FAQ arbeitsrechtliche Abmahnung, Teil II

Arbeitnehmer, die eine Abmahnung erhalten, haben durchaus Möglichkeiten, sich gegen diese Rüge zur Wehr zu setzen. Allerdings sollte man die dazugehörigen Mittel mit Bedacht wählen, rät Rechtsanwalt Dr. Christian Salzbrunn.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Marzena Sicking
Inhaltsverzeichnis

Der Erhalt einer arbeitsrechtlichen Abmahnung stellt für einen Arbeitnehmer ein schwerwiegendes Ereignis dar. Denn er fühlt sich häufig nicht zu Unrecht in seiner beruflichen Existenz bedroht, weil der Arbeitgeber mit einer solchen Abmahnung nicht nur eine Pflichtverletzung ahndet, sondern auch signalisiert, dass der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Für den Arbeitnehmer stellt sich in einem solchen Fall immer die Frage, wie er auf diese Abmahnung angemessen reagieren kann. Dr. Christian Salzbrunn, Rechtsanwalt mit Sitz in Düsseldorf, gibt Antwort auf die wichtigsten Fragen von betroffenen Arbeitnehmern:

Zunächst einmal sollte er einen kühlen Kopf bewahren und nicht überreagieren. Das heißt: Wenn sich der Arbeitnehmer Gedanken über die angemessene Reaktion macht, sollte er sich nicht ausschließlich auf juristische Erwägungen konzentrieren, sondern auch pragmatische Überlegungen mit einbeziehen. Denn häufig steht auch eine Art "Kurzschlussreaktion" des Arbeitgebers dahinter: Die Abmahnung wurde ausgesprochen, weil der Arbeitgeber über ein Fehlverhalten seines Mitarbeiters aufgebracht war, aber ohne, dass er dabei auch die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich in Frage stellen wollte. Geht der betroffene Arbeitnehmer nun aber mit allen verfügbaren Mitteln, also insbesondere im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, gegen diese Abmahnung vor, dann kann das auch dazu führen, dass ein an sich intaktes Arbeitsverhältnis zerrüttet wird und letztendlich in einer Auflösung mündet.

Neben dem gerichtlich durchzusetzenden Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte, besteht zunächst die weitaus mildere Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer eine Gegendarstellung zur Personalakte reicht. Dafür sollte der Arbeitnehmer erst einmal Einsicht in die Personalakte verlangen, um sich über deren genauen Inhalt zu informieren. Soweit er sich hierüber Klarheit über den Inhalt der Personalakte verschafft hat, kann er von seinem Recht aus § 83 Abs. 1 BetrVG, Erklärungen zum Inhalt der Personalakte zu geben, Gebrauch machen. Dies macht er am Besten in Form einer schriftlichen Gegendarstellung. Der Arbeitgeber ist nämlich verpflichtet, die Gegendarstellung zur Personalakte zu nehmen, auch wenn er mit ihrem Inhalt möglicherweise nicht einverstanden ist. Die Gegendarstellung darf dann erst zusammen mit der Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden. Was viele Arbeitgeber nicht wissen: Eine solche Gegendarstellung kann sogar gegenüber einer berechtigten Abmahnung zur Personalakte gegeben werden.

Dr. Christian Salzbrunn arbeitet als Rechtsanwalt in Düsseldorf. Seit 2006 betreibt er eine eigene wirtschaftsrechtlich ausgerichtete Anwaltskanzlei. Zu den Tätigkeitsschwerpunkten der Kanzlei zählen das Arbeitsrecht, der Gewerbliche Rechtsschutz und der Einzug von offenen Forderungen. Überwiegend jedoch berät und vertritt Herr Dr. Christian Salzbrunn mittelständische Unternehmen und Arbeitnehmer bundesweit auf dem Gebiet des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

Für den durch einen Betriebsrat mitbestimmten Betrieb folgt dieses Recht zur Einreichung von Gegendarstellungen unmittelbar aus dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 83 Abs. 2 BetrVG), für alle anderen Betriebe ist dies aus entsprechenden arbeitsvertraglichen Nebenpflichten von den Arbeitsgerichten anerkannt.

Die Grenze für eine solche Gegendarstellung ergibt sich aus Rechtsmissbrauchsgrundsätzen. Das bedeutet in der Praxis, dass sie im Tonfall sachlich sein muss und sich nur auf die Punkte beziehen darf, die auch Gegenstand der Abmahnung sind. Andere Dinge haben in der Gegendarstellung nichts zu suchen, auch wenn sie aus Sicht des Arbeitnehmers vielleicht wichtig für die Darstellung oder für die Einschätzung der Gesamtsituation sind.

Die Anfertigung einer solchen Gegendarstellung hat den klaren Vorteil, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber signalisieren kann, dass er mit der erteilten Abmahnung nicht einverstanden ist und zwar ohne ein Gerichtsverfahren, welches das bereits angespannte Verhältnis der Parteien vermutlich weiter belasten würde. Außerdem gibt er mit der Gegendarstellung zeitnah eine schriftliche Erklärung dazu ab, wie sich der abgemahnte Verstoß denn aus seiner Sicht dargestellt hat. Im Falle einer späteren Kündigung kann sich aus einer in der Personalakte befindlichen Gegendarstellung zudem eine weitere Hürde für den Arbeitgeber für die dann durchzuführende Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG ergeben.

Nein, denn mit der Einreichung einer Gegendarstellung zur Personalakte verbraucht der Arbeitnehmer nicht sein Recht, die Abmahnung zu einem späteren Zeitpunkt auch noch gerichtlich anzugreifen. Ein Arbeitnehmer ist außerdem ja nicht verpflichtet, gegen eine Abmahnung gerichtlich vorzugehen. Entschließt er sich, auf eine Abmahnung erst einmal gar nicht zu reagieren, so kann ihm das später nicht nachteilig ausgelegt werden kann. Kommt es dann infolge einer weiteren Pflichtverletzung zu einem späteren Zeitpunkt zu einer verhaltensbedingten Kündigung, können in dem dann zu führenden Kündigungsschutzprozess die bestehenden Einwände gegen die vorhergehende Abmahnung immer noch geltend gemacht werden. Denn eine entscheidende Wirksamkeitsvoraussetzung für die spätere verhaltensbedingte Kündigung ist nämlich, dass der Arbeitnehmer aufgrund von gleichgelagerten Pflichtverletzungen zuvor in zutreffender und auch in rechtswirksamer Weise abgemahnt worden ist. Die Darlegungs- und Beweislast zu alledem trägt der Arbeitgeber.

Neben dem Recht auf Gegendarstellung räumt das Betriebsverfassungsrecht in § 84 Abs. 1 BetrVG dem Arbeitnehmer auch die Möglichkeit ein, sich bei der zuständigen Stelle im Betrieb, zum Beispiel bei dem unmittelbaren Vorgesetzten oder in der Personalabteilung, zu beschweren. Der Arbeitgeber muss dann die Berechtigung der Beschwerde überprüfen und unter Umständen abhelfen. Ein solches Vorgehen kann in größeren Unternehmen sinnvoll sein, denn oftmals kann eine höhere Stelle durchaus zur Klärung der entstandenen Situation beitragen. Daneben kann sich der Arbeitnehmer auch gemäß § 85 Abs. 1 BetrVG an den Betriebsrat wenden, der die Beschwerde entgegenzunehmen und zu prüfen hat. Hält der Betriebsrat die Abmahnung für unberechtigt, muss er sich an den Arbeitgeber wenden und auf eine Abhilfe hinwirken. Kommt es zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber dabei zu einer Meinungsverschiedenheit, kann dieser wegen § 85 Abs. 2 S. 3 BetrVG allerdings nicht die Einigungsstelle anrufen, da der Arbeitnehmer selbst vorrangig einen gerichtlichen Anspruch auf eine Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte geltend zu machen hat.

In einem ansonsten intakten Arbeitsverhältnis sollten Arbeitnehmer es sich zunächst gut überlegen, ob sie dieses weiter belasten möchten. Ein solches gerichtliches Verfahren vor dem Arbeitsgericht sollte der Arbeitnehmer auch immer nur dann führen, wenn die Erfolgsaussichten für ihn sehr hoch sind.

Generell hat ein solches Klageverfahren nur dann rechtlich Aussicht auf Erfolg, wenn die Abmahnung den Arbeitnehmer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt und mit ihr das weitere berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers beeinträchtigt wird. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist oder wenn die Abmahnung falsche Tatsachenbehauptungen, Ehrverletzungen bzw. rechtsirrig angenommene Vertragsverstöße beinhaltet oder auch wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt wird. Schließlich kann auch eine Abmahnung wegen eines zu großen Zeitablaufes zwischen der begangenen Pflichtverletzung und der Übergabe des Abmahnschreibens bereits verwirkt sein, so dass sie aus einem solchen Gesichtspunkt zu entfernen ist. Ein Abmahnrechtsstreit ist aber mit einem großen Aufwand für den Arbeitnehmer verbunden, denn wenn er in einem Gerichtsverfahrens Rechtfertigungsgründe gegen die Abmahnung anführt, trifft ihn hierfür wiederum die Darlegungs- und Beweislast.

Die wenigsten Rechtsstreitigkeiten, die um die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte geführt werden, enden tatsächlich in einem Urteil, in dem der Arbeitgeber entsprechend verpflichtet wird. Zumeist enden solche Verfahren nämlich mit einem gerichtlichen Vergleich, der besagt, dass die Abmahnung für eine bestimmte Zeitdauer in der Personalakte verbleiben kann und danach vom Arbeitgeber entfernt werden muss.

Lässt sich der Arbeitnehmer auf einen solchen Vergleich ein, heißt das nämlich nicht, dass er die Rechtmäßigkeit der Abmahnung damit automatisch anerkennt. Vielmehr müsste der Arbeitgeber die gerügten Pflichtverletzungen in einem möglichen späteren Kündigungsrechtsstreit weiterhin darlegen und beweisen. Der Arbeitnehmer hat mit einem solchen Vergleich den Vorteil, dass er weiß, dass die strittige Abmahnung zu einem bestimmten Zeitpunkt aus der Personalakte entfernt wird, er dann also so zusagen wieder eine "reine weiße Weste erhält".

Der Vorteil für den Arbeitgeber besteht auf den ersten Blick darin, dass er einen für ihn unliebsamen Rechtsstreit schnell beenden kann. In der Sache selbst hat er aber nicht viel gewonnen. Denn über die Berechtigung der Abmahnung sagt ein solcher Vergleich ja nichts aus. Ein gut beratener Arbeitgeber sollte sich daher nur dann auf einen solchen Vergleich einlassen, wenn der Arbeitnehmer gleichzeitig auch die Berechtigung der Abmahnung als solche anerkennt, die dann zu einem späteren (also den dann vereinbarten) Zeitpunkt aus der Personalakte zu entfernen ist. (Marzena Sicking) / (map)

Was Arbeitgeber beim Ausspruch einer Abmahnung beachten müssen, lesen Sie in Teil I der FAQ zur arbeitsrechtlichen Abmahnung:

(masi)