Schnäppchen gekauft?

Das Internet gilt als Dorado für Schnäppchenjäger. Doch längst nicht bei jedem vermeintlichen "Schnapper" ist der Onlinehändler wirklich zur Lieferung verpflichtet - auch wenn das aktuelle Urteil gegen Quelle anderes suggerieren mag.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Beim Einkauf im Laden ist "kaufen" für den Kunden ein Leichtes: Hat er das Schnäppchen an der Kasse bezahlt, ist der Kaufvertrag zustande gekommen. Sollte jedoch die Ware mit einem zu niedrigen und damit falschen Preis ausgezeichnet sein, ist der Betreiber des Ladens freilich nicht gezwungen, das in der Warenvorlage des Kunden an der Kasse liegende "Kaufangebot" anzunehmen. Tut er dies nicht, kommt kein Kaufvertrag zustande. Normalerweise erfolgt dann ein neues Angebot mit dem höheren Preis durch den Kassierer. Der in den meisten Fällen verärgerte Kunde hat dann die Möglichkeit, dieses anzunehmen oder eben nicht.

Ähnlich ist das im Prinzip auch im Internet. Allerdings ist hier oft unklar, wann und ob überhaupt ein gültiger Kaufvertrag zustande gekommen ist, der den Kunden zur Zahlung des Kaufpreises und den Händler zur Lieferung der Ware verpflichtet.

Die üblichen Angebote in Online-Shops sind nun mal keine "Angebote" im juristischen Sinne, die der Kunde zum Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages eben nur anzunehmen bräuchte. Es handelt sich nach vorherrschender Juristenmeinung um eine "Aufforderung zur Abgabe eines Angebots" (lat. "invitatio ad offerendum") an eine Vielzahl von Kaufinteressenten. Mit seiner Bestellung "kauft" der Kunde die Ware daher nicht etwa, er unterbreitet dem Händler vielmehr ein Kaufangebot. Der hat nun die Wahl, ob er dieses Angebot annehmen will oder nicht. An dieser Stelle hätte dann die Schnäppchenjagd in den meisten Fällen schon ein Ende, sofern der Shopbetreiber eine Bestellung einer falsch ausgezeichneten Ware einfach unterbricht.

Einfach "kaufen"?

Dies hört sich zunächst einfach an. Jedoch verfügen die meisten Online-Shops über eine Bestellroutine, die automatisch auf eine abgeschickte Bestellung antwortet: "Ihre Bestellung ist angekommen". Bei der Formulierung dieser "Eingangsbestätigungen" muss der Shopbetreiber höchste Vorsicht walten lassen, um dem Kunden nicht versehentlich doch bereits in diesem Moment eine "Angebotsannahme" zu signalisieren.

Die automatischen Bestätigungen einfach aus der Bestellroutine herauszunehmen ist jedoch auch keine Lösung. Schließlich ist man als Online-Händler gegenüber Verbrauchern gesetzlich verpflichtet, den Eingang der Bestellung unverzüglich zu bestätigen. Andernfalls setzte man sich möglicherweise wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen aus. Schadenersatzforderungen von Kunden scheiden bei Verletzung dieser Informationspflicht aufgrund fehlender Benachteiligung des Kunden aber eher aus. Die automatisierte Eingangsbestätigung durch eine manuelle Bestätigung zu ersetzen, ist in den meisten Fällen aufgrund des hohen Bestellaufkommens und des entsprechenden Bearbeitungsaufwands unpraktikabel. Zudem ist dieses Verfahren noch fehleranfälliger.

Um Verwirrung und unnötigen (Rechts-)Streit von vornherein zu vermeiden, sollte man den Kunden klar und verständlich darauf hinweisen, dass mit der Eingangsbestätigung eben nicht der Wunsch zum Vertragsschluss auf der Händlerseite gemeint ist, sondern die Annahmeerklärung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Diese Aufklärung sollte sowohl vor Bestellung als auch in der Eingangsbestätigung erfolgen. Dann kann der Shopbetreiber bis zu dem dort benannten Zeitpunkt eine Annahmeerklärung und somit eine Lieferverpflichtung vermeiden. Die meisten Händler erklären die Annahme des Kaufangebots üblicherweise erst mit der Lieferung der Ware. Ihrer Aufklärungspflicht vor dem Kauf kommen sie zumeist in den AGB nach, deren Kenntnisnahme der Kunde üblicherweise bei der Bestellung bestätigen muss.

Irrtum!

Sofern der Shopbetreiber die Eingangsbestätigung unpräzise oder zu verbindlich formuliert, ist Ärger vorprogrammiert. Schließlich suggeriert der Händler dem Kunden dadurch fälschlicherweise eine Annahme des Kaufvertrags. Trotzdem begründet dies im Zweifel immer noch keine Lieferverpflichtung. Der Händler hat auch danach noch die Möglichkeit, den versehentlich geschlossenen Vertrag aufgrund eines Irrtums anzufechten. Kann der Händler den "Irrtum" schlüssig belegen, wird der Kaufvertrag ungültig.

Voraussetzung dafür ist dafür allerdings, dass man als Händler schnell handelt. Unverzüglich nach Bemerken der fehlerhaften Preisauszeichnung muss eine Anfechtungserklärung gegenüber dem Kunden abgegeben werden. Je nachdem, wo der Fehler lag, kann das sogar noch nach einer bereits versandten Zahlungsaufforderung und sogar nach der daraufhin erfolgten Zahlung des Kunden erfolgen.

Der Händler muss dazu aber nachweisen, dass der Fehler erst so spät aufgefallen ist. Dies wäre beispielsweise bei einem vollautomatisierten Bestellablauf denkbar, wo sich letztinstanzlich die Buchhaltung über die geringen Einbuchungsbeträge wundert oder einem Mitarbeiter die ungewöhnlich hohe Zahl der eingehenden Bestellungen bei einem bestimmten Artikel auffällt. Die Beweislast hierfür liegt aber gänzlich beim Händler, was gegebenenfalls zu einer ausführlichen Darlegung vor Gericht führen kann. Man sollte als Online-Händler also ein waches Auge auf ungewöhnliche Vorgänge haben und seine Mitarbeiter auch dementsprechend sensibilisieren. Schließlich muss sich der Händler das Handeln seiner Mitarbeiter zurechnen lassen. Im schlimmsten Fall läuft die Anfechtungsfrist durch die Unaufmerksamkeit der Mitarbeiter ab, und der geschlossene Vertrag sowie entsprechende Lieferverpflichtung bleiben bestehen.

Nicht trödeln!

Eine verschleppte Reaktion nach Entdecken des Fehlers hat auf die Anfechtungsfrist fatale Auswirkungen, wie die Quelle-Urteile des Amtsgerichts Fürth zeigten (Az.: 360 C 2779/08 und 310 C 2349/08 ). Das Gericht verpflichtete den Versandhändler zur Lieferung von Flachbildfernsehern zu einem Zehntel des tatsächlichen Preises. In diesen Fällen sei, so urteilten die Richter, ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Sie waren der Auffassung, Quelle habe zwar nicht mit der automatisch generierten Eingangsbestätigung wohl aber mit einer zweiten – auf die Bestellbestätigung folgenden – Anzahlungsaufforderung per Post den Abschluss eines Kaufvertrages über LCD-Fernseher per Vorkasse angeboten. Mit der Bezahlung durch den Kunden sei dieses Angebot schlüssig angenommen und der Vertrag zustande gekommen – zu den offensichtlich falschen Preisen.

Quelle berief sich in dem Verfahren vergeblich auf eine wirksame Anfechtung aufgrund eines Irrtums. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Quelle bereits am Tag der Bestellungen, und damit noch vor Generierung automatischer Schreiben, von dem Fehler gewusst habe und dies hätte unterbinden können. Ein Irrtum und damit auch ein Anfechtungsgrund hätte zum Zeitpunkt des Versands der Zahlungsaufforderung nicht mehr vorgelegen, sodass die Rechtzeitigkeit in diesem Fall nicht zu prüfen war.

Ein Freibrief für "Schnäppchenjäger" ist das Quelle-Urteil allerdings nicht. Selbst wenn der Händler – oder dessen Shopsystem – eine E-Mail mit einer Zahlungsaufforderung an den Kunden schickt und dieser dann sofort überweist, ist noch nicht automatisch ein Kaufvertrag geschlossen. Zum einen kann der Händler sich hier immer noch auf einen – systembedingt noch nicht bemerkten – Irrtum berufen. Zum anderen ermöglicht dem Händler ein entsprechender Passus in den AGB, die Annahme des Kaufvertrags an die Lieferung der Ware zu koppeln. Gleiches gilt für etwaige automatisierte "Zahlungsbestätigungen" oder Abbuchungen vom Kundenkonto.

Wer also als Händler tatsächlich eine Auftragsbestätigung oder sogar die Ware versendet, ist damit aber immer noch nicht automatisch zur Lieferung der Ware zum angegebenen Preis verpflichtet. Selbst jetzt kann er den Kaufvertrag noch anfechten, etwa aufgrund eines bislang unentdeckten Fehlers bei der Preisauszeichnung. Selbst wenn die Ware bereits ausgeliefert wurde, besteht unter bestimmten Voraussetzungen noch immer die Möglichkeit, den Vertrag anzufechten, wie das Urteil des Bundesgerichtshof vom 26. 1. 2005 (Az. VIII ZR 79/04) zeigt.

Der Händler ist natürlich im Falle eines Nichtzustandekommens oder der wirksamen Anfechtung des Vertrages verpflichtet, bereits erhaltene Zahlungen des Kunden zeitnah zurückzuerstatten. Darüber hinaus gehende Schadenersatzansprüche des Kunden sind in den meisten Fällen aus rechtlicher Sicht nur in engem Rahmen begründet, da grundsätzlich nur ein solcher Schaden erstattet werden muss, der im Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages entstanden ist, der sogenannte "Vertrauensschaden". Dies sind Kosten, die dem Kunden im Vertrauen auf die Erfüllung des Kaufvertrags durch den Händler tatsächlich entstanden sind. Beweispflichtig für den Umfang des Vertrauensschadens ist hier aber der Kunde.

Treu und Glauben

Es gibt aber auch noch andere Wege, um sich als Händler vor "Schnäppchen-Schmarotzern" zu schützen. Bestellt ein Kunde etwa in dem Wissen um einen Fehler bei der Preisauszeichnung eine größere Menge, so kann es sich hier um einen Verstoß gegen den in § 242 BGB verankerten, sogenannten "Grundsatz von Treu und Glauben" handeln. Es kann also zunächst durchaus ein wirksamer Kaufvertrag zustande kommen, der dann aber im Nachhinein erlischt, wenn dem Kunden treuewidriges Verhalten nachgewiesen werden kann.

Dies wäre nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg (Az. 14 U 622/09 ) der Fall, wenn der Artikel mit nur 10 Prozent des üblichen Marktpreises vergleichbarer Geräte (Flachbildschirme) ausgezeichnet wurde, ohne dass entsprechend auf ein Sonderangebot hingewiesen würde und sogar im gleichen Shop ebenbürtige Flachbildschirme maximal um circa 25 Prozent reduziert angeboten würden. Es hätte sich dem Kunden also aufdrängen müssen, dass dort "etwas nicht mit rechten Dingen" zuging. Dies würde noch dadurch unterstrichen, dass der Kunde gleich 18 dieser Geräte orderte, was zum einen unüblich sei, und zum anderen auch darauf schließen lasse, dass er einen Gewinn daraus schlagen wolle. Daher wären die Verpflichtungen aus dem Vertrag nachträglich erloschen, der Händler also nicht zur Lieferung verpflichtet. Erstaunlicherweise hatte Quelle von dieser durchaus erfolgversprechenden Verteidigungslinie keinen Gebrauch gemacht.

Was hier für den Händler gilt – die Möglichkeit der Vertragsanfechtung wegen Irrtums – gilt freilich auch für den Kunden. Auch er kann einen geschlossenen Vertrag anfechten, wenn er sich beim Vertragsabschluss über die Folgen im Irrtum befand. Auch hier kann der Händler später einen – nachweisbaren – Schaden geltend machen. (gs)