Kolumne: Für Freenet-Chef Spoerr ist es Zeit, zu gehen

Was soll man von jemandem halten, der auf Einkaufstour geht und die Rechnung von anderen bezahlen läßt? Nichts? Dieser Meinung schließt sich heise-resale-Kolumnist Damian Sicking vollinhaltlich an.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber Freenet-Chef Eckhard Spoerr,

in seiner Titelgeschichte beschäftigt sich der aktuelle Stern mit der "neuen Lust der Deutschen an der Philosophie". Typisch: Sobald die Aktienkurse in den Keller rauschen, fragen die Deutschen nach dem Sinn des Lebens.

Freenet-Chef Eckhard Spoerr

(Bild: Freenet)

Apropos Philosophie: Mich würde interessieren, was die Philosophen von Ihren Handlungen und Taten halten, lieber Herr Spoerr. Ich vermute: nichts! Sie würden sie abscheulich finden, verwerflich, zum Kotzen. Warum? Sie haben im Frühjahr dieses Jahres in einem öffentlich ausgetragenen Machtkampf mit Ihren Großaktionären United Internet und Drillisch den Kauf von Debitel durchgeboxt. Rund 1,3 Milliarden Schulden haben Sie dafür gemacht. Dazu kommen Integrationskosten im zweistelligen Millionenbereich. Man fragte sich, wer das alles bezahlen soll. Jetzt haben Sie selbst die Antwort auf diese Frage gegeben: die Mitarbeiter! 1.000 der insgesamt 7.700 Angestellten – das sind 13 Prozent! – verlieren ihre Jobs, der Standort Elmshorn (Talkline) mit rund 650 Mitarbeitern wird komplett dichtgemacht. Bei Debitel in Stuttgart soll nur noch die Finanzabteilung bleiben, 300 Menschen müssen ihre Schreibtische räumen. Mit anderen Worten: Sie gehen auf Einkaufstour und lassen andere dafür bezahlen. Das ist schäbig.

Lieber Herr Spoerr, wie war das noch mit der ganzseitigen Anzeige, die Anfang August in der Tageszeitung Die Welt erschien und in der sich angeblich "viele hundert Mitarbeiter der Freenet AG" gegen die Übernahme durch die United Internet AG aussprachen, weil diese Übernahme "auf Kosten der Gesellschaft, aller anderen Aktionäre und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" ginge? Diese Mitarbeiter müssen sich heute nach den angekündigten Massenentlassungen ganz schön verarscht vorkommen.

Lieber Herr Spoerr, Sie sind kein Unternehmer. Ein Unternehmer schafft Werte. Sie vernichten Werte. Sie sind ein Spieler, ein Zocker. Der Außenstehende gewinnt den Eindruck, dass es Ihnen bei dem, was Sie tun, nur um eines geht: Um Sie und Ihr Ego. Vor allem United-Internet-Chef Ralph Dommermuth wollten Sie es mal richtig zeigen. Was Ihnen zunächst ja auch gelungen ist.

Mit den Folgen Ihrer Großmannssucht schaffen Sie es nicht nur, die eigenen Mitarbeiter, sondern auch die Freenet-Aktionäre gegen sich aufzubringen. Der Aktienkurs dümpelt momentan bei 3,30 Euro dahin, noch vor einigen Monaten lag der Kurs rund viermal so hoch. Um Geld in die Kasse zu spülen, wollen Sie die defizitäre DSL-Sparte verkaufen, aber niemand will sie haben.

Vor Kurzem haben Sie Debitel-Chef Oliver Steil gefeuert und sich selbst auch noch auf den Chefsessel bei Debitel gesetzt. Offenbar sind Sie der Meinung, dass niemand die Jobs an der Unternehmensspitze besser kann als Sie. Ich frage mich allerdings, ob Sie nicht überfordert sind mit dem, was Sie angerichtet haben. Ich warte nun auf eine weitere ganzseitige Anzeige in der Welt, in der Ihre Mitarbeiter Sie auffordern, mit sofortiger Wirkung Ihr Amt niederzulegen, zum Wohle der Gesellschaft, der Aktionäre und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Beste Grüße

Damian Sicking

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