Muster ohne Wert

Seite 3: Wegweisend oder abwegig?

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Der Richterspruch aus Halle ist Gegenstand kontroverser Kommentare in juristischen Weblogs und Webforen. Von Shop-Betreibern kommt erwartungsgemäß massive Kritik. Zahlreiche Juristen pflichten den Hallenser Richtern jedoch bei. Bereits vor der Entscheidung des LG haben Fachleute darauf hingewiesen, dass die von der Regierung im Formular verwendete Formulierung nicht rechtswirksam sei [4].

Im Bundesjustizministerium scheint die Kritik nur wenig bewirkt zu haben. Obwohl das Muster inzwischen überarbeitet worden ist, steht gerade die gerügte Aussage weiterhin darin [5]. Der Gesetzgeber hat stattdessen vorwiegend Formulierungen geändert, die in puncto Geschlechtsneutralität zu wünschen übrig ließen.

Obgleich also auf inhaltlicher Ebene die entscheidenden Hausaufgaben nicht erledigt worden sind, könnte allein die Tatsache, dass eine Überarbeitung des Formulars stattgefunden hat, doch noch einen Vorteil für die Shop-Betreiber bringen – und zwar in rein formaler Hinsicht. Viele Juristen gehen nämlich davon aus, dass dem Muster aufgrund der erfolgten Überarbeitung selbst Gesetzesrang zugekommen ist. Wenn ein Online-Shop-Betreiber ein solchermaßen gesetzlich verankertes Muster nun ausdrücklich verwendet, so hätte dies gewissermaßen automatisch zur Folge, dass seinem Kunden eben kein zeitlich unbefristetes Widerrufsrecht zusteht – ob der Verbraucher dabei nun seine Rechte tatsächlich umfassend begriffen hat oder nicht. Wer das nur schwer nachvollziehen kann, braucht sich nicht zu schämen.

Angesichts der weiterhin unklaren Rechtslage werden sich Shop-Betreiber die Frage stellen, ob es nicht zu riskant ist, die Musterbelehrung weiterhin zu verwenden. Wer die Ausgabe für eine vom Anwalt ausgearbeitete maßgeschneiderte Kundenbelehrung scheut, wird wohl auch künftig mit dem umstrittenen Formular leben können. Im Falle eines Rechtsstreits kann man ja notfalls versuchen, beim Gesetzgeber Regress zu nehmen – auf Grundlage einer Amtshaftung für fehlerhafte Gesetze. Allerdings haben solche Versuche erfahrungsgemäß eher selten Erfolg. (psz)

Literatur

[1] BGB-InfoV: www.gesetze-im-internet.de/bgb-infov

[2] LG Halle, Urteil vom 13. 5. 2005, Az. 1 S 28/05, in: Neue Juristische Online-Zeitung, Heft 22, S. 1952

[3] Thomas Schafft, Geld zurück ohne Ende?, Gesetzesänderung kann für Internet-Kunden zu verlängerter Widerrufsfrist führen, c't 23/02, S. 198

[4] Andreas Masuch, Musterhafte Widerrufsbelehrung des Bundesjustizministeriums?, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2002, S. 2931

[5] Palandt, Kommentar zum BGB, 65. Aufl. 2006, S. 2653 (map)