Vergleichende Werbung: Was ist erlaubt?

Vergleichende Werbung war in Deutschland lange Zeit nahezu komplett verboten, inzwischen ist sie grundsätzlich erlaubt. Allerdings sind noch immer strikte Regeln einzuhalten.

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Von
  • Marzena Sicking

Jahrzehntelang war vergleichende Werbung grundsätzlich verboten. Mit Erlass der Richtlinie 97/55/EG wurde das Verbot 1997 aufgehoben. Trotzdem bleibt solches Marketing bis heute eher die Ausnahme, denn die Vorschriften sind noch immer ausgesprochen streng. Wer sie nicht beachtet, geht ein hohes wettbewerbsrechtliches Risiko ein, wie Rechtsanwalt Dr. Jan-Felix Isele erklärt.

Was genau versteht man unter vergleichender Werbung?

Dr. Jan-Felix Isele: Ein typisches Merkmal der vergleichenden Werbung ist nach § 6 UWG, dass mindestens zwei Unternehmen oder deren Angebote einander gegenübergestellt werden und dabei der Wettbewerber, seine Waren oder Dienstleistungen "erkennbar gemacht" werden. . Dies gilt allerdings nicht, wenn es sich nur um neutrale Waren- oder Preistests – etwa der Stiftung Warentest – handelt. Und natürlich ist es auch keine vergleichende Werbung, wenn das Unternehmen nur seine eigenen Produkte und Preise vergleicht, denn hier fehlt der Bezug zum Wettbewerb.

Dr. Jan-Felix Isele, Jahrgang 1970, ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz. Er studierte von 1990 bis 1995 Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg. Nach Referendariat und zweitem Staatsexamen im Jahre 1997 war er von 1998 bis 1999 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Deutsches und Europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht an der Universität Heidelberg tätig, wo er im Jahre 2001 auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts und des Europarechts promovierte. Seit 1999 ist er als Rechtsanwalt in der Kanzlei Danckelmann und Kerst in Frankfurt a.M. tätig, seit 2009 als Seniorpartner. Er befasst sich schwerpunktmäßig mit der Prozessvertretung, aber auch der Beratung im Wettbewerbs- und Markenrecht.

Vergleichende Werbung ist also immer dann gegeben, wenn es um einen Leistungsvergleich geht?

Dr. Jan-Felix Isele: Es müssen konkrete Alternativen aufgezeigt werden, die tatsächlich dazu geeignet sind, eine Kaufentscheidung zu beeinflussen. Wenn die Werbeaussagen so allgemein gehalten sind, dass sich ein direkter Vergleich nicht aufdrängt, sondern eher reflexartig ergibt, dann wird das unter Umständen gar nicht als vergleichende Werbung gesehen. Umgekehrt müssen es nicht die eigenen Produkte und Preise sein, die mit denen der Wettbewerber verglichen werden. Auch wenn nur fremde Produkte und Preise miteinander verglichen werden, kann es sich um vergleichende Werbung handeln.

Handelt es sich denn um vergleichende Werbung, wenn der Werbende den Kunden darauf hinweist, dass er vergleichen sollte?

Dr. Jan-Felix Isele: Nein, denn hier überlässt der Werbende ja dem Kunden das Urteil. Gleiches gilt, wenn online ein Link zum Angebot eines Wettwerbers gesetzt und der Kunde so unterschwellig aufgefordert wird, zu vergleichen.

Dürfen denn alle Produkte und Dienstleistungen für eine vergleichende Werbung herangezogen werden?

Dr. Jan-Felix Isele: Damit eine vergleichende Werbung wettbewerbsrechtlich zulässig ist, müssen bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden. Dazu gehört unter anderem, dass nur Waren oder Dienstleistungen verglichen werden, die für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bestimmt sind. Vereinfacht ausgedrückt, müssen sie aus Sicht der Verbraucher in einem hohen Maße austauschbar sein. Eine völlige Funktionsidentität muss aber nicht vorliegen. Wird diese Austauschbarkeit verneint, ist der Werbevergleich unzulässig. Außerdem müssen die Eigenschaften, mit denen geworben wird, typisch für die Produkte sein, also die Eigenart der verglichenen Produkte prägen. Sich also etwa nur mit "Ausreißerprodukten" der Konkurrenz zu vergleichen, ist deshalb nicht erlaubt.

Aber es sind doch gerade die individuellen Unterschiede, die ein Produkt besonders machen. Dürfen diese in einer vergleichenden Werbung herausgestellt werden?

Dr. Jan-Felix Isele: Das ist durchaus möglich, denn der Werbende muss nicht alle wesentlichen Eigenschaften der Produkte vergleichen, sondern hat bei der Auswahl einen gewissen Spielraum. So kann er durchaus Eigenschaften herausgreifen, bei denen er seiner Meinung nach besser abschneidet als der Mitbewerber. Diese individuellen Unterschiede müssen aber auch als solche gekennzeichnet werden, es darf nicht der Eindruck vermittelt werden, hier seien mehr oder weniger alle wesentlichen Eigenschaften in den Vergleich einbezogen worden und der Vergleich sei repräsentativ. Diese individuellen Eigenschaften müssen außerdem objektiv vergleichbar und dürfen keine bloss subjektive Wertung sein. Deshalb wäre beispielsweise die Aussage, ein Produkt sei schöner oder eleganter als das andere, ein unzulässiger Werbevergleich. Die Behauptung, das eigene Produkt sei billiger als das andere, ist hingegen in einem Vergleich möglich. Das ist nämlich objektiv feststellbar.

Tatsächlich sind Preisvergleiche besonders beliebt. Welche Regeln gilt es hier zu beachten?

Dr. Jan-Felix Isele: Auch die Angabe des Preises muss im Bezug zu den Waren oder Dienstleistungen stehen und die Kunden müssen daraus nützliche Informationen für ihre Kaufentscheidung ziehen können. Allerdings muss man hier sehr vorsichtig sein. So ist es beispielsweise schon irreführend, wenn ein Preis genannt wird, den der Mitbewerber in der Vergangenheit verlangt hat, der aber nicht mehr aktuell ist. Auch darf der Werbende zwar Produkte für den Vergleich auswählen, bei denen eine für ihn günstige Preisdifferenz besteht, aber nicht, wenn der Wettbewerber ein gleichwertiges Produkt hat, das günstiger ist. Es darf auch nicht nur das teure Produkt herangezogen und so der Eindruck erweckt werden, es sei das einzige vergleichbare Produkt. Weiter ist ein Preisvergleich irreführend, wenn sich die preisrelevanten Konditionen der Anbieter - beispielsweise Zahlungsbedingungen, Zugaben, etc. - deutlich unterscheiden, darauf aber in der Werbung nicht deutlich genug hingewiesen wird.

Die in der Werbung genannten Eigenschaften müssen außerdem nachprüfbar sein?

Dr. Jan-Felix Isele: So ist es. Und zwar nicht nur in der Theorie. Gerade der Verbraucher muss die Richtigkeit der Angaben des Werbenden überprüfen können, und zwar mit zumutbarem Aufwand. Das ist in der Regel der Fall, wenn er die Informationen beispielsweise durch Einsichtnahme in Kataloge oder Testberichte, oder durch Befragung Dritter oder gar durch die Beauftragung von Sachverständigen erfahren kann. Es reicht sogar aus, wenn sich der Verbraucher beim Werbenden oder beim Mitbewerber durch Rückfragen nähere Auskunft verschaffen kann. Doch kommt es hier – wie so oft – auf die Umstände des Einzelfalles an. (masi)