Druckbeatmung des intensivstationären IT-Fachhandels

Plötzlich, als er durch die Messehallen der CeBIT schlenderte, ging unserem Kolumnisten Damian Sicking ein Licht auf: Wenn der stationäre IT-Fachhandel wieder attraktiv für seine Kunden werden will, dann muss sein Laden genauso aussehen wie ein CeBIT-Stand.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Fujitsu-Manager Jörg Brünig,

Fujitsu-Manager Jörg Brünig

(Bild: Fujitsu)

in dem Münchener Stadtteil, in dem ich seit ungefähr einem Jahr wohne, gibt es keinen einzigen IT-Händler mit Ladengeschäft. Und in dem Münchener Stadtteil, aus dem ich vor einem Jahr weggezogen bin, gibt es ebenfalls keinen Computerladen. Systemhäuser ja, die gibt es dort, sogar mehrere, aber kein PC-Geschäft, welches Privatkunden adressiert. War das schon immer so? Nein! Vor einigen Jahren gab es diese Nahversorgung mit PC-Shops noch, doch heute sind sie fort. Genauso wie früher die Tante-Emma-Läden im Lebensmitteleinzelhandel sind inzwischen auch die PC-Läden aus unserem Stadt(teil)bild verschwunden. Im Gegensatz allerdings zu den Tante-Emma-Läden haben sich die PC-Shops nicht in Luft aufgelöst, sondern sind quasi umgezogen: In die virtuelle Welt, ins Internet.

Der stationäre IT-Fachhandel, der den Privatkunden adressiert, ist ein Auslaufmodell. Zumindest der stationäre IT-Fachhandel, so wie wir ihn kennen. Die Betonung liegt auf "Handel". Allein mit dem An- und Verkauf der Produkte, also mit der Marge, kann der stationäre Händler nicht dauerhaft überleben, und gut leben schon mal gleich gar nicht. Dazu sind die Margen zu gering und der Wettbewerb vor allem durch Retailer und immer mehr durch E-Tailer zu groß. Aber was kann er außer Produkten sonst verkaufen? Das ist die entscheidende Frage. Viele Marktbeobachter raten ihm dringend, Dienstleistungen zu verkaufen. Hört sich in der Theorie gut an, taugt aber nicht für die Praxis. Denn das Problem des BtC-Händlers besteht ja ganz wesentlich darin, dass seine Zielgruppe, die Privatkunden eben, für Dienstleistungen nicht bereit sind zu zahlen bzw. gar keine Dienstleistungen wollen. Das ist der große Unterschied zum Systemhausgeschäft, wo der Serviceverkauf inzwischen eine ganz wesentliche Rolle spielt.

Lieber Herr Brünig, genau über dieses Thema hatten wir unter der Überschrift "Goodbye Channel 2.0" auf der CeBIT in der vergangenen Woche zusammen mit Ingram-Micro-Geschäftsführer Gerhard Schulz diskutiert. Leider war die Zeit wieder einmal viel zu schnell vorbei, und viele Dinge konnten nicht angesprochen werden. Natürlich war meine These, dass für den stationären IT-Fachhandel das letzte Türglöckchen geschlagen hat, ein bisschen provokativ gemeint, und es hat mich auch nicht im geringsten überrascht, dass Sie und Herr Schulz mir heftig widersprochen haben. Aber auch für Sie steht fest, dass sich der Handel seit einigen Jahren schon in einem gewaltigen und anhaltenden Veränderungsprozess befindet. Handel ist nun mal eben auch in diesem Jahrhundert noch immer Wandel.

Lieber Herr Brünig, Sie forderten in unserer kleinen Diskussion den stationären Fachhandel auf, sich mit Spezialisierung und Emotionalität zu profilieren. Zwei gute Punkte, wie ich finde.

Zum Stichwort "Spezialisierung“ habe ich mich an dieser Stelle schon mehrfach geäußert, zum letzten Mal im Dezember vergangenen Jahres ("Der stationäre IT-Fachhandel muss sich neu erfinden"). Mein Lieblingsbeispiel für diese radikale Spezialisierung ist der "Bio-IT-Händler“. Was meine ich damit? Für viele Verbraucher spielen Energiekosten, aber auch Umweltschutz und Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle. Auch bei der Beschaffung von IT-Equipment. Ein Händler, der in diesem Bereich Kompetenz aufbaut ("Welches Notebook verbraucht am wenigsten Energie?“, "Welchen Drucker können Sie mir unter ökologischen und gesundheitlichen Aspekten empfehlen?“, "Welches Gerät hat insgesamt die beste Umweltbilanz, wenn wir die verwendeten Materialien, den Herstellungsprozess, den Transport und Entsorgung berücksichtigen?“) hat einen starken Wettwerbsvorteil, der nicht leicht von anderen zu kopieren ist.

CeBIT-Messestand

(Bild: Deutsche Messe AG)

"Emotionalität“ ist der andere Punkt, den Sie angesprochen hatten, lieber Herr Brünig. Emotionalität zählt ja nun nicht gerade zur Kernkompetenz des IT-Händlers, zumindest nicht in der Kundenansprache. Für mich beginnt Emotionalität im stationären IT-Fachhandel bereits bei der Ladengestaltung. Ein ganz wichtiger Punkt. Viele PC-Shops waren in der Vergangenheit alles andere als einladend. Erlebniseinkauf? Wohlfühlfaktor? Für viele Händler Begriffe aus einer fremden Welt. So sahen dann auch ihre Geschäfte von innen aus. Als ich jetzt über die CeBIT schlenderte, wurde mir schlaglichtartig klar, wie heute ein PC-Geschäft aussehen muss, um für die Kunden attraktiv zu sein: Wie ein Messestand! Hell, gut ausgeleuchtet, guter Boden, Beschränkung auf das Wesentliche, kleine Inseln mit eingeschalteten (!) Geräten, auf denen unterschiedliche Anwendungen laufen (Spiele, Office, Hobby), vielleicht auch musikalische Untermalung. Das Foto oben stammt von der CeBIT und liefert einen ungefähren Eindruck davon, was ich meine. Wer verstanden hat, wie ein PC-Shop von heute auszusehen hat, ist der Apple-Premium-Reseller mStore (Slogan: "Die Apple-Erlebniswelt in Ihrer Stadt“). Sollte man sich mal anschauen. Wer keinen mStore in seiner Stadt hat, kann sich auf der Homepage des Hamburger Unternehmens einen Eindruck davon verschaffen, wie diese Läden aussehen.

mStore-Ladengeschäft in Essen

(Bild: mStore)

Klar: Wer seinen Laden umbauen und neu designen will, der muss erst einmal kräftig investieren. Da fragt es sich: Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Vielleicht sollte man bei dieser Gelegenheit darüber nachdenken, sich stärker an einen Partner aus der Industrie anzulehnen und diesen dann an den Investitionen zu beteiligen. Ein „Fujitsu-Store“, von einem Partner betrieben – ähnlich also wie der mStore –, ich kann mir so etwas durchaus vorstellen, Sie auch, Herr Brünig?

Beste Grüße!

Damian Sicking

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