Steve Ballmer, prominentes Opfer des Peter-Prinzips

Das "Peter-Prinzip“ besagt, dass jeder Mitarbeiter in einem Unternehmen solange befördert wird, bis er die höchste Stufe seiner absoluten Unfähgkeit erreicht hat. Bei Steve Ballmer war die Stufe sehr weit oben: Erst der CEO-Posten bei Microsoft war für ihn eine Nummer zu groß. Microsoft-Aufsichtsrat und einige Großaktionäre brauchten lange, um dies zu erkennen.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber Microsoft-Chef Steve Ballmer,

Microsoft-Chef Steve Ballmer

Sie sind berühmt. Am vergangenen Freitag ließen Sie die Nachricht verbreiten, dass Sie innerhalb der kommenden zwölf Monate von Ihrem Amt als Microsoft-Chef zurücktreten werden und bewirkten damit überall auf der Welt ein gewaltiges Medienecho. Natürlich auch hier bei uns in Deutschland. Sogar die Hauptnachrichtensendungen im Fernsehen brachten minutenlange Beiträge über Sie.

Wie fühlt man sich in so einer Situation, in der die Welt über einen spricht? Und wie fühlt man sich, wenn unmittelbar nach der Ankündigung über seinen Rückzug die Microsoft-Aktie nach oben springt? (Eine völlig überzogene Reaktion, wenn Sie mich fragen. Denn inzwischen hat die Wissenschaft bekanntlich festgestellt, dass der Anteil des Chefs am Erfolg eines Unternehmens magere vier Prozent beträgt.)

Spiegel online schlagzeilte am Freitag Abend kräftig: "Der Berserker geht von Bord“. Sind Sie ein Berserker, lieber Herr Ballmer? Als Berserker wird in mittelalterlichen Quellen ein im Rausch kämpfender Mensch bezeichnet, der keine Schmerzen oder Wunden mehr wahrnimmt. Später wurden mit dem Begriff "Berserker“ Männer bezeichnet, die im Kampf der sogenannten "Schlachtenraserei“ anheimfielen, was auch als Blutrausch beschrieben werden kann. Sie waren bekannt und gefürchtet wegen ihres rücksichtslosen Vorgehens und ihrer blutigen Manöver. Sind Sie ein Berserker?

Für mich sind Sie vor allem eins: Ein weiterer Beweis für die Gültigkeit des Peter-Prinzips ("Jeder wird solange befördert, bis er die höchste Stufe seiner absoluten Unfähigkeit erreicht hat.“). Als Chief Operating Officer (COO), also als zweiter Mann hinter dem damaligen Chef Bill Gates, als Mann fürs Grobe, als Umsetzer und Durchsetzer, waren Sie große Klasse. Als CEO aber waren Sie letztlich überfordert. Wobei es natürlich nicht schlecht ist, wenn erst die CEO-Position eines der bedeutendsten Unternehmens der Welt die höchste Stufe der eigenen Unfähigkeit darstellt. Das kann nicht jeder von sich behaupten.

Viele Kommentartoren auch hier in Deutschland sagen, dass es für Ihren Rückzug höchste Zeit sei und übertrumpfen sich im Aufzählen Ihrer Fehler und Versäumnisse. Und ja, es ist richtig, Sie sind kein Bill Gates und erst recht kein Steve Jobs. Sie sind Ballmer. Sie haben Ihren Job gemacht, so gut Sie konnten. Und so lange man sie ließ. Immerhin 13 Jahre lang. (Viel zu lange, wie man heute weiß: Die optimale Amtsdauer für CEO für CEO beträgt laut aktuellen Forschungen 4,8 Jahre. Danach geht’s abwärts.) Offenbar waren Aufsichtsrat und wichtige Microsoft-Aktionäre der Meinung, dass es niemanden gab, der es besser kann als Sie. Bis neulich. Jetzt sind Sie nicht mehr erste Wahl. Die Männer hinter Microsoft glauben nun, dass es jemanden gibt, der den Job besser ausführen kann als Sie. Kleines Problem: Man muss ihn nur noch finden. Das ist ein großer Unterschied zu damals, als Sie den Chefposten von Bill Gates übernommen hatten: Jeder wusste seinerzeit, wer der zweite Mann bei Microsoft, wer der Mann hinter Bill Gates war. Jeder kannte Ihren Namen: Ballmer. Heute kennt niemand den Namen des Mannes hinter Ballmer. Ja man fragt sich sogar: Gibt es da überhaupt jemanden?

Lieber Herr Ballmer, wenn ein CEO oder Vorstandschef oder ein anderer Top-Manager seinen Rücktritt ankündigt und dann noch für eine Weile im Unternehmen bleibt, dann wird er als "Lahme Ente“ bezeichnet. Weil jedermann in der Organisation weiß, dass seine Uhr abgelaufen ist und der scheidende Manager nicht wirklich noch Dinge anstoßen und umsetzen kann. Alle warten bereits auf den neuen starken Mann und stellen sich schon innerlich darauf ein. René Obermann, offiziell noch Chef der Deutschen Telekom AG, der vor einigen Monaten ebenfalls seinen Rücktritt innerhalb eines Jahres angekündigt hatte, wird sicherlich ein Lied davon singen können. Immerhin konnte Obermann mit seinem bisherigen Vize Timotheus Höttges sogleich seinen Nachfolger präsentieren. Sie dagegen nicht. Das ist natürlich schlecht. Sind Sie eine "Lahme Ente", lieber Herr Ballmer? Ist Microsoft führungslos, bis endlich Ihr Nachfolger im Amt ist? Das wäre besonders schlecht.

Die öffentliche Bekanntgabe Ihrer bevorstehenden Demission hat aber ihr Gutes: Da nun jedermann auf dem Erdball weiß, dass bei Microsoft eine Stelle frei ist, kann sich jeder bewerben. Die Headhunter müssen also gar nicht angestrengt nach geeigneten Kandidaten suchen, es reicht völlig, die eingehenden Bewerbungen zu sortieren und zu selektieren. Auf den deutschen Facebook-Seiten haben allerdings einige Branchengrößen bereits scherzhaft abgewunken: kein Interesse an dem Job in Redmond. Begründung in allen Fällen: Microsoft habe immer Mittwochs Aufsichtsratssitzung, und da sei man bereits wegen Stammtisch, Kegeln oder Altherrenfußball verhindert.

Lieber Herr Ballmer, Sie sind berühmt, Sie sind reich (Ihr Vermögen wird auf rund 15 Milliarden Dollar geschätzt), ich hoffe, dass Sie auch gesund sind. Was will man mehr?

Beste Grüße und alles Gute!

Damian Sicking

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