Die wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen für den Direktvertrieb, Teil II

Rechtsanwalt Dr. Jan-Felix Isele über die Regeln des Wettbewerbsrechts im Direktvertrieb und unzulässige Werbeaussagen.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Der Direktvertrieb ist die wohl effizienteste Methode der Kundengewinnung und wird entsprechend häufig von Unternehmen eingesetzt. Hiergegen ist nichts einzuwenden. Aber nur, solange die wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Diese sind jedoch für den Unternehmer oft nicht leicht zu überblicken. Und zwar sowohl, was die wettbewerbsrechtlichen Anforderungen selbst anbelangt, als auch die mit einem gerichtlichen Verbot einhergehenden Konsequenzen. Rechtsanwalt Dr. Jan-Felix Isele beschäftigt sich seit mehr als 10 Jahren mit der Thematik und den dazugehörigen rechtlichen Fallstricken. In einer dreiteiligen Serie hat er für uns seine reichhaltigen Erfahrungen zusammengefasst.

Im zweiten Teil unserer Serie erhalten Sie einen Überblick über Werbeaussagen, die im Direktvertrieb unzulässig sind und wettbewerbsrechtliche Folgen nach sich ziehen können.

Täuschung über den Vertragspartner

Die eiserne Regel lautet: der Kunde muss wissen, mit wem er es zu tun hat und wessen Produkt er kauft. Als irreführend und damit unzulässig gilt somit laut § 5 UWG, wenn der Kunde über den Vertragspartner getäuscht wird, mit dem er ins Geschäft kommen soll. Auch verstößt ein derartiges Verhalten gegen Nr. 13 des Anhanges zu § 3 Abs. 3 UWG. Demnach ist es – vereinfacht gesagt – wettbewerbswidrig, wenn ein Unternehmen den Kunden nicht über die tatsächliche betriebliche Herkunft seines Produktes aufklärt bzw. ihn absichtlich darüber im Unklaren lässt.

Dr. Jan-Felix Isele, Jahrgang 1970, ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz. Er studierte von 1990 bis 1995 Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg. Nach Referendariat und zweitem Staatsexamen im Jahre 1997 war er von 1998 bis 1999 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Deutsches und Europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht an der Universität Heidelberg tätig, wo er im Jahre 2001 auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts und des Europarechts promovierte. Seit 1999 ist er als Rechtsanwalt in der Kanzlei Danckelmann und Kerst in Frankfurt am Main tätig, seit 2009 als Seniorpartner. Er befasst sich schwerpunktmäßig mit der Prozessvertretung, aber auch der Beratung im Wettbewerbs- und Markenrecht.

Gleiches gilt natürlich auch für Dienstleistungen: Absolut wettbewerbswidrig ist es beispielsweise, wenn sich ein Werber beim Vertrieb von Telefonverträgen als "Mitarbeiter der Telekom" (oder einer anderen Firma) ausgibt, obwohl er für ein ganz anderes Unternehmen tätig ist und den Namen nur als "Türöffner" benutzen will. An dem Verstoß ändert sich auch nichts, wenn der Werber sich später als Arbeitnehmer einer anderen Firma outet (und Nachfragen vielleicht mit einem "Missverständnis" quittiert). Denn als unzulässig betrachtet die Rechtsprechung bereits den Versuch, den Kunden mit einer irreführenden Bezugnahme anzulocken und ihn so dazu zu bringen, dass er sich überhaupt auf ein Gespräch mit dem Werber einlässt. Am Verstoß ändert wie gesagt die nachträgliche Aufklärung nichts. Ebenso irrelevant ist, ob dem Kunden dann nachträglich Werbe- oder Vertragsunterlagen ausgehändigt werden, die den wahren Vertragspartner erkennen lassen oder gar erst bei Unterzeichnung der (auf den ersten Blick "neutralen") Vertragsunterlagen ein weiteres Schriftstück vorgelegt wird, mit dem der Kunde durch seine Unterschrift dokumentieren soll, dass der Werber des anderen Unternehmens sich nicht als "Mitarbeiter der Telekom" (oder eines anderen Wettbewerbers) vorgestellt habe.

Firmen, die ihre Mitarbeiter bewusst mit solchen Tricks arbeiten lassen, hoffen, dass ein solches Schriftstück sie im Falle eines wettbewerbsrechtlichen Gerichtsverfahrens von dem Vorwurf reinwaschen wird, der Mitarbeiter habe sich zu Beginn des Kundengespräches falsch vorgestellt. Allerdings sei diesen Unternehmern gesagt, dass die Gerichte geneigt sind, trotzdem der Darstellung des Kunden zu glauben, vor allem, wenn dieser glaubhaft versichert, er habe angesichts der unzutreffenden Vorstellung des Werbers die entsprechenden Formulare oder Bestätigungen vor der Unterzeichnung nicht mehr eingehend geprüft.

Ob diese Täuschung nun mündlich oder schriftlich erfolgt, ist egal, sie ist in beiden Fällen verboten. So arbeiten einige Firmen mit dem Trick, Postwurfsendungen zu verschicken, bei denen sie den Eindruck erwecken, dass sie vom aktuellen Dienstleister stammen. Ruft der Kunde dann wie gewünscht zurück, hat er plötzlich einen Wettbewerber am Telefon. Dass sich dieser nun endlich zu erkennen gibt, nützt ihm allerdings wenig. Denn auch hier kommt es letzten Endes nicht darauf an, ob in dem anschließenden Telefonat deutlich wird, dass der Kunde doch nicht seinen "alten" Anbieter, sondern einen Mitbewerber angerufen hat, der nun seine Dienstleistungen an den Mann bringen will (LG Köln , Az.: 81 O 20/08). Dessen ungeachtet kann diese Aufforderung zum Rückruf aufgrund der provozierten Irreführung über den Gesprächspartner auch als "umgekehrte Telefonwerbung" im Sinne von § 7 UWG verboten sein.

Eine Täuschung liegt auch vor, wenn sich der Werber korrekt zu erkennen gibt, den Kunden aber über das Verhältnis zum (konkurrierenden) Anbieter täuscht. Aussagen, dass man "zusammengehöre", "zusammenarbeite" oder ähnliches sind ebenfalls wettbewerbsrechtlich zu beanstanden.

Täuschung über das Zustandekommen des Vertrages

Grob wettbewerbswidrig ist ferner, wenn über das Zustandekommen des Vertrages aktiv getäuscht wird. Darunter fällt etwa, wenn der Werber den Kunden im Rahmen der Haustürakquise aktiv darüber täuscht, dass er mit seiner Unterschrift tatsächlich einen Vertrag unterzeichnet und beispielsweise behauptet, die Unterschrift diene nur der Bestätigung der vorangegangenen Beratung. Oder ihm vorgemacht wird, er habe etwas gewonnen und müsse diesen Gewinn mit seiner Unterschrift nun bestätigen. Ob dem Unternehmen, zu dessen Gunsten der Werber tätig war, Entsprechendes verboten werden kann, hängt regelmäßig von dem Ergebnis der Beweisaufnahme in einem anschließenden Gerichtsverfahren ab. Stellt sich dort heraus, dass der Kunde bloß einem entsprechenden Missverständnis unterlegen ist, wird dies zur Klageabweisung führen.

Gelegentlich treten auch Fälle auf, in denen die Kunden erklären, einen Vertrag überhaupt nicht unterschrieben zu haben, aber dennoch entsprechende Auftragsbestätigungsschreiben von einem Anbieter erhalten haben. Trifft das zu, weil beispielsweise ein Werber selbst die Unterschrift unter einen Vertrag gesetzt hat, wird sich dies durch einen Unterschriftenvergleich nachweisen lassen, eventuell kann der Kunde auch Original-Durchschriften der Dokumente vorlegen, die im Gegensatz zu den vorgelegten Original-Unterlagen keine Unterschrift aufweisen. In diesen Fällen wird eine Klage, die etwa darauf gerichtet ist, dem beklagten Unternehmen untersagen zu lassen, an die betroffenen Kunden entsprechende Auftragsbestätigungen oder an die alten Telekommunikations- oder Stromanbieter entsprechende Kündigungsmitteilungen zu versenden, ohne weiteres Erfolg haben. Allerdings muss im Vorfeld feststehen, dass der Kunde mit seiner Unterschrift eben nicht nur täuschungsbedingt einen Vertrag abschloss.

Anders verhält es sich bei der reinen Telefonakquise. Die Verträge sollen hier durch eine mündliche Erklärung des angerufenen Kunden zustande kommen. Oft wird zu Dokumentationszwecken das Einverständnis des Kunden dabei mitgeschnitten. Allerdings umfassen die Mitschnitte nicht immer das gesamte Telefonat, sondern nur den Vertragsabschluss, aber nicht die vorhergehende Beratung. Ein solcher Vertrag ist aber ungültig, wenn der Kunde in dem (nicht aufgezeichneten) Vorgespräch darüber getäuscht wurde, dass er nachfolgend einen Vertrag abschließen soll. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ihm vorher erklärt wird, aufgrund des nachfolgenden Gespräches würde er nur Informationsmaterial erhalten oder gar, wenn der Kunde während der Tonbandaufzeichnung interveniert, man ihm aber erklärt, er müsse etwa "nur pro forma" seine Zustimmung erteilen, um eben das angekündigte Informationsmaterial auch wirklich zu erhalten (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.04.2007, Az: I-20 U 159/06). In diesen Fällen ist nämlich (auch) für den Anrufer klar erkennbar, dass der Kunde trotz des entgegenstehenden Wortlautes tatsächlich keine Willenserklärung abgeben will, die auf einen Vertragsschluss mit dem neuen Telefon- oder Stromanbieter gerichtet ist. Gelingt in einer anschließenden Gerichtsverhandlung der Nachweis, dass das Telefonat so verlaufen ist, wie soeben geschildert, hat also auch eine wegen fehlenden Auftrags erhobene Klage Erfolg (Kammergericht Berlin, Urteil vom 27.08.2010, Az: 5 U 187/08).

Dies gilt umso mehr, wenn der Tonbandmitschnitt vor Gericht gar nicht berücksichtigt werden darf. Das nämlich ist grundsätzlich der Fall, wenn er heimlich, also ohne Einwilligung des angerufenen Kunden, angefertigt worden ist. In diesen Fällen verstößt er nämlich gegen das verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1 GG des angerufenen Kunden. Dies zieht ein Beweisverwertungsverbot nach sich. Das wiederum führt dazu, dass der Inhalt des Mitschnittes nicht als Sachvortrag gewertet und die Tonbandaufzeichnung weder einem Zeugen vorgehalten noch selbst als Beweismittel berücksichtigt werden darf. Davon zu trennen ist allerdings der Fall, dass dem beklagten Unternehmen vorgeworfen wird, ein Werber habe am Telefon irreführende Behauptungen gemacht und den Kunden so dazu verleitet, (bewusst) einem Vertragsschluss zuzustimmen. Erfasst der Gesprächsmitschnitt in derartigen Fällen das gesamte Telefonat bzw. ergibt er eindeutig, dass der Vorwurf des Klägers falsch ist, also die behaupteten Äußerungen in dem gesamten (mitgeschnittenen) Telefonat nicht gefallen sind, kann zum Zwecke der Verteidigung ein solcher Mitschnitt auch dann verwertbar sein, selbst wenn er heimlich, also ohne Einverständnis des Kunden, angefertigt worden ist.

Sparaussagen

Allzu häufig wird beim Direktvertrieb auch mit "Sparaussagen" geworben. Da wird dem Kunden dann beispielsweise eine Ersparnis von x % im Vergleich zu seinem bisherigen Anbieter "garantiert". Oftmals kann eine derartige Garantie aber gar nicht abgegeben werden, beispielsweise bei Telefontarifen. Schließlich hängt die Höhe der Rechnung oft auch vom individuellen Verbrauchsverhalten des Kunden ab. Eine entsprechende Garantie darf also nur abgegeben werden, wenn feste Daten vorliegen bei denen sichergestellt ist, dass bei jedwedem Verbrauchsverhalten stets eine Ersparnis von x % eintritt. Anderenfalls wird der Kunde getäuscht, was als Irreführung gegen § 5 UWG und auch noch als irreführender Werbevergleich gegen §§ 5, 6 UWG verstößt. Entsprechendes gilt erst recht, wenn mit einer Mindestersparnis geworben wird ("Sie sparen mindestens x %"). Wer kein Risiko eingehen will, sollte lieber nur mit einer Maximalersparnis werben ("Sie sparen bis zu x %"). Ist die Maximalersparnis tatsächlich zu erreichen, so kann eine derartige Werbebehauptung nur ausnahmsweise verboten werden.

Preisvergleiche

Entsprechendes gilt für (schriftliche und mündliche) Preisgegenüberstellungen. Zwar sind Preisvergleiche nicht bereits als solche grundsätzlich unzulässig. Sie sind jedoch dann irreführend, wenn die Preise eines Mitbewerbers objektiv unrichtig wiedergegeben werden. Unzulässig ist ein Preisvergleich darüber hinaus auch dann, wenn die preisrelevanten Konditionen der Mitbewerber sich nicht nur unwesentlich unterscheiden und auf diese Unterschiede nicht deutlich und unmissverständlich hingewiesen wird.

Abgesehen von den juristischen Folgen sind solche Täuschungsmanöver langfristig auch sicher nicht gut für's Geschäft: Ein Kunde, der so hereingelegt wurde, wird sicher nicht länger als nötig mit diesem Dienstleister zusammenarbeiten. Dafür wird er garantiert noch lange über den Vorfall sprechen. Eine schlechtere Kampagne kann man eigentlich nicht starten. (Marzena Sicking) / (map)

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(masi)