Eine sichere Methode, seine Firma in die Zeitung zu bringen

Sie wollen den Bekanntheitsgrad Ihrer Firma steigern, wissen aber nicht wie? Ganz einfach: Geben Sie eine Studie in Auftrag oder erfinden Sie eine. Je abgedrehter die Ergebnisse, desto größer die Chance auf eine Veröffentlichung in den Medien.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Marketingleiter,

Sie arbeiten in einer Firma, die kaum jemand kennt und haben den Auftrag, dies zu ändern (also den geringen Bekanntheitsgrad der Firma, nicht ihre Beschäftigung darin)? Sie glauben, dafür brauche man mehrere Jahre, einen langen Atem und sehr viel Geld? Irrtum! Es gibt ein totsicheres und auch noch recht preisgünstiges Mittel, um in die Medien zu kommen: Beauftragen Sie ein Marktforschungsunternehmen mit der Studie zu einem total abstrusen Thema, bei dem optimalerweise auch noch das Wort "Sex"“ vorkommt. Können Sie sich die Beauftragung eines Marktforschungsinstituts nicht leisten, macht es auch nichts: Denken Sie sich selbst was aus (Insider sprechen in diesem Fall von einer "Phantom-Studie", also einer Studie, die es gar nicht gibt). Das Ergebnis ist dasselbe. Ein paar Beispiele aus jüngster Zeit.

Gerade letzte Woche veröffentlichte der nur Insidern bekannte chinesische Hersteller von Netzwerkprodukten TP-Link eine schöne Presseinfo mit der Überschrift "Internet wichtiger als Sex, Alkohol und persönliche Hygiene". Ich will hier inhaltlich nicht weiter auf diese Presseinfo eingehen, in der auf eine entsprechende Studie verwiesen wird. Der Informationsgehalt ist ja auch nicht wirklich neu, ähnliche Studien tauchen immer wieder auf. Doch das macht nichts. Davon sollten Sie sich, liebe Marketingleiter, nicht irritieren lassen. Denn zum einen ist der Mensch vergesslich – ich behaupte: die Vergesslichkeit steigt mit dem sexuellen Interesse –, und zum anderen läßt er sich gerne immer wieder in seiner Meinung bestätigen. Und auch in diesem Fall hat es funktioniert. Die Medien (Bild.de!) haben die Mitteilung von TP-Link begeistert aufgenommen und veröffentlicht. Tja, Sex sells eben.

Eine andere schöne Studie hat mein Lieblingsverband Bitkom vor kurzem veröffentlicht. Der Bitkom überschüttet uns ja dankenswerter Weise seit einiger Zeit mit super interessanten Studien, was zweifelsohne ganz wesentlich zu der deutlich gestiegenen Bekanntheit des Branchenverbandes aus Berlin beigetragen hat. Kein Wunder bei solchen Schlagzeilen wie dieser: "18 Millionen Deutsche erleben Phantom-Anrufe." Phantom-Anrufe, das sind – ähnlich wie die bereits angesprochenen Phantom-Studien – Anrufe bzw. Klingeltöne, die nur in der Einbildung der betreffenden Person existieren. 18 Millionen Menschen! Nur in Deutschland! Hammer, nicht wahr?

Ein bisschen lahm dazu der Kommentar von Bitkom-Präsident Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer: "Phantom-Anrufe sind offensichtlich weit verbreitet", sagte er nur. Dass Scheer angesichts dieses für den Normalbürger so erstaunlichen Studienergebnisses derart cool, ja geradezu phlegmatisch bleibt, hat einen ganz einfachen Grund. Phantom-Klingeln, das ist ja nichts anderes als eine Halluzination. Und in der IT-Branche sind Halluzinationen bekanntlich nichts Ungewöhnliches, im Gegenteil sind sie eher die Regel als die Ausnahme. Menschen, die in der IT-Branche arbeiten wie unser Bitkom-Präsident Scheer, sind es gewohnt, Dinge zu sehen, die es gar nicht gibt, zum Beispiel Trends, Marktentwicklung und Geschäftschancen. Mancher Vorstand oder Geschäftsführungsvorsitzender nennt seine Halluzinationen gerne Visionen, aber das ist dasselbe. Visionen sind nichts anderes als Halluzinationen, nur in akademisch.

Meine absolute Lieblingsstudie allerdings stammt aus den Niederlanden und ist sogar von außergewöhnlich praktischem Nutzwert. Ihre Veröffentlichung ist schon ein paar Tage her, aber vielleicht haben Sie es ja nicht mitbekommen (obwohl viele Medien darüber berichtet haben). Holländische Wissenschaftler haben nämlich herausgefunden, dass der Füllgrad der menschlichen Blase direkte Auswirkungen auf die Qualität der zu treffenden Entscheidung hat. "Wer dringend `muss´, trifft die besseren Entscheidungen", fasst der Wissenschaftsjournalist Jürgen Schönstein aus München die Ergebnisse der Studie zusammen. Gerade für Manager eine wichtige Erkenntnis. Früher haben wir vor wichtigen Entscheidungen erst einmal eine Nacht darüber geschlafen. In unserer heutigen schnelllebigen und hektischen Zeit kann sich das aber niemand mehr leisten. Verantwortungsbewusste Top-Manager laufen daher den ganzen Tag mit einer Blase kurz vorm Platzen herum, und wenn eine besonders wichtige Entscheidung zu treffen ist, kippen sie noch eine weitere Tasse Kaffee in sich hinein.

Aber gut, ich wollte an dieser Stelle ja gar nicht so intensiv auf die Studien eingehen. Ich wollte Ihnen, liebe Marketingleiter, ja nur demonstrieren, wie Sie Ihre Firma mit überschaubarem Aufwand in die Medien bringen. Ich hoffe, ich konnte Ihnen deutlich machen, dass Studien dafür immer gut sind, und je abgedrehter, desto besser.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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