Nie wieder sprachlos

Von unsachlichen oder gar aggressiven Verbalattacken durch Kunden und Kollegen werden wir meist "kalt erwischt". Dabei ist es in dieser Situation besonders wichtig, souverän zu reagieren.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Auch wenn der Kunde sich nicht über Sie, sondern über das kaputte Produkt oder die Kollegen vom Service geärgert hat: deshalb "niedergebügelt" zu werden, trifft Sie persönlich. Vor allem, wenn der Angriff darauf abzielt, Sie lächerlich zu machen oder inkompetent aussehen zu lassen, ist es schwierig, selbst sachlich zu bleiben – oder überhaupt etwas zu erwidern. Oft bleiben wir bei solchen Entgleisungen unseres Gegenübers aber auch einfach nur sprachlos zurück.

Ob wir wollen oder nicht: solche Angriffe wühlen uns emotional auf und hinterlassen deutliche Spuren. Insbesondere, wenn die Bloßstellung vor anderen Kollegen oder Kunden geschah und wir im entscheidenden Moment die "richtige" Antwort nicht parat hatten. Dann wird die Situation im Kopf immer und immer wieder durchgespielt. Neben den schlaflosen Nächten, die dieses Kopfkino zur Folge hat, setzt sich in unserem Gehirn auch noch die Angst vor dem nächsten Angriff fest. Selbstzweifel nagen am Ego, die Angst beim nächsten mal wieder zu versagen, wird übergroß.

Bevor die Angst zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wird, muss man schnell gegensteuern. Denn wenn Sie die Unsicherheit erst verinnerlicht haben, werden Sie sie auch ausstrahlen – das macht Sie zum perfekten Opfer für Leute, die sich daran hochziehen, andere zu demütigen. Außerdem würden Sie diesen Leuten sehr viel Macht über Ihr Leben und Ihr "Kopfkino" geben. Das ist sicher nicht das, was Sie wollen.

Nun ist es aber leider auch eine Tatsache, dass man solchen Angriffen nicht komplett aus dem Weg gehen kann. Es wird immer Menschen geben, die sich – ob aus einer charakterlichen oder nur einer momentanen Schwäche heraus – zu solchen Entgleisungen hinreißen lassen werden. Entscheidend ist, wie Sie darauf reagieren.

Den Angriff nicht persönlich zu nehmen, ist ein Tipp, den man in diesem Zusammenhang sehr häufig hört. Tatsächlich sollten Sie sich eine gewisse Toleranz bzw. ein dickes Fell zulegen, wenn es um die Meinungen anderer Menschen geht. Wenn Sie wissen, dass Ihr Gegenüber nur versucht, Sie zum Sündenbock abzustempeln oder seine schlechte Laune bei Ihnen abladen will, dann ist Ihnen auch bewusst, dass es nicht wirklich um Ihre angeblichen Schwächen geht. Das ist ein wichtiger Schritt, um die emotionalen Folgen solcher Angriffe abzuschwächen.

Allerdings bedeutet das keinesfalls, dass Sie Angriffe schulterzuckend hinnehmen sollten. Im Gegenteil. Sie sollten sich wehren und damit deutlich machen, dass Sie als "Opfer" sicher nicht zur Verfügung stehen. Doch der erste Schreck über die Verbalattacke blockiert uns meistens, so dass uns eine geistreiche und kluge Antwort in den ersten (Schreck-)Sekunden einfach nicht einfallen will. Verkaufstrainer Ingo Vogel rät dazu, diese mit Zwischenfragen zu überbrücken und so Zeit zu gewinnen, um sich selbst wieder zu ordnen. "Wie bitte? Wie meinen Sie das? Wie kommen Sie darauf?" und ähnliche Standards seien wunderbar dazu geeignet, denn der Gegenüber müsse zunächst darauf antworten und sogar noch Argumente für seinen Angriff vorbringen. Allein das bringt ihn vielleicht schon aus dem Konzept. Fällt die Antwort sachlich aus, dann kann man sich mit der Begründung tatsächlich ernsthaft auseinandersetzen, aber immerhin sind die Aggression und die Emotion dann raus.

Giftet der Angreifer weiter und verweigert eine sachliche Antwort, kann man ihn mit weiteren Nachfragen in die Enge treiben. Ingo Vogel rät außerdem dazu, provozierende Aussagen aufzugreifen und zu bestätigen und sogar zu überziehen. Ein "Stimmt, darauf lege ich großen Wert" an einer Stelle, an der Ihr Gegenüber eine verzweifelte Verteidigung erwartet, dürfte ihm den Wind aus den Segeln nehmen und seine Behauptung sogar in Lächerliche ziehen.

Apropos lächerlich: nichts ist entwaffnender, als eine gute Prise Humor. Wenn Sie über sich selbst und den anderen lachen können, wirken Sie sympathisch und der andere verkrampft. Der Versuch, Sie lächerlich zu machen, geht nach hinten los, sobald Sie die Lacher auf Ihrer Seite haben. Einen solch entspannten Eindruck zu machen, erfordert allerdings tatsächlich sehr viel Selbstbewusstsein und vor allem Übung. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)