Unternehmenssanierung: Kritik am neuen Gesetzesentwurf

Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Sanierung von Firmen erleichtern soll. Doch manchen Experten geht der neue Ansatz nicht weit genug.

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Von
  • Marzena Sicking

Die Bundesregierung hat das Problem erkannt und benannt: "Das geltende Recht legt der frühzeitigen Sanierung insolvenzbedrohter Unternehmen zahlreiche Hindernisse in den Weg", heißt es im Entwurf für ein neues Gesetz, das die Sanierung von Unternehmen künftig deutlich erleichtern soll. So hätten in der Vergangenheit einige Unternehmen ihren Sitz nach England verlegt, da der Geschäftsleitung und den Gläubigern die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach englischem Recht vorteilhafter erschien. Zwar handle es sich um Einzelfälle, doch diese hätten den Anstoß zu einer "umfassenden Diskussion" gegeben und "den Blick für die Schwächen des geltenden deutschen Rechts geschärft".

Zu den Gründen, aus denen insbesondere ausländische Investoren die deutsche Rechtsordnung als weniger geeignet für Sanierungen ansehen, zählt die Bundesregierung unter anderem, dass der Ablauf eines deutschen Insolvenzverfahrens für Schuldner und Gläubiger nicht berechenbar sei und dass kaum Einfluss auf die Auswahl des Insolvenzverwalters genommen werden könne. Auch fehle im deutschen Insolvenzverfahren die Möglichkeit einer Umwandlung von Forderungen in Anteilsrechte. Zudem sei die Dauer eines deutschen Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Sanierung des Unternehmens kaum kalkulierbar, da das Wirksamwerden eines Insolvenzplans durch Rechtsmittel einzelner Gläubiger um Monate oder gar Jahre hinausgezögert werden könne. Das Recht der Eigenverwaltung habe ebenfalls kaum praktische Bedeutung: So habe ein Schuldner, der schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stellt und den seine Gläubiger für vertrauenswürdig halten, keine Sicherheit, dass ihm das Gericht trotz solch positiver Vorzeichen die Eigenverwaltung gestattet.

Ziel des Gesetzentwurfs zur "weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen" (ESUG) war es laut Bundesregierung daher, zu erreichen, dass Schuldner und Gläubiger in die Auswahl der maßgeblichen Akteure einbezogen werden und dass alle Beteiligten eine größere Planungssicherheit hinsichtlich des Ablaufs des Verfahrens erhalten. Auch Ausbau und Straffung des Insolvenzplanverfahrens, die Vereinfachung des Zugangs zur Eigenverwaltung und eine größere Konzentration der Zuständigkeit der Insolvenzgerichte sind Teil des Gesetzesentwurfs. Im Rahmen der Änderung der Insolvenzordnung (InsO) wird außerdem die Position von Clearinghäusern gestärkt, die bei Finanztransaktionen mit dem Ziel einer effizienten Abwicklung und Risikominimierung als zentraler Vertragspartner zwischen Käufer und Verkäufer geschaltet werden. Insgesamt sollte die Fortführung von sanierungsfähigen Unternehmen erleichtert und damit der Erhalt von Arbeitsplätzen ermöglicht werden.

Doch kaum vorgelegt, wird bereits Kritik am Gesetzentwurf laut. So macht der Bundesrat in einer Stellungnahme deutlich, das ihm die geplanten Änderungen der Insolvenzverordnung nicht weit genug gehen. Insbesondere im Steuerrecht müssten ebenfalls Vorschriften geändert werden. So sei der sogenannte Sanierungsgewinn grundsätzlich steuerpflichtig, dies werde lediglich durch den Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums eingeschränkt. Das reiche aber nicht aus, um den Unsicherheiten aller am Insolvenzverfahren Beteiligten, hinreichend entgegenzuwirken – und das sei ja eines der Ziele gewesen.

Auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) fordert die Wiedereinführung einer gesetzlichen Regelung, die die Sanierungsgewinne von Ertragssteuern freistellt. Derzeit bestehe erhebliche Rechtsunsicherheit über die steuerliche Behandlung solcher Gewinne.

Die Finanzverwaltung belässt zwar Sanierungsgewinne aufgrund des sog. Sanierungserlasses für die Einkommen- und Körperschaftssteuer bisher steuerfrei. Dieser Erlass bietet aber keine sichere Grundlage mehr, zumal er auch die Gewerbesteuer nicht erfasst. So hat das Finanzgericht München am 12.12.2007 entschieden, dass der allgemeine Erlass der Einkommensteuer auf Sanierungsgewinne wegen des ausdrücklich abweichenden Willens des Gesetzgebers nach derzeitiger Rechtslage unzulässig ist. Demgegenüber kommt das Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 24. April 2008 zu dem Ergebnis, dass ein Steuererlass für einen angefallenen Sanierungsgewinn sogar dann in Betracht kommen kann, wenn die Voraussetzungen nach dem Sanierungserlass nicht gegeben sind. Selbst der Bundesfinanzhof hat nicht für Klarheit gesorgt. In seinem Urteil vom 14. Juli 2010 hat er festgestellt, dass unternehmerbezogene Sanierungen nicht begünstigt sind, daneben aber auch die generelle Rechtswidrigkeit des Sanierungserlasses abzulehnen ist. Bei Kapitalgesellschaften werden Sanierungsvorhaben zudem durch die Entscheidung der EU-Kommission erschwert, die die deutsche Sanierungsklausel für wettbewerbsverzerrend erklärt hat. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)