Die Angst vor der Verantwortung

Jung, ehrgeizig, verängstigt: Nachswuchstalente wollen möglichst schnell Karriere machen und sind dann plötzlich mit der Verantwortung überfordert. Wo die größten Fallen lauern, erfahren Sie hier.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Wenn junge Talente sich auf einer Führungsposition wiederfinden, freuen sie sich über das schöne Gehalt und die Chance, ihr Können mal so richtig unter Beweis zu stellen. Natürlich bringt er oder sie dafür eine hervorragende Ausbildung und einen noch besseren Abschluss mit. Doch Erfahrung oder Menschenkenntnis bzw. Empathie sind bei Ihnen in der Regel Mangelware. Sie als Chef finden das aber gar nicht so schlimm: der Sprung ins Kalte Wasser hat noch keinem geschadet, das "Milchgesicht" wird in der Praxis schon lernen, was Führung von Mitarbeitern eigentlich bedeutet. Das ist sicher richtig, doch allein lassen dürfen Sie die Nachwuchskräfte trotzdem nicht. Denn das kann fatale Folgen haben und zwar für die gesamte Abteilung.

Szenario 1: Die Kollegen-Mauer

Insbesondere, wenn junge Manager auf altgediente und vor allem ältere Mitarbeiter treffen, sollten Sie damit rechnen, dass es zu "atmosphärischen Störungen" zwischen diesen Parteien kommen kann. Schließlich schwebt die Frage im Raum: Wieso hat dieses Kleinkind eigentlich den Posten bekommen und nicht ich? Was hat er oder sie, was ich nicht habe? Besonders kritisch ist es, wenn sich ein ander Mitarbeiter um den Posten bemüht, ihn aber nicht erhalten hat und nun unter dem Neuling arbeiten soll. Schon ein Querschläger genügt, um erfolgreich Stimmung gegen den neuen Abteilungsleiter zu machen. Der junge Manager hat also nicht nur das Problem, dass er von sich überzeugen muss, sondern dass ihm unter Umständen sogar offene Ablehnung entgegen gebracht wird.

Insbesondere, wenn zwischen Führungskraft und Mitarbeitern ein großer Altersunterschied besteht, müssen Sie mit Altersdiskriminierung rechnen: der junge Manager wird nicht ernst genommen, die "alten Hasen" lassen ihn nach Kräften auflaufen. Eigentlich kein Wunder: Wer nimmt schon gerne Anweisungen von einer Nachwuchskraft entgegen, die erstens keine Erfahrung hat und zweitens so alt ist, wie das eigene Kind? Steuern Sie gegen und zwar noch bevor der Jungmanager an Bord ist. Sorgen Sie dafür, dass er nicht mit demjenigen arbeiten muss, der sein Wettbewerber um den Posten war. Auch wenn es Ihre Entscheidung war und bleibt: erklären Sie dem Team, warum Sie sich für diesen Manager entschieden haben und warum er trotz seines jungen Alters genau der richtige für diese Position ist. Machen Sie deutlich, dass Sie das junge Talent, aber auch die Mitarbeiter genau im Auge behalten werden. Sagen Sie, dass die erste Zeit sicher für alle Beteiligten nicht ganz einfach wird und man gegenseitige Nachsicht üben sollte. Und dass Sie jederzeit und für alle als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Denn der Chef sind immer noch Sie.

Szenario 2: Der Feigling

Durchsetzungsschwierigkeiten wird diese Nachwuchskraft sicher nicht haben. Denn sie dreht sich wie das Fähnchen im Wind und versucht es allen Recht zu machen. Allerdings tut sie das nicht nur, um sich bei den Mitarbeitern möglichst beliebt zu machen. Sie hat vor allem Angst, eine Entscheidung zu treffen und für diese gerade stehen zu müssen. Also fragt er oder sie die erfahrenen Mitarbeiter ständig um Rat und richtet sich nach deren Wünschen. Mit der Zeit findet so ein Rollentausch statt: Die Mitarbeiter übernehmen die Führung, die Führungskraft wagt alleine keinen Schritt mehr. Das ist sicher nicht das, was Sie sich vorgestellt haben.

Leider ist diese Entwicklung nicht auf Anhieb zu erkennen. Schließlich ist es ja erst einmal gar nicht so schlecht, wenn sich ein Jungmanager von den Erfahrenen beraten lässt. Nur sind die Grenzen eben fließend und einen Teamleiter, der sich vom Team leiten lässt, nimmt am Ende auch keiner mehr ernst. Deshalb: Behalten Sie das junge Talent, dass sich so gut mit den Mitarbeitern versteht, genau im Auge. Beruft er oder sie ständig lange Meetings an, sobald die kleinste Entscheidung ansteht, wissen Sie: die Nachwuchskraft sitzt ist der Angstfalle. Das Problem: Entscheidungskraft ist auch eine Charakterfrage, die entsprechende Schwäche lässt sich nicht mit einer Anweisung Ihrerseits abstellen. Wer durch die Angst einen Fehler zu machen, gelähmt wird, wird immer erst die Zustimmung anderer Mitarbeiter suchen und deshalb oft nach Stimmung und nicht nach Faktenlage entscheiden. Außerdem kommt die ganze Abteilung wegen der häufigen Meetings kaum noch zum Arbeiten. Schicken Sie den Betroffenen zu entsprechenden Seminaren und wenn das nicht hilft, dann packen Sie das Talent lieber auf einen gemütlichen Posten für profillose Befehlsempfänger.

Szenario 3. Der Besserwisser

Häufig unter Nachwuchstalenten anzutreffen ist auch der Besserwisser. Sein Selbstbewusstsein ist so riesig, dass Kritik oder Einwände von Mitarbeitern ihn grundsätzlich nicht erreichen. Das Gegenteil ist der Fall: Sobald einer der Mitarbeiter eine andere Sicht der Dinge hat, betrachtet der Jungmanager dies als persönlichen Angriff und reagiert auch so. Ratschläge, Erfahrungen und sogar handfeste Fakten interessieren diese Führungskraft nicht, wenn sie ihren Ansichten widersprechen. Er oder sie hat das Fach schließlich studiert und weiß deshalb erst einmal alles besser. Solche Typen müssen Sie möglichst schnell erkennen und ausbremsen. Denn die Stimmung in der Abteilung leidet garantiert unter diesem Größenwahn. Außerdem besteht die Gefahr, dass die erfahrenen Mitarbeiter in Zukunft wirklich lieber den Mund halten. Sie verschweigen dann vielleicht nicht nur ihre Bedenken, sondern behalten auch die guten Ideen lieber für sich. Oder tragen die sogar zur Konkurrenz, bei der sie sich vor lauter Frust irgendwann bewerben werden.

Den Besserwisser auf Spur zu bringen, ist aber relativ leicht. Denn er hat zwar wenig Respekt vor seinen Mitarbeitern, aber große Angst vor dem Chef. Ein ernsthaftes Vier-Augen-Gespräch dürfte die Luft aus dem aufgeblasenen Selbstbewusstsein schnell rauslassen. Hilfreich ist es zudem, deutlich zu zeigen, wie eng Sie mit den altgedienten Mitarbeitern in der betroffenen Abteilung verbunden sind. Sobald der Besserwisser das Gefühl hat, der eine oder andere dürfe mit Ihnen, dem Boss höchstpersönlich, auf Augenhöhe kommunzieren, wird er sich ebenfalls zusammenreißen und die Mitarbeiter mit mehr Respekt behandeln. (gs)
(masi)