Arbeitgeber muss Alkoholkonsum nicht unterbinden

Wer sich betrunken ans Steuer setzt, riskiert nicht nur sein Leben, sondern auch die finanzielle Versorgung der Familie. Ob der Arbeitgeber eine moralische Mitschuld trägt, spielt keine Rolle.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Wie bitter muss das für die Familie sein: Ein 30-jähriger Vater von zwei Kindern verunglückte auf dem Heimweg tödlich. Seine Familie hat aber nicht nur einen geliebten Menschen verloren, sondern auch die finanzielle Sicherheit, denn die Berufsgenossenschaft weigert sich, die Unfallrente auszuzahlen. Diese steht Arbeitnehmern bzw. den Hinterbliebenen prinzipiell zu, denn auf dem Weg zur Arbeit und wieder zurück sind die Mitarbeiter gesetzlich unfallversichert.

Doch dieser Versicherungsschutz entfällt, wenn der Versicherte absolut fahruntüchtig ist. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitgeber den Alkoholkonsum während der Arbeit nicht verhindert hat. So lautet ein aktuelles Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (18. Juli 2011, Az.: L 9 U 154/09).

Im besagtem Fall hatte man den Mann 1,5 Stunden nach dem Ende seiner Spätschicht in seinem Fahrzeug tot im Straßengraben gefunden. Eine Blutprobe ergab eine Alkoholkonzentration von 2,2 Promille. Der Mann war also absolut fahruntüchtig gewesen und hatte sich dennoch ans Steuer gesetzt.

Die Berufsgenossenschaft lehnte daraufhin eine Entschädigung der Hinterbliebenen mit der Begründung ab, dass die absolute Fahruntüchtigkeit (liegt laut Gesetzgeber bereits ab 1,1 Promille vor) die alleinige Unfallursache gewesen sei. Anhaltspunkte für andere Ursachen – wie z.B. Fahrzeugmängel, schlechte Straßenverhältnisse, Verschulden Dritter oder Wildwechsel – hätte es nicht gegeben. In so einem Fall verliere der betrunkene Fahrer aber seinen Versicherungsschutz, weil der Unfall ja selbstverschuldet sei.

Die Witwe des Verstorbenen wollte das so aber nicht stehen lassen, zumal es aus Ihrer Sicht vor allem der Arbeitgeber war, der die Hauptverantwortung für das Unglück trage. Sie führte vor Gericht aus, dass in dem Betrieb der Alkoholkonsum während der Arbeit üblich war und vom Arbeitgeber mehr als nur toleriert werde. So hätten Vorgesetzte nicht nur mitgetrunken, sondern auch selbst Alkohol mit in die Firma gebracht. Musste trinken, wer dazugehören wollte? Die Frau des Verunglückten sah jedenfalls die Schuld beim Arbeitgeber, dieser habe mindestens seine Fürsorgepflicht verletzt, weil er den Mitarbeiter nicht vom Alkoholkonsum abgehalten habe.

Dieser Ausführung folgten die Richter allerdings nicht, sondern wiesen die Klage der Witwe ab. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers wollten sie nicht erkennen und selbst wenn eine solche vorgelegen hätte, hätte das den Unfallversicherungsschutz nicht erhalten. Denn Alkoholmissbrauch stelle eine eigenverantwortliche Schädigung dar, so hieß es in der Urteilsbegründung. Unterlasse es der Arbeitgeber, diesen Missbrauch während der Arbeitszeit zu unterbinden, führe dies allenfalls zu einer untergeordneten Mitverursachung. Wenn er Mitschuld trage, dann also nur in einem geringen Maße. Mit anderen Worten: Erwachsene Menschen müssen auch selbstverantwortlich handeln.

Eine maßgebliche Verletzung der Fürsorgepflicht hätte nur vorgelegen, wenn der Arbeitgeber den Alkoholkonsum am Arbeitsplatz geduldet und keinerlei Schutzvorkehrungen gegen das anschließende Benutzen eines Pkw im verkehrsuntüchtigen Zustand getroffen hätte. Mit dem erteilten Alkoholverbot, einer entsprechenden Betriebsvereinbarung und dem Bereitstellen alkoholfreier Getränke habe der Arbeitgeber des Verstorbenen jedoch die gebotenen Schutzmaßnahmen ergriffen. Zumindest in der Theorie. Dass das Trinken tatsächlich geduldet und gefördert wurde und dem Arbeitgeber bekannt war, dass sich der Mann betrunken ans Steuer setzen konnte, konnte aber nicht bewiesen werden. Eine Revision wurde nicht zugelassen. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)