Initiativen streiten um das Kleingedruckte

Das strenge AGB-Recht wird immer öfter auch bei Verträgen zwischen Unternehmen angewendet. Deshalb fordert eine Initiative die Reform. Doch nun hat sich im Mittelstand eine Gegeninitiative formiert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Das deutsche AGB-Gesetz wurde ursprünglich dazu geschaffen, um die Verbraucher vor nachteiligen Klauseln im Kleingedruckten zu schützen. Zugleich schuf der Gesetzgeber aber auch die Möglichkeit, die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr – also bei Verträgen zwischen Firmen – anzuwenden. Dabei sei auf "die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche angemessen Rücksicht" zu nehmen.

Wie die "Initiative zur Fortentwicklung des AGB-Rechts im unternehmerischen Geschäftsverkehr" bemängelt, sei die geforderte Flexibilität aber nicht gegeben. Der Gesetzgeber habe bei der Definition eines Handelsbrauchs in § 346 HGB so hohe Ansprüche gestellt, das es so etwas in der Praxis gar nicht mehr gibt. Vielmehr werde in der Rechtsprechung immer öfter davon ausgegangen, dass bei Verträgen zwischen Firmen die gleichen Standards gelten müssen, wie gegenüber den Verbrauchern. Das sei ein Irrtum, der nun korrigiert werden müsse, fordert die Initiative, der Verbände wie VDMA, ZVEI, der IHK Frankfurt am Main, aber auch Wirtschaftsanwälte und Rechtswissenschaftler angehören. Sie haben einen Gesetzgebungsvorschlag vorgelegt, der für mehr Gestaltungsfreiheit sorgen soll und erreicht, dass das Bundesjustizministerium derzeit prüft, ob die Vorschriften des AGB-Rechts tatsächlich entsprechend reformbedürftig sind.

Klingt nach einem Etappensieg für die Unternehmer. Dumm nur, dass nicht alle diese Reform wollen. Im Gegenteil: Es hat sich die Gegenbewegung "Initiative pro AGB-Recht" formiert, die die Lockerung verhindern will. Treibende Kraft sind verschiedene Verbände des Mittelstandes, die nach eigenen Angaben mehr als 1,2 Millionen Betriebe vertreten. Es sind dann auch vor allem kleine und mittelständische Firmen, die den Schutz des AGB-Rechts durchaus begrüßen.

Für die geforderte Aufweichung sehe man überhaupt keinen keinen Anlass – im Gegenteil: Die strengen AGB-rechtlichen Schranken müssten auch im Verhältnis zwischen Unternehmern gelten. Anderenfalls werde nur die Vertragsfreiheit wirtschaftlich überlegener Unternehmen auf Kosten unterlegener Vertragspartner erhöht. "Die positive Bilanz des AGB-Rechts für den überwiegenden Teil der Unternehmen darf nicht den Interessen einiger weniger geopfert werden", heißt es in der Erklärung der Initiative.

Gerade für den Mittelstand sei der Schutz dringend notwendig. Denn von Geschäften auf Augenhöhe könne keine Rede sein: So würden überlegene Marktteilnehmer beispielsweise für sich in Anspruch nehmen, Rechnungen erst nach drei Monaten zu bezahlen. Die Marktmacht wird also ohnehin schon ausgespielt. Das AGB-Gesetz schützt die wirtschaftlich unterlegenen Partner immerhin vor Klauseln, die gesetzeswidrig sind. Auch sei eine Reform nicht nötig, denn die Vertragspartner hätten durchaus die Möglichkeit, individuelle Verträge zu vereinbaren – nur eben im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten.

Allerdings kämpfen die AGB-Befürworter jetzt nicht nur gegen eine innerdeutsche Reform des AGB-Rechts. Denn die Europäische Kommission ist der Ansicht, dass die EU ein gemeinsames Kaufrecht braucht, um den grenzüberschreitenden Handel zu fördern. Länderspezifische Bestimmungen würden dadurch im Zweifelsfall ausgehebelt. Der Nutzen eines EU-Kaufrechts wird aber nicht nur von den Vertretern des Mittelstandes angezweifelt: Gerd Billen vom Bundesverband Verbraucherzentralen erwartet eine große Verunsicherung der Verbraucher durch "das Nebeneinander von nationaler und europäischer Rechtsordnung". Der Sachverständige Hans Christoph Grigoleit von der Universität München hat außerdem inhaltliche Mängel und Lückenhaftigkeit der Vorschläge aus Brüssel bemängelt. Ein europäisches Kaufrecht brächte weder für Verbraucher, noch für Unternehmen "einen erkennbaren Nutzen", daher sei eine "nennenswerte Akzeptanz" nicht zu erwarten.

Die "Initiative pro AGB-Recht" hat sich ebenfalls gegen diesen Vorschlag ausgesprochen und befürchtet, einen "Rückschritt zur Generalklausel", der eine wirksame AGB-Kontrolle ausschließen und nur Rechtsunsicherheit bringen werde. (gs)
(masi)