falle geht der Abmahner nicht nur leer aus, sondern muss teils immense Prozesskosten beider Parteien selbst tragen. Von daher müssen die Abmahnsportler sich inzwischen gut überlegen, wen sie aus welchem Grund abmahnen – eine "schiefgegangene" Abmahnung kostet sie schließlich selbst Geld. Abmahnwellen ins Blaue hinein, wie man sie von früher noch kennt, sind inzwischen nicht mehr lukrativ.

Dennoch erhalten Online-Händler laut Statistik mindestens eine Abmahnung pro Jahr. Wo lauern die Fallen?

Keller: Fallen lauern immer dort, wo die Rechtslage sich ändert. Wer sich nicht ständig auf dem Laufenden hält, kann leicht einmal übersehen, wie sich eine neue Falltür öffnet – die Abmahnsportler beobachten aber genauestens die Rechtslage und suchen im Internet gezielt nach Onlinehändlern, die ihre Webpräsenzen einer neuen Lage noch nicht angepasst haben.

Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Fehler, die gemacht werden?

Keller: Da gibt es grundsätzlich zwei Todsünden. Die erste ist schlechte Vorbereitung: Wer mit seinem Shop online geht, braucht ein solides Grundrepertoire an Rechtstexten und auch eine sehr genaue Vorstellung davon, wo für ihn juristische Gefahren lauern können. Wer einfach mal so online geht und schaut was passiert, wird in kürzester Zeit sein Büro mit Abmahnungen tapezieren können. Die zweite Todsünde ist Nachlässigkeit bei der juristischen Pflege des Shops: Wer die eben aufgezeigten Gefahren, die aus den ständigen Veränderungen der Rechtslage resultieren, nicht ernst nimmt und sich vor ihnen schützt, wird ebenfalls schon bald recht unfreundliche Post erhalten. Gerade die laufende juristische Absicherung ist inzwischen eine der echten Herausforderungen im Onlinehandel, da hierzu neben einem soliden juristischen Hintergrundwissen auch sehr viel Arbeit erforderlich ist.

Haben sich die Abmahngründe in den letzten Jahren verändert oder sind es immer die gleichen Themen?

Keller: Da die meisten Abmahnungen auf geänderten Rechtslagen basieren, ändern sich auch die Themen immer wieder. Häufig ist es so, dass eine große Abmahnwelle heranrollt und dann ebenso schnell wieder verebbt - der Fehler, nach dem die Abmahner suchen, spricht sich herum und wird von den Händlern behoben, die Abmahner haben dann keine Angriffsfläche mehr. Daneben gibt es aber auch mehr oder weniger langlebige Dauerbrenner. Früher gab es da die "Anfahrtsplan-Abmahnung“, bei der Urheberrechtsverletzungen durch gescannte bzw. kopierte Stadtplanausschnitte abgemahnt wurden. Nach wie vor ein Thema sind aber die verschiedenen Rechtstexte, die die Händler online vorhalten müssen: Impressum, Widerrufs- bzw. Rückgabebelehrung und Allgemeine Geschäftsbedingungen. Gerade AGBs sind oftmals schwierig zu formulieren, da sie möglichst individuell auf den einzelnen Shop und sein Geschäftsmodell zugeschnitten sein sollten. Und weil diese Texte für jedermann einsehbar sein müssen, ist es natürlich auch für die Abmahner ein Leichtes, sie nach Fehlern zu durchsuchen. (masi)