Pflegenotstand

Häufig fehlen in Software-Pflegeverträgen elementare Regelungen, sogar zur Laufzeit des Vertrags. Welch gravierende Folgen dies für den Anwender haben kann, zeigt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Eine Baufirma hatte 1992 eine branchenspezifische Software gekauft und mit dem Hersteller einen Software-Pflegevertrag abgeschlossen. Der lieferte 1997 eine neue Programmversion. Zwei Jahre später schickte er wegen der anstehenden Jahrtausendwende und Währungsumstellung ein weiteres Update. Außerdem vereinbarten er und der Anwender den Einsatz der Software an weiteren Standorten der Baufirma.

Dann kündigte die Softwarefirma an, dass sie ab 2004 die Software nicht mehr pflegen werde. Als Reaktion darauf bezahlte die Baufirma die Pflegevergütung für 2002 und 2003 nicht mehr. Sie wollte sich ein Nachfolgesystem anschaffen und dessen Kosten gegen die noch geschuldete Vergütung aufrechnen. Der Hersteller beantwortete dies mit der Einstellung der Pflege ab April 2003 und klagte die nicht gezahlte Vergütung für 2002 und 2003 ein. Das Landgericht Koblenz gab ihm Recht; das OLG Koblenz wies die Berufung der Baufirma zurück [1].

Es sah in der Erklärung des Herstellers, ab 2004 keine Pflegeleistung mehr zu erbringen, eine vertragsgerechte Kündigung des Pflegevertrags, denn die allgemeinen Geschäftsbedingungen sahen vor, dass der Pflegevertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des Vertragsjahres gekündigt werden konnte. Diese Bestimmung war nach Meinung des Oberlandesgerichts auch wirksam. Die Baufirma hatte sich zwar darauf berufen, dass explizit gar keine Kündigung ausgesprochen worden war. Das Gericht sah aber die Ankündigung zur Einstellung der Pflege als Kündigung an. Es konnte auch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB beziehungsweise § 307 BGB) erkennen, denn seiner Meinung nach können nur bestimmte Umstände wie ein schon bei Vertragsschluss absehbarer Anpassungsbedarf ein Kündigungsrecht des Pflegeverpflichteten einschränken.

Wenn es nicht ausdrücklich vereinbart worden ist, so das Oberlandesgericht, besteht grundsätzlich keine generelle Pflicht, die Software über den gesamten Lebenszyklus zu pflegen. Der Hersteller darf folglich einen Pflegevertrag kündigen.

Das Gericht lehnte auch die Auffassung ab, nach der eine Pflegeverpflichtung für die Zeit angenommen wird, die der Gewährleistung für die noch am Markt angebotene, also verfügbare, Software entspricht. Allenfalls könne der Anwender erwarten, dass für den Lebenszyklus des bei ihm eingesetzten Programms – also etwa fünf Jahre ab Nutzungsbeginn – die Pflege sichergestellt sein muss. Zu rechtfertigen sei dies mit dem Gedanken, dass der mit dem Erwerb einer Software intendierte Vertrags- und Leistungszweck der Nutzungsmöglichkeit der Software über eine bestimmte Zeit gesichert sein müsse.

Die hier eingesetzte Programmversion rühre aber vom Jahr 1997 her, denn 1999 seien nur punktuelle Anpassungen wegen des anstehenden Jahrtausendwechsels sowie der Währungsumstellung erfolgt, ohne dass dies zu einer neuen Softwareversion geführt habe. Demzufolge wäre eine Kündigung des Pflegevertrags sogar schon für Ende 2002 zulässig gewesen, wenn man dem Anwender einen Anspruch auf Pflege für einen Zeitraum von fünf Jahren ab Nutzungsbeginn zugestehen wollte.

"Wenn man wollte!", aber selbst das geht dem Oberlandesgericht zu weit: Es obliege allein den Vertragsparteien, Kündigungsmöglichkeiten auszuhandeln und zu vereinbaren. Zur Bestätigung verweist es auf die "Besonderen Vertragsbedingungen für die Pflege von DV-Programmen" öffentlicher Dienststellen (BVB-Pflege), die ebenfalls von einer kurzfristigen Kündbarkeit ausgehen und die von den Firmen und Organisationen intensiv ausgehandelt seien und daher belegten, dass in diesem Marktsegment kein berechtigtes Vertrauen bestehe, dass die Pflege für den Lebenszyklus der Software garantiert sei.