Distribution: Das Hauen und Stechen endet erst, wenn nur noch einer übrig ist

Advent - Zeit der Besinnung! Nicht für die Distributoren in Deutschland. Die liefern sich auch in der Vorweihnachtszeit wieder einen Preiskrieg vom feinsten. Alle Hoffnungen, dass die Marktkonsolidierung zu einem weniger ruinösen Wettbewerb führen würde, haben sich als das erwiesen, was sie logischerweise sein müssen: ein frommer Wunsch.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Distributoren, sonstige Groß- und Kleinhändler und überhaupt alle Unternehmer,

die Distributionslandschaft ist in diesem Jahr erneut ganz schön durchgeschüttelt worden. Vor allem sorgten natürlich wieder einige Insolvenzen für Schlagzeilen, die von Devil etwa und von COS, die von B.com genauso wie die von Jet Computer und zuletzt die von BHS-Binkert. Ja, es war erneut kein einfaches Jahr für die Distributoren in Deutschland. Für die kleinen nicht, für die mittelgroßen nicht, und für die Dickschiffe der Distribution in Deutschland ebenfalls nicht.

Jetzt neigt sich das Jahr dem Ende zu, es ist Vorweihnachtszeit. Advent. Eigentlich die Zeit der Besinnung. Doch in der Distribution herrscht wieder Krieg, wie man hört. Offenkundig steht bei so manchem Großhändler das Erreichen der Ziele auf der Kippe, und damit sind die Herstellerboni gefährdet, die man so dringend braucht, um am Ende des Jahres überhaupt ein wenig Geld in der Kasse übrig zu behalten. Also tritt der übliche Reflex ins Kraft: Man senkt die Preise, um besser da zu stehen als die Konkurrenz. Doch wenn einer der Großdistributoren die Preise herunterzieht, können die anderen nicht tatenlos zuschauen, sondern müssen reagieren. Das Resultat ist bekannt: Alle leiden, klagen, jammern. Advent, Advent…

Jetzt hat irgendjemand das Gerücht aufgebracht, dass Ingram Micro den Konkurrenten Also übernehmen wolle. Nun ist Eins klar: Wenn es eine Sache gibt, an der in der IT-Branche kein Mangel herrscht, dann sind das Gerüchte und Spekulationen. Und es gibt ja kaum einen Gedanken, der so verrückt ist, dass sich nicht irgendjemand finden ließe, der ihn in seinem Schädel hat und – schlimmer noch – auch noch ausspricht. Ein amerikanischer Analyst erklärte jetzt sogar, dass Microsoft Apple übernehmen übernehmen könnte oder umgekehrt Apple Microsoft. Sicher, nichts ist unmöglich, sofern Geld vorhanden ist und die Kartellbehörden mit dem Kopf nicken.

Zurück zu Ingram und Also: Ich habe überhaupt keine Lust, darüber nachzudenken, ob so ein Deal Sinn machen könnte und für wen und warum. Das hängt einfach von viel zu vielen Imponderabilien ab, wie zum Beispiel der Höhe des Kauf- bzw. Verkaufspreises und anderen Feinheiten eines möglichen Vertrages. Dass allerdings Also-Großaktionär Droege bzw. Droeges Tochterfirma Special Distribution Holding GmbH die Distributionstochter aus Soest gerne gewinnbringend verkaufen würde, ist in der Branche schon länger ein offenes Geheimnis.

Wie dem auch sei: Eine Hoffnung sollte im Fall einer Übernahme von Also durch Ingram niemand haben: Dass der Preiskrieg und insgesamt die Härte des Wettbewerbs weniger unerbittlich wird, nur weil ein Distributor weniger den Markt verrückt macht. Das ist eine Illusion. Gleiches gilt übrigens nicht nur für das Geschäft der Distributoren, sondern für alle Marktsegmente, in denen sich mehr als eine Firma um die Kunden prügeln. Mir begegnen immer wieder Leute, die glauben, eine geringere Anzahl von direkten Wettbewerbern würde gleichzeitig eine geringere Härte des Wettbewerbs bedeuten. Das ist leider nicht mehr als ein frommer Wunsch. Eine geringere Anzahl von direkten Konkurrenten erleichtert allenfalls illegale Preisabsprachen und unrechtsmäßige Kartellbildungen.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Weniger Konkurrenten bedeutet keinesfalls automatisch weniger Konkurrenz. Wer das nicht glaubt, der sollte mal zum Boxen gehen: Da stehen sich im Boxring auch nur zwei Konkurrenten gegenüber, und trotzdem hauen die sich die Fresse ein, bis das Blut spritzt.

Wettbewerb endet erst, wenn nur noch ein einziger Teilnehmer übrig ist. Erst dann ist Frieden. Vorher ist Hauen und Stechen.

Fröhliche Weihnachten!

Damian Sicking

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