Neue Lkw-Maut: Handel befürchtet Anstieg bei Versandkosten

Dem Fachhandel drohen Mehrkosten. Grund: Der Bund hat die Lkw-Maut auf vierspurige Bundesstraßen erweitert. Noch tasten sich die Spediteure vorsichtig an die Weitergabe der Kosten heran. Die Distribution wiederum wartet ab, schließt mittelfristig höhere Versandkosten aber nicht aus.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Wenn Peter Ramsauer aktiv wird, dann weiht der Bundesverkehrsminister gern mal ein Stück Straße oder einen Straßenkreisel ein. Oder er denkt darüber nach, wo er noch ein paar Millionen Euro locker herbekommen könnte. Eine Quelle hat er nun erfolgreich angezapft: Nachdem 2005 die Lkw-Maut auf Bundesautobahnen eingeführt worden ist – ohne dass auch nur eine Tonne weniger über den Asphalt rollt, dafür aber allein 2011 etwa 4,5 Milliarden Euro in den Staatssäckel flossen – kommen jetzt die Bundesstraßen dran. Auf gut 1.100 Kilometern vierspurige Bundesstraßen müssen Lkws mit einem Gewicht von mehr als 12,5 Tonnen seit Anfang August Maut bezahlen. Und exakt mit Fahrzeugen dieser Größenklasse werden mit einem Anteil von bis zu 90 Prozent die größeren IT- und TK-Distributoren beliefert beziehungsweise die zu versendende Ware abholt, um sie zu den Verteilzentren zu transportieren.

Immerhin 100 Millionen Euro soll die Abgabe jährlich einbringen. Alles in allem, so der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), müssten „unter Zugrundehaltung der Betreibervergütung und der Kontrollkosten die Bundesstraßenmaut das Gewerbe mit bis zu 150 Millionen Euro jährlich belastet werden, wenn die Haushaltserwartungen sich erfüllen sollen“. Für die einzelnen Betriebe, so der Verband weiter, bedeute dies eine Kostensteigerung von bis zu zwei Prozent. Der „hart umkämpfte Transportlogistikmarkt“ könne dies nicht tragen.

Zusatzkosten: Transparenz für Reseller notwendig

Marcus Adä, Vice President Sales, Ingram Micro: „Sehen zum jetzigen Zeitpunkt keine Erhöhung unserer Versandpreise“

(Bild: Ingram Micro)

Doch egal, ob dies nun eine einseitige Belastung des Transportgewerbes bedeute, bei der die Lkw „die Straße allein bezahlen“ sollen, wie BGL Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt klagt, oder ob die Maut für Bundesstraßenbenutzung nur die logisch Folge der Autobahn-Maut darstellt – sicher ist, bei den Kunden der Spediteure werden schon mal die Versandkostenkalkulationen überarbeitet. Zumindest beobachte man die Entwicklung sehr genau, so Marcus Adä, Vice President Sales beim Broadline-Distributor Ingram Micro in Dornach, „um rechtzeitig Maßnahmen einzuleiten, und hierbei auch größtmögliche Transparenz für die Reseller zu schaffen“.

Derzeit jedenfalls – und diese Frage beschäftigt vor allem den Fachhandel – sehe er keinen Anlass, die Versandpreise zu erhöhen. Gleichwohl könne er nicht ausschließen, „dass künftig Preisanpassungen – aufgrund von gesetzlichen Änderungen wie die Lkw-Maut auf Bundesstraßen – vorgenommen werden müssen“. Ähnlich lautet auch die Antwort vom Broadline-Distributor Tech Data in München. Dort werden höhere Frachtgebühren durch die Transporteure „für die Kunden in diesem Jahr keine Auswirkungen haben“.

Katja Förster, Unternehmenssprecherin Komsa AG: „Durch langfristige Verträge können wir die Preise stabil halten“

(Bild: Komsa)

„Dass die meisten Spediteure und Frachtführer versuchen werden, die Maut auf Bundesstraßen anteilig an die Verlader weiterzugeben“, davon ist Silke Weiland überzeugt. Nach Überzeugung der Abteilungsleiterin Logistik und Service beim Distributor B.Com in Köln werden die Transporteure versuchen, ihre zusätzlichen Kosten möglichst in voller Höhe in Rechnung zu stellen. Trotzdem werde man bei dem Grossisten bemüht sein, „den Effekt auf unsere Kunden so gering wie möglich zu halten und nur wenn nötig Kosten durchzureichen“.

Diskussionsbedarf: Aufteilung der Frachtkosten

Allerdings habe bei B.Com bislang noch keine Spedition wegen der gestiegenen Frachtkosten angeklopft. Sollten aber die Transporteure nach mehr Geld verlangen, dann werde dies nicht einfach so akzeptiert, stellt die Logistik- und Service-Chefin schon mal klar. Denn die anteilige Umlage der Maut könne aufgrund der Komplexität der Routenberechnung und der jeweils genutzten Laderaumkapazität nur schwer beziffert werden. So seien nur in den seltensten Fällen volle Lkw von nur einem Auftraggeber unterwegs. „Da gibt es dann schon die Diskussion, wie viele Lademeter auf der Wechselbrücke im Schnitt von den eigenen Paketen belegt werden und ob und welche mautpflichtigen Bundesstraßen für die Route genutzt werden müssen.“ Aus diesem Grund werde man genau „hinterfragen“, welche Annahmen der Berechnung einer eventuell geforderten Erhöhung zugrunde liegen.

Stichtag: Speditionen haben sofort Preise erhöht

Silke Weiland, Abteilungsleiterin Logistik und Service, B.Com

Silke Weiland, Abteilungsleiterin Logistik und Service, B.Com: „Es ist davon auszugehen, dass die Spediteure die Maut anteilig weitergeben“

(Bild: B.com)

Auf jeden Fall könne die Abteilungsleiterin keine Aussagen über die Höhe künftiger Versandpreise machen. Wenn überhaupt, dann sehe sie allenfalls eine „minimale Erhöhung“ auf den Handel zukommen. Ähnlich auch die Reaktion vom TK-Distributor Komsa AG in Hartmannsdorf. Dort könne man aufgrund „langfristiger Verträge die Preise für unsere Kunden stabil halten beziehungsweise kompensieren intern moderate Preiserhöhungen“, erklärt Firmensprecherin Katja Förster.

Immerhin haben bereits „einige wenige Frachtführer“, am Stichtag 1. August die Preise erhöht. Förster: „Die gesetzliche Maut bietet dafür eine einfache Argumentation: Gesetz ist Gesetz“. Eine Erfahrung, die man ebenfalls bei Tech Data gemacht hat. Auch dort seien die ersten Speditionen pünktlich zum 1. August mit Preisaufschlägen vorstellig geworden und „haben Frachtratenanpassungen vorgenommen, die die Lkw-Maut-Einführung berücksichtigen“.

Judith Kiesel, Produktmanagerin DexxIT: „Kontinuierliche Preissteigerungen für Rohöl führte häufiger zu Preisanpassungen durch Speditionen“

(Bild: Dexxit)

Unabhängig von jenen Frachtbetrieben, die mit Monatsbeginn teurer wurden, kündigten laut Komsa-Sprecherin Förster „andere an, das in absehbarer Zeit zu tun oder darüber zu verhandeln“. Was wiederum Judith Kiesel vom Spezialdistributor DexxIT in Würzburg nur bestätigen kann. „Wie hoch diese ausfallen, ist noch unbekannt“, antwortet die Produktmanagerin gegenüber Heise resale. Dabei treibt nicht allein die Maut die Frachtkosten in die Höhe. Vielmehr führen die Spediteure und Logistiker steigende Spritpreise, Personalkosten, begrenzte Laderaumkapazitäten und anderes mehr als Grund für die höheren Gebühren an. Das fatale daran ist, dass es durch „Preissteigerungen für Rohöl weitaus häufiger zu Preisanpassungen seitens der Speditionen kommt“, wie Produktmanagerin Kiesel feststellt. Auf jeden Fall halte DexxIT seine derzeitigen Frachtkostenmodelle bei. „Wir möchten unseren Kunden auch weiterhin wettbewerbsfähige Preise ermöglichen, deshalb geben wir die Preissteigerungen nicht weiter.“

Ungeachtet dessen erkennt Komsa-Sprecherin Förster in der Maut einen festen Einnahmeposten des Staates. Denn würde diese Abgabe wegfallen und damit „eine Einnahmequelle des Staates versiegen“, käme es zwangsläufig zu einer Erhöhung anderer Steuern im Transportsektor. Zudem könne auf den Güterverkehr auf der Straße nicht verzichtet werden. „Das ist eine Voraussetzung für schnelle Lieferungen.“ Und wenn die Einnahmen aus der Mau in den Ausbau der Infrastruktur investiert werde und dadurch die Transportwege und Zeiten effizienter werden, dann sei dies ein akzeptables Finanzierungsmodell. „Aber wie bei allem, die Dosis entscheidet darüber, ob sie als Medizin oder Gift wirkt“, fügt sie hinzu.

Versandkosten: Hoffnung auf geringen Zuschlag

Entwarnung auf breiter Front gibt Frank Beyer, Director Logistic der First Flash GmbH in Braunschweig. So stellt er fest, dass die Transportdienstleister die Kostenerhöhung durch die zusätzliche Maut nicht an die Logistikgesellschaft der Distributoren Devil und COS weitergeben würden. „Somit gibt es keine neuen Einkaufsverhandlungen unsererseits und somit keine Erhöhung der Frachtkosten für unsere Kunden.“ Im Übrigen erwartet Beyer durch die Maut auf Bundesstraßen nur geringe Auswirkungen auf den Einnahmebereich. „Mögliche Ausweichverkehre werden weiterhin entsprechende Wege suchen“, befürchtet er.

Und wenn der Fachhandel trotzdem mit höheren Versandkosten rechnen müsse, dann erwartet DexxIT-Managerin Kiesel „keine riesigen Preiserhöhungen“. Außerdem könnte ihrer Ansicht nach die neue Maut einen Zusatznutzen haben: Geringere Verkehrsbelastung auf den betroffenen Bundesstraßen und dadurch höhere Lebensqualität.

Wolfgang Kühn, Handelsexperte

Wolfgang Kühn, freier Autor und IT-Handelsexperte

Wer zahlt die Zeche?

Versandkosten sind immer ärgerlich. Ob Endkunde oder Händler. Keiner zahlt gern auf den eigentlichen Verkaufspreis noch was drauf. Nur, irgendwer muss die Zeche zahlen. Im Transportgewerbe herrscht Hauen und Stechen. Trotz steigendem Frachtaufkommen. Und nicht nur wegen der Konkurrenz aus den osteuropäischen Staaten. Da wird mit jedem Cent gerechnet. Greift der Staat mal wieder zu, werden Ausweichrouten gesucht. Wenn es sein muss, fährt der 40-Tonner halt mautfrei mitten durch die Pampa.
Aber da sind sie ohnehin schon, vom Sprinter bis zum 40-Tonner. Der Preisdruck zwingt halt zum Sparen. Jeder will Anlieferung möglichst innerhalb von 24 Stunden. Bis in den hintersten Winkel dieser Republik. Und das Ganze möglichst für lau. Doch das funktioniert nicht. Sprit, Steuern, Personal, Maut und, und, und.

Also zahlen die Verbraucher zähneknirschend Versandkosten. Viele Fachhändler hingegen sehen solche Kosten als K.O. Kriterium bei der Wahl ihrer Lieferanten. Nur: Die Distribution rechnet ebenfalls mit spitzem Bleistift. Nicht mit jedem Cent, aber mit jedem Euro. Da geht’s ohne Versandkosten allenfalls vorübergehend.

Deshalb werden Grossisten hellhörig, wenn die Frachtbetriebe mit neuen Forderungen daher kommen. Sie können die Zusatzkosten nicht auffangen, aber auch nicht in vollem Umfang auf die Versandkosten aufschlagen. Da ist ein monetärer Spagat gefragt. Deshalb muss sich die Transportbranche bei ihrem Verlangen auf ein Mindestmaß beschränken. Sonst bleibt die Zeche bei der Distribution und beim Fachhandel hängen. Das wäre fatal. (gs)