Ausgleichende (Un-)Gerechtigkeit

Seite 5: Elektronik und Heizöl

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Elektronik und Heizöl

Anders als verderbliche Waren oder Verbrauchsgüter des täglichen Lebens sind Computer und Computerbauteile grundsätzlich – auch wenn sie zuvor in Gebrauch genommen wurden – zur Rücksendung geeignet. Das lässt sich jedenfalls einem Urteil des OLG Dresden aus dem Jahr 2001 entnehmen [8].

Die Entscheidung des Dresdner Gerichts orientiert sich an dem damals noch geltenden Fernabsatzgesetz (FernAG), dessen Inhalte inzwischen ins Bürgerliche Gesetzbuch eingearbeitet worden sind. Die Regelung, wonach das Widerrufsrecht eines Verbrauchers ausgeschlossen ist, wenn die Ware sich aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung eignet, gilt aber damals wie heute gleichermaßen, sodass die Entscheidung nach wie vor relevant ist.

Das Dresdner Urteil betrifft die Unwirksamkeit einer Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Computerhändlers, die das Widerrufsrecht für bestimmte Artikel ausschließt: "Ausgeschlossen ist der Widerruf bezogen auf Waren, die naturgemäß für die Rückgabe ungeeignet sind. Dies gilt für RAM-Bausteine, Motherboards und Speichermedien …"

Die Richter erklärten diese Klausel für unwirksam, weil die darin benannten Bauteile entgegen dem, was die AGB behaupten, sehr wohl für eine Rücksendung geeignet seien: "Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers (besteht) nicht bei Fernabsatzverträgen betreffend Waren, die auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind. Rechtsprechung zu dieser Regelung gibt es bislang nicht. Auch die Literatur ist in Bezug auf diesen Begriff bislang wenig ergiebig. Zum Teil wird darauf abgestellt, ob der Verbraucher nach der Rücksendung noch von der Leistung weiter profitieren könne, die Rücksendung also rückstandsfrei möglich sei. Dies sei etwa dann ausgeschlossen, wenn unter Verletzung des Urheberrechts vor Rücksendung eine Kopie hergestellt werden könne."

Eine Auslegung der Bestimmung, so das Gericht weiter, ergebe aber, "dass RAM-Bausteine, Motherboards und Speichermedien nicht unter diese Regelung fallen". Es sei nicht ersichtlich, "warum die Rücksendung der genannten Gegenstände ihrer Art nach nicht möglich sein sollte. Durch den Versand selbst werden sie nicht unbrauchbar. Vielmehr kann man sie unendlich oft hin und her schicken, ohne dass sie – außer durch bloßen Zeitablauf – an Wert verlieren oder unbrauchbar werden."

Der zugrunde gelegte § 3 Abs. 2 FernAG, der dem heutigen § 312d Abs. 4 BGB entspricht, behandle "Fälle, in denen die Ware nach Benutzung oder ansonsten wertlos geworden und deshalb ein Widerrufsrecht für den Unternehmer nicht zumutbar ist. Als Beispielsfall wird der Heizölkauf genannt … Die hier fraglichen Waren sind mit Heizöl nicht vergleichbar."

Aufschlussreicher als der Hinweis auf die mangelnde Vergleichbarkeit von Computerbauteilen und Heizöl ist dann allerdings die weitere Urteilsbegründung, in der das Gericht sich mit der rechtlichen Erfassung des Wertverlusts auseinandersetzt, den die Bauteile infolge ihrer Benutzung erleiden können: "Es mag sein, dass die genannten Produkte nach bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme durch den Verbraucher faktisch wertlos sind."

Das beruhe jedoch "nicht auf einer Abnutzung …, sondern darauf, dass zurückgegebene Computerbauteile wegen der Gefahr der Verseuchung mit Viren und ähnlichem nicht oder nur sehr schwer verkäuflich sind. Dieses Risiko eines erheblichen Wertverzehrs allein infolge der vom Markt gesehenen abstrakten Gefahr, dass der zurücksendende Verbraucher den Gegenstand benutzt hat, ist jedoch kein spezifisches Risiko, das ausschließlich im Fernabsatzhandel mit Computerbauteilen besteht."

Vielmehr werde, so das Gericht, "auch bei vielen anderen Waren ein Käufer auch bei äußerlicher Neuwertigkeit nicht mehr bereit sein, den Neupreis zu bezahlen, wenn er weiß, dass der Gegenstand möglicherweise von einem anderen vorher bereits in Benutzung genommen worden ist, in erster Linie wohl wegen der potenziellen Gefahr einer nicht sofort erkennbaren Beschädigung. Dieses allgemein für den Unternehmer im Falle des Widerrufs bestehende Risiko kann jedoch nicht zur Anwendung der Ausnahmeregelung … führen."