Reform des Insolvenzrechts geplant – was hat die letzte eigentlich gebracht?

Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) hat die einzelnen Stufen der geplanten Insolvenzrecht-Reform kommentiert. Basis für die Wertung sind die Ergebnisse der letzten Reform.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Das Insolvenzrecht soll reformiert werden. Laut Bundesjustizminsterin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger soll die Reform in drei Stufen ablaufen. Noch in diesem Herbst will man sich den Sanierungsvarianten Insolvenzplan und Eigenverwaltung widmen. In einer zweiten Stufe soll das vereinfachte bzw. Verbraucherinsolvenzverfahren reformiert und die Zeitdauer bis zur Restschuldbefreiung halbiert werden. 2011 soll die dritte Stufe folgen, für die ein vorinsolvenzliches Reorganisationsverfahren und die Möglichkeiten einer Konzerninsolvenz im Gespräch sind.

Vor allem die sogenannte "Stufe 1" der Reform wird heftig vom Institut für Mittelstandsforschung (IfM) und anderen Experten kritisiert. Denn sie beinhaltet eine Art "Gläubiger-Ranking", bei dem dem Fiskus eine privilegierte Stellung zugedacht ist, so dass Forderungen des Staates vorrangig bedient werden. Damit wird allerdings auch die bisherige Gleichstellung aller Gläubiger aufgehoben. Außerdem fehlen die damit an den Staat abgeführten Finanzmittel dem Unternehmen bei der möglichen Sanierung, so die Kritik des IfM. Dabei sollte gerade der Sanierungsweg weiter gestärkt werden, denn dieser Weg weise vergleichsweise hohe Rückzahlungsquoten auf.

Der besseren Akzeptanz von Sanierungslösungen soll auch der geplante Eingriff in die Eigentümerrechte (debt-to-equity-swap) dienen. Daran hat das IfM nichts auszusetzen, im Gegenteil: Dieser habe den Vorteil, dass die Schuldner nicht nur von einer Wertsteigerung ihrer Anteile profitieren, sondern sich ebenfalls an einer Sanierungslösung beteiligen könnten, heißt es.

Bei der zweiten Stufe der Reform geht es um die Regelung der Altschuldverhältnisse. Ein vereinfachtes Verfahren soll einem Schuldner durch eine schnellere Altschuldenentlastung den wirtschaftlichen Neustart vereinfachen. Begrüßenswert, sagt das IfM, denn das würde die hohe Arbeitsbelastung der Gerichte etwas entzerren. Außerdem hätten verschiedene Untersuchungen gezeigt, dass Gründungsprojekte von zuvor bereits einmal gescheiterten Unternehmern ähnlich erfolgreich sind wie die Projekte von Erstgründern. Allerdings seien beim Thema Altschuldbefreiung die Interessen der Re-Starter und die der Gläubiger gegeneinander abzuwägen.

Auch ein vorinsolvenzliches Reorganisationsverfahren, wie sie die Stufe 3 ab 2011 vorsieht, halten die Forscher für sinnvoll, da sie eine hohe Bedeutung für die Insolvenzvermeidung haben. So zeige sich auch in der Untersuchung des IfM Bonn, dass die Deckungsmasse umso niedriger ist, je später die Sanierungsbemühungen einsetzen. Allerdings würden die bislang bekannt gewordenen Vorschläge für solch ein Reorganisationsverfahren vor allem auf größere Kapitalgesellschaften abzielen. Soll das neue Verfahren auch für kleine und mittlere Unternehmen attraktiv sein, sind mittelstandsspezifische Aspekte, wie sie sich beispielsweise aus der Einheit von Eigentum und Leitung ergeben, bei der Ausgestaltung des Verfahrens zu beachten, mahnt das IfM.

Hintergrund der Kommentare zur neuen Reform durch die IfM-Forscher ist eine aktuelle Untersuchung zu den Auswirkungen der Insolvenzrecht-Reform im Jahr 1999. Diese sollte u.a. mehr insolventen Unternehmen eine Fortführung der Tätigkeit ermöglichen. Ob das Ziel tatsächlich erreicht werden konnte, war bisher mangels repräsentativer Daten aber nicht zu überprüfen. Erst vor kurzem gelang es dem IfM Bonn in Zusammenarbeit mit der Landesregierung Nordrhein-Westfalen repräsentative Daten zu sammeln und auszuwerten. Zwar betreffen die Daten nur Unternehmen in NRW, aber es ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse auch auf andere Bundesländer übertragbar sind.

Die Ergebnisse: In den Jahren 2004 und 2005 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 15.500 Insolvenzverfahren für Unternehmen (darunter 10.000 Einzelunternehmen und Freiberufler) eröffnet. Davon war Ende 2008 weniger als die Hälfte (45%) abgeschlossen. Insbesondere die Verfahren von Kapitalgesellschaften erwiesen sich als langwierig. Gläubiger von größeren Unternehmen müssen in der Regel länger als 4 Jahre auf das Verfahrensende und damit auch auf ihr Geld warten. Immerhin gab es in 87 Prozent der Fälle noch etwas zu verteilen, nur 11 Prozent der Fälle wurde nach der Eröffnung des Verfahrens mangels Masse wieder eingestellt. Leider nutzten nur 53 Firmen und damit gerade mal ein Prozent den Insolvenzplan als möglichen Sanierungsweg. Als Begründung wurden Unkenntnis und Vorbehalte ausgemacht. Dabei erlaubt der Insolvenzplan den Gläubigern eine einvernehmliche Lösung abweichend von der gesetzlichen Verwertungsnorm und ist häufig auch von Erfolg gekrönt.

Weitere Erkenntnis: Nicht Unkenntnis oder versuchte Täuschung stecken hinter einem späten Insolvenzantrag (bei 40% erfolgte dieser erst, als das Unternehmen schon längst stillgelegt war). Es ist die Angst vor der Stigmatisierung, man will nicht als gescheitert gelten. Gerade Einzelunternehmen scheuen deshalb noch immer den frühen Gang zum Insolvenzgericht. Doch auch bei jeder vierten Kapitalgesellschaft wurde der Insolvenzantrag erst mit dem eingeleiteten Marktaustritt gestellt. Das hat allerdings auch zur Folge, dass in den meisten dieser Fälle kaum noch Fortführungsaussichten im Insolvenzverfahren bestanden. Waren die Unternehmen zum Antragszeitpunkt noch aktiv, stieg die Fortführungsaussicht auf fast 25 Prozent. Allerdings blieben die wenigsten dieser Firmen unter alter Leitung, meistens wurden sie an einen neuen Investor verkauft.

Die Rückzahlungsaussichten sind insbesondere für unbesicherte Forderungen gering. Bei Unternehmen, die bereits vor dem Insolvenzantrag stillgelegt waren, wurden im Schnitt nur 3 Prozent der Forderungen bedient. Werden die Unternehmen zumindest zeitweise während der Verfahren fortgeführt, steigt die Deckungsquote deutlich an. So konnten in den Verfahren mit übertragender Sanierung im Durchschnitt 10 Prozent der Forderungen und bei Insolvenzplanverfahren 14 Prozent getilgt werden. Bei Unternehmen, die im Verfahren geschlossenen wurden, lag die mittlere Deckungsquote ebenfalls bei 10 Prozent.

Kritik übten die Ifm-Forscher allerdings an der Insolvenzverwaltung: So ließ die in den Eröffnungsgutachten dargelegte Fortführungsprognose nur in wenigen Fällen darauf schließen, dass die Sanierungschancen umfassend geprüft wurden. Hier seien intensivere Sanierungsprüfungen durch die vorläufigen Insolvenzverwalter einzufordern und die Richter sollten sich nicht mit pauschalen Formulierungen zufrieden geben, fordern die Experten. Auch die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Vermögensverwertung und die vergleichsweise hohen Verfahrenskosten wurden bemängelt: von den Kosten entfällt der höchste Teil auf die Honorare und die Auslagen der Insolvenzverwalter. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)