Streit um Gebrauchtsoftware: Adobe hat gewonnen – UsedSoft aber auch

Seit Jahren streiten Hersteller und Händler über den Verkauf von "gebrauchter Software". Nun gibt es zwei weitere Urteile zum Thema. Klarheit haben sie nicht gebracht, im Gegenteil.

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Von
  • Marzena Sicking

Hätte der Bundesgerichtshof im September doch nur ein Urteil gefällt. Oder sich der Europäische Gerichtshof in der Zwischenzeit mal eindeutig zu der Sache geäußert. Dann hätte der Dauerstreit zwischen Herstellern und Händlern um den Weiterverkauf von "gebrauchter Software" endlich ein Ende. Dieses ist aber noch lange nicht in Sicht. Im Gegenteil. Die Ansammlung der dazugehörigen Urteile wurde um zwei neue erweitert.

Als "Sieg für den freien Software-Handel" feiert UsedSoft ein aktuelles Urteil aus der Schweiz. Das Kantonsgericht Zug (Az. ES 2010 822) hat vor wenigen Tagen den Antrag des Software-Herstellers Adobe abgelehnt, UsedSoft den Weiterverkauf von Adobe-Software zu untersagen. Die Begründung des Gerichts: "Aus der zwingenden Natur des Erschöpfungsgrundsatzes folgt, dass der Rechteinhaber die Weiterveräußerung des Programmexemplars nach dessen Erstverkauf urheberrechtlich nicht mehr verbieten kann." Für UsedSoft sei das Urteil von besonderer Bedeutung, da der Händler sein internationales Geschäft von der Schweiz aus betreibt, so UsedSoft-Geschäftsführer Peter Schneider: "Damit genießen unsere weltweiten Kunden ein deutliches Plus an Rechtssicherheit".

"Weltweite Kunden" können aber theoretisch auch welche aus Deutschland sein. Und da hat UsedSoft gegen Adobe vor dem Landgericht Frankfurt/Main gerade ein Verfahren verloren. Hier wurde der deutschen Niederlassung der weitere Vertrieb von "gebrauchten" Adobe-Softwarelizenzen untersagt. Auch soll UsedSoft 250.000 Euro an Adobe bezahlen. Damit wurde zum ersten Mal ein Gebrauchtsoftwarehändler dazu verurteilt, Schadensersatz an einen Hersteller zu zahlen (Az. 2-06 O 428/10).

Auch hat das Gericht dem Händler die weitere Verwendung seiner Notartestate untersagt. Das ist für den Händler besonders bitter, schließlich sollen diese dem Kunden ja Sicherheit vermitteln: "Alle usedSoft-Kunden bekommen grundsätzlich eine notarielle Bestätigung über den ordnungsgemäßen Einkauf der Software in Form eines notariellen Testats", heißt es dazu auf der Homepage des Händlers. Wie die Wirtschaftssozietät FPS Rechtsanwälte & Notare, die Adobe in diesem Fall vertritt, mitteilt, wurden diese vom Gericht als "irreführend" beurteilt.

UsedSoft hat angekündigt, gegen dieses noch nicht rechtskräftige Urteil Rechtsmittel einzulegen. Unternehmenssprecher Christoph Möller betont dabei, dass man dennoch das Urteil in der Schweiz für wichtiger erachte: "Deutschland ist für usedSoft nur ein Markt unter vielen. Nach dem Frankfurter Urteil darf usedSoft zwar vorläufig keine Adobe-Software in Deutschland verkaufen, wohl aber in allen anderen Ländern. Und da usedSoft seine Software über seine Einkaufsgesellschaft in der Schweiz einkauft, ist das Schweizer Urteil das für uns wichtigere. Belegt es doch die – allerdings ohnehin verbreitete – Rechtsauffassung, dass usedSoft seine Software rechtmäßig erwirbt. Ist das bestätigt, erledigt sich die Frage, ob die Software weiterverkauft werden darf, logischerweise von selbst." Naturgemäß sieht die gegnerische Partei das ganz anders.

Andererseits lässt sich aus diesem Urteil tatsächlich nichts allgemeingültiges ableiten. Der Sachverhalt des Verfahrens war der Gleiche, der auch Gegenstand der einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem LG und dem OLG Frankfurt war. Und dabei ging es um stark vergünstigte Education-Lizenzen, die ein kirchliches Rechenzentrum an UsedSoft verkauft und der Händler dann laut Adobe als gebrauchte Vollversionen verkauft hatte. Also ein "Sonderfall", wie auch UsedSoft betont.

Laut UsedSoft-Sprecher Christoph Möller müssen sich die Kunden trotz der aktuellen Niederlage vor dem deutschen Gericht jedenfalls keine Sorgen machen: "Die Rechtssicherheit von UsedSoft-Kunden in Deutschland ist davon unberührt. usedSoft verkauft keine Adobe-Software mehr, solange es kein letztinstanzliches Urteil gibt, und das kann bekanntlich lange dauern – wobei wir erwarten, dass die EuGH-Entscheidung im nächsten oder spätestens übernächsten Jahr über die Online-Frage hinaus insgesamt für Klarheit sorgt. Microsoft-Software – und hier spielt sich der Markt hauptsächlich ab – ist von der Adobe-Entscheidung zudem nicht betroffen. Beim aktuellen Adobe-Fall geht es um ein spezielles Lizenzmodell. Bei Microsoft-Software gelten weiterhin die bekannten Hamburger und Münchener Urteile, die den Weiterverkauf von Microsoft-Software auch dann für rechtmäßig erklärt haben, wenn es sich um Teile aus Volumenlizenzverträgen handelt."

Kunden und Händler müssen weiterhin auf das Urteil des EuGH warten, der als einziger eine verbindliche Antwort auf die Frage geben kann, ob der Weiterverkauf online erworbener Software legal ist oder nicht. Was den Vertrieb von Gebrauchtsoftware, die nicht online vertrieben wurde anbetrifft, gibt es schon seit Jahren klare Signale: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und auch ihre Vorgängerin Brigitte Zypries haben diesen Handel schon mehrfach als legal bezeichnet.

Trotz solcher Stellungnahmen hören die Gerichtsverfahren nicht auf, die Schlagzeilen verunsichern die Kunden. Hört man jedenfalls aus dem Markt. Bei UsedSoft zeigt man sich aber auch diesbezüglich gelassen. Unternehmenssprecher Christoph Möller: "Die Software-Hersteller haben in den vergangenen zwei Jahren ihr Vorgehen verändert. Nachdem sie sich davor bei den Volumenprodukten eine juristische Abfuhr nach der anderen geholt haben, sind sie dazu übergegangen, Lizenz-Nischenmodelle zu suchen und diese vor ein Gericht zu zerren, dass für seine harte Haltung bekannt ist. Damit schädigen sie zwar das usedSoft-Geschäftsmodell nicht besonders, aber das ist auch gar nicht ihr Primärziel, weil sie erfahren haben, dass dem Haupt-Markt mit juristischen Mitteln nicht beizukommen ist. Stattdessen versuchen sie, die errungenen Nischenurteile zu generalisieren und auf den Gesamtmarkt zu übertragen, um damit Verunsicherung zu schaffen. Wir wissen zudem von zahlreichen Versuchen, Kunden gezielt einzuschüchtern. Wir müssen allerdings feststellen, dass die Wirkung dieser durchschaubaren Taktik begrenzt ist. Unsere Kunden haben Rechtsabteilungen oder werden anwaltlich beraten; sie können selbst einschätzen, was rechtens ist – und was nicht. Folgerichtig sind unsere Umsätze stabil." (Marzena Sicking) / (map)
(masi)