SOHO-Telefonanlagen: Erfolgreiche Dinosaurier

Allen Unkenrufen zum Trotz: Weder ISDN-Anschlüsse, noch die oft zugehörigen Telefonanlagen für den SOHO-Bereich sind derzeit vom Aussterben bedroht. Vor allem für die Anforderungen kleiner Firmen und Freiberufler bieten die Systeme nahezu alles. Für den Handel ist das zwar kein Riesengeschäft, kann mit Ideenreichtum aber ein solides Standbein darstellen. Heise resale bietet einen Überblick über Verkaufsstrategien und aktuelle Modelle.

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  • Folker LĂĽck
Inhaltsverzeichnis

Funkwerk-Produktmanager Theo Mossdorf: Zunehmende Aktivität bei IP-Centrex, nicht jedoch im SOHO-Bereich

(Bild: Funkwerk)

Die Konkurrenz der klassischen Telefonanlage kommt aus dem Netz und ist längst am Start: "Die rund zwei Millionen mittelständischen Unternehmen in Deutschland könnten durch den Einsatz virtueller Telefonanlagen über 1,37 Milliarden Euro einsparen, wenn sie ihre Telefonanlage outsourcen würden", lässt die vor drei Jahren gegründete Münchner nfon AG den Wirtschaftsprofessor Dr. Jens Böcker verkünden, den sie mit einer Studie zum Thema "Virtuelle Telefonanlagen" beauftragt hat. Nfon-Kunden können eine virtuelle Anlage im Netz mieten, die Bedienung erfolgt browserbasiert. Passende Telefone fürs Büro kann man gleich mitbestellen, ansonsten ist ein Routeranschluss notwendig. Auch der Marktriese Vodafone ist inzwischen auf den Zug aufgesprungen und bietet mit "Office Net" eine virtuelle Telefonanlage an. Der Kölner Netzbetreiber QSC startete bereits 2007 seine Lösung "IPfonie centraflex". In den USA haben IP-Centrex-Lösungen im Bürobereich einen Marktanteil von rund 25 Prozent erobert, in Deutschland handelt es sich bislang noch um eine eher homöopathische Größenordnung in Höhe von 1,5 Prozent. Dem gegenüber stehen weiterhin Millionen ISDN-Nutzer: Allein die Deutsche Telekom zählte zuletzt 7,9 Millionen Anschlüsse. Als echte Bedrohung betrachten die TK-Hersteller die Anlagen-Alternativen folglich noch nicht: " Wir bemerken zwar die allgemein zunehmende Aktivität der Netzbetreiber im Bereich IP Centrex, doch dies betrifft derzeit hauptsächlich die größeren Bereiche, nicht das SOHO-Segment", erläutert Theo Mossdorf, Produkt Manager bei Funkwerk Enterprise Communications. Kurzum: Hunderttausende Kleinunternehmen und Mittelständler setzen weiter auf die ganz konventionelle Lösung, nämlich ISDN-Anschluss plus Telefonanlage. Heise resale hat einen Blick auf den Markt geworfen und stellt aktuelle Lösungen und Verkaufsstrategien vor.

Einfach zu beackern ist dieses Marktsegment für den qualifizierten Fachhandel nicht: Groß ist die Konkurrenz durch den Internetvertrieb der Netzbetreiber und deren Shops. Auch Flächenmärkte konkurrieren – vor allem dann, wenn es dem Kunden ausschließlich um die Beschaffung billiger, neuer Hardware geht. Wie man trotzdem etwas Geld verdienen kann, weiß ein Fachhändler aus dem Rheinland: "Meist überrede ich den Kunden gezielt zum Anbieterwechsel und dann erhalte ich relativ unkompliziert vom Netzbetreiber eine Provision für den neuen Vertrag". Umfangreiche Beratung lohne sich für ihn hier nicht, denn der passende Router einschließlich Telefonanlage komme fast immer direkt vom Carrier. "Die Marge aufbessern kann ich nur durch ein besonderes Endgerät, wie etwa ein höherpreisiges DECT-Telefon", meint der Ladenbesitzer.

Michael Dopmeier, Leiter indirekter Vertrieb bei AVM: "Markt für reine Telefonanlagen fällt stark ab."

(Bild: AVM)

Erfahrene Fachhändler hören beim Kunden sehr schnell heraus, ob nicht doch noch ein etwas größerer Auftrag herausspringen kann: Nicht selten entpuppt sich der vermeintliche Privatkunde im Gespräch tatsächlich als Steuerberater, Anwalt oder Werkstattbesitzer, der gerade eine Lösung für sein neues Büro sucht. In solchen Fällen ist es töricht, allein an die vermeintlich margenschwache Telefonanlage zu denken. Denn oft geht es letztlich auch um die Vernetzung mehrerer PC via Kabel oder WLAN, um eine vernünftige Backup-Lösung, oder um eine neue Türsprechanlage samt Alarmsystem.

Damit bei dem Geschäft mit den kleinen TK-Systemen mehr herausspringt als eine Marge im zwei- oder schmalen dreistelligen Euro-Bereich, sind Ideen und etwas Verkaufstalent gefragt. "Der Reseller muss seine Vorteile ausspielen: Die große Stärke des Handels, etwa im Vergleich zu Internetshops, ist Beratung. Wer geschickt ist, verbindet das mit einem Vor-Ort-Service und weiteren Dienstleistungen, wofür der Kunde auch Geld ausgibt. Auch Cross Selling mit Zubehörprodukten und Bundles mit neuen Anschlüssen machen das Geschäft lukrativer", sagt Lutz Hirschmann, Marketingleiter des Bielefelder Herstellers Agfeo. Dieser Vorgehensweise stimmt auch Michael Dopmeier, Leiter indirekter Vertrieb bei AVM, zu. Das Geschäft mit reinen TK-Systemen hält er dennoch für gefährdet: "Der Markt für reine Telefonanlagen fällt im Abverkauf stark ab. Auch bei kleinen Systemen haben die Kunden heute deutlich höhere Ansprüche. Die große Mehrheit will ein multifunktionales Gerät, das neben der klassischen Anlage vom Anrufbeantworter über eine Fax-Lösung bis zur NAS-Funktionalität alles beherrscht", gibt Dopmeier zu bedenken. Die Verkaufszahlen der multifunktionalen "Fritz!Box" geben ihm da sicher recht.

Mit Schnittstelle zur Haustechnik: TK-Anlage "AS 181 plus EIB" von Agfeo

(Bild: Agfeo)

Preislich beginnen die aktuellen Lösungen (siehe Tabellen) für den Endkunden bei kaum mehr als hundert Euro – entsprechend dünn ist dann der Verdienst. Die Anbieter Agfeo, Auerswald, Funkwerk (Elmeg) und auch die Deutsche Telekom haben allerdings auch größere Systeme im Angebot, die teilweise mit 600 Euro und mehr zu Buche schlagen. Die Funktionalität der Systeme zielt dabei meist auf die Anforderungen der Kern-Zielgruppe: Kleinbetriebe, Arztpraxen oder Anwaltskanzleien. Dennoch kann auch der technisch interessierte Häuslebauer potenzieller Käufer eines solchen Systems sein. Etwa dann, wenn aufgrund der EIB-Schnittstelle auch die Haustechnik mittels TK-Anlage gesteuert werden kann. Eine solche Lösung bietet beispielsweise Agfeo mit der Anlage "AS 181 plus EIB" an.

Modular anpasspar: COMmander Basic.2-TK-Anlage von Auerswald

(Bild: Auerswald)

Grundsätzlich beherrschen die kleinen TK-Anlagen heute durchweg mehr als die Vermittlung eines Telefongesprächs: Das bekannteste Beispiel für "Vollausstattung" ist die "Fritz!Box Fon WLAN 7390" des Marktführers AVM, die serienmäßig über WLAN- und DECT-Konnektivität verfügt, darüber hinaus von Fax-Funktionen bis zum möglichen Einsatz als NAS-Server ein umfassendes Anwendungsspektrum beherrscht. Fast alle Lösungen lassen sich einfach über den Webbrowser einrichten und managen, neben den Analog-/ISDN- oder IP-Telefonanschlüssen auch der Internetzugang und/oder die interne Vernetzung. Auch die traditionellen, deutschen TK-Anlagenhersteller Agfeo, Auerswald, Funkwerk und Tiptel warten mit großer Funktionalität auf, setzen dabei aber im Gegensatz zu AVM stark auf Modularität: Nicht jedes der Systeme wird serienmäßig mit WLAN-Antenne oder DECT-Modul geliefert – fast alles kann aber optional hinzugefügt werden.

Welche technischen Features in den nächsten Jahren bei den kleinen TK-Systemen hinzu kommen werden, beurteilen die Hersteller insgesamt ähnlich: Die Voice-over-IP-Nutzung wird deutlich zulegen, selbst für ganz kleine Businessanwender wird zudem Unified Communications ein immer wichtigeres Thema. Die TK-Anlagen sollen trotz ihres Leistungsumfangs einfach konfigurierbar und bedienbar bleiben. Was der Endkunde nicht selbst einrichten kann, sollte der Handel problemlos bewältigen. Dank stark nachgefragter Schulungsveranstaltungen sind fast alle Reseller hier "fit", nennenswerte Wissenslücken bemängelt kein Hersteller.