Datumsgrenzen - Datenschutzrecht im Wandel

Seite 3: Adressenhändler im Minenfeld

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Adressenhändler im Minenfeld

Besonderes Augenmerk gilt derzeit dem Adressenhandel. Was zulässig und was unzulässig ist, kann man kaum einschätzen. Der Handel mit Adressdaten findet in einem juristischen Minenfeld statt. Häufig ist er illegal. Andererseits verspricht er attraktive Gewinne, was das seltsam anmutende Beispiel der Stadt Dresden zeigt, die für das Haushaltsjahr 2007/2008 mit Einnahmen von 375 000 Euro aus "Datenverkauf" rechnet. Gute Datensätze bringen viel Geld ein, denn damit lassen sich treffsichere Werbekampagnen führen.

Wer seine Werbeadressaten gezielt auswählen kann, verliert weder Zeit noch Geld mit der Bewerbung von wenig Erfolg versprechenden Zielgruppen. Heftige Lobbyarbeit hat deswegen auch der Plan der Bundesregierung ausgelöst, den Adresshandel künftig vom Vorliegen einer Einwilligung jedes Betroffenen abhängig zu machen. Der "Deutsche Direktmarketing Verband" (DDV) ist – wenig überraschend – der Auffassung, die bisherige Regelung, den Adresshandel nur bei aktivem Widerspruch des Betroffenen einzustellen, sei völlig ausreichend.

Nur eines steht derzeit fest: Es besteht Handlungs- und Harmonisierungsbedarf. Wenn ein Webseitenanbieter eine ausdrückliche Einwilligung eines Nutzers zum Erhalt von Werbung einholen muss (Opt-in-Verfahren), warum soll dann in der Offline-Welt das Gegenteil, also das Opt-out-Verfahren gelten? So weit wie ursprünglich von Bundeswirtschaftsminister Glos vorgeschlagen, wird der Gesetzgeber vermutlich nicht gehen. Glos wollte Adressdatenhandel komplett untersagen.

Vielleicht wird es aber zur "Kennzeichenpflicht für Daten für Werbezwecke" kommen. Dann würden die Betroffenen zumindest schon bei der Datenerhebung darauf hingewiesen, was mit ihren Daten noch geschehen könnte. Wenn sie an gleicher Stelle der Werbenutzung widersprechen können, wäre schon viel erreicht. Noch gilt aber die Regelung des § 28 Absatz 3 Nummer 3 BDSG. Danach ist eine Nutzung oder Übermittlung bestimmter Daten für Zwecke der Werbung auch dann gestattet, wenn sie nicht vom ursprünglichen Zweck der Datenerhebung gedeckt ist und "kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung oder Nutzung hat".

Dass der Datennutzer in nahezu keinem Fall, in dem nicht ausdrücklich ein Widerspruch des Betroffenen vorliegt, ein solch schutzwürdiges Interesse annimmt, versteht sich von selbst. Auf diese Weise dürfen folgende Informationen genutzt werden: eine Angabe über die Zugehörigkeit des Betroffenen zu einer Personengruppe, Berufs-, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung, Namen, Titel, akademische Grade, Anschrift und Geburtsjahr. Die Zugehörigkeit zu einer Personengruppe macht das Ganze für individualisierte Werbung interessant. Diese gesetzliche Regelung ist eine Ausnahmevorschrift, denn an sich gilt im Datenschutzrecht ja der Grundsatz der Zweckbindung. Wenn jemand per Internet eine Bestellung aufgibt, dürfen seine Daten nach diesem Grundsatz nur für den Zweck der Ausführung dieses Geschäfts genutzt werden. Die genannte Ausnahmevorschrift gestattet aber systemwidrig die Nutzung für "andere Zwecke", beispielsweise für Postwurfsendungen. Für "elektronische Post" gilt die Regel aber nicht. Dafür bedarf es dann doch einer ausdrücklichen Einwilligung nach dem Opt-In-Verfahren, wie das kürzlich ergangene BGH-Urteil im Verfahren gegen Payback gezeigt hat.

Automatisierte Wertschätzung

Als seien Datenschützer noch nicht mit einer ausreichenden Zahl brisanter Themen konfrontiert, will Bundesinnenminister Schäuble ein "Scoring-Gesetz" verabschieden lassen, das die Rechte und Pflichten von Wirtschaftsauskunfteien insbesondere beim Kredit-Scoring regeln soll. Kunden sollen nach dem Gesetzesentwurf das Recht auf Auskunft darüber bekommen, mithilfe welcher Daten eine bestimmte Bonitätseinstufung erfolgt ist. Das soll ihnen die Möglichkeit einräumen, Fehler beseitigen zu lassen und Missverständnisse aufzuklären. "Das Gesetz schafft eine angemessene Balance im Interesse der Verbraucher und der Wirtschaft", so Schäuble.

Aber auch Kritik wird laut. Annette Karstedt-Meierrieks, beim DIHK für Datenschutz zuständig, meint: "Zwar erfährt man die Gründe, warum etwa eine Bank den Kreditvertrag ablehnt. Die Entscheidung beeinflusst das aber nicht". Andere wiederum warnen vor der Gefahr einer direkten Beeinflussung der Scoring-Kriterien. Wenn Betroffene wissen, welche Kriterien eine wichtige Rolle bei der Kreditvergabe spielen, könnten sie versuchen, diese durch geschicktes Verhalten zu beeinflussen. Mit einem Inkrafttreten ist nicht vor 2010 zu rechnen. Mit Änderungen am Gesetzesentwurf dagegen schon.

Fazit

Es tut sich zurzeit einiges im Datenschutzrecht. Das von Fachleuten vielfach bemängelte Vollzugsdefizit, also die mangelhafte Einhaltung, steht verstärkt im Visier der Datenschützer und des Gesetzgebers. Einerseits werden die Datenskandale der vergangenen Monate nicht ohne gesetzliche Konsequenzen bleiben. Andererseits schafft der Gesetzgeber aber auch neue Pflichten zum Sammeln von Daten. Genannt sei die Vorratsdatenspeicherung, in deren Rahmen sich der Staat Datensammlungen noch nicht einmal selbst anfertigt, sondern von privaten Unternehmen zusammentragen lässt. Dass er diese Pflicht nicht entschädigungslos einführen darf, ist derzeit Gegenstand von Gerichtsverfahren.

Unter dem Strich kommt dem Datenschutzrecht endlich die notwendige Aufmerksamkeit zu. In Detailfragen wie beim Adresshandel oder dem Umgang mit Wirtschaftsauskunfteien liegt aber noch einiges im Argen. In der vernetzten Welt kommt erschwerend hinzu, dass das Datenschutzrecht leider an den jeweiligen Landesgrenzen Halt macht. Zwar gibt es innerhalb der EU ein einheitliches Datenschutzniveau. Da sich das Internet aber nicht auf die EU beschränkt, ist eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene dringend erforderlich, soll sich der Datenschutz in absehbarer Zeit deutlich verbessern.