Wie wichtig sind Facebook & Co für den Online-Handel?

Auf dem 7. E-Commerce Kongress von Become Europe waren sich die Experten sicher: an der "Social Media"-Schiene kommt man im Online-Handel künftig nicht mehr vorbei. Große Umsätze sollte man aber dennoch nicht erwarten.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Der Trend kommt wie immer aus den USA: Unternehmen nutzen Social-Media-Plattformen wie Facebook verstärkt als Marketing-Tool für ihre Firmen und Produkte. Doch was funktioniert und was nicht? Was kann "Social Media" überhaupt für Unternehmen leisten? Die deutsche E-Commerce-Branche hat sich anlässlich des 7. E-Commerce Kongresses, veranstaltet von der Become Europe GmbH, Ende Oktober im Münchener HVB-Forum mit den Auswirkungen, Trends und Meinungen zu diesem Thema beschäftigt. Hier die wichtigsten Ergebnisse der Veranstaltung.

"Die Anforderungen an Online-Shops wachsen", Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung GmbH.

(Bild: Become Europe GmbH)

Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung GmbH und des dort angesiedelten ECC Handel, stellte in seinem Vortrag die Ergebnisse des im Vorfeld des Kongresses erhobenen Trendbarometers zum Geschäftsklima im E-Commerce 2010/2011 vor. Und bestätigte, dass es für den Online-Handel deutlich schwerer geworden ist, den Verbraucher für sich zu gewinnen. So seien die Anforderungen an die Leistungen eines Online-Shops deutlich gewachsen: "Was vor wenigen Jahren den Kunden noch begeisterte, zählt heute bereits zu den Basisanforderungen und wird vom Kunden als selbstverständlich angesehen". Dennoch mahnt er vor blindem Aktionismus bei Social Commerce. Die Vergangenheit habe gelehrt, dass Themen, die vor kurzer Zeit noch in aller Munde waren, heute schon weitaus unaufgeregter diskutiert würden. Keiner wisse heute so genau, wie sich Social Media entwickeln werde und welchen Einfluss es auf den Handel haben wird.

"Leuchtturmkommunikation ist out", Andreas Schwabe, Geschäftsführer der Booming GmbH.

(Bild: Become Europe GmbH)

Auch Andreas Schwabe, Geschäftsführer der Booming GmbH und ehemaliger Vertriebsleiter bei ProSieben Digital Media, machte vor allem deutlich, was heute sicher nicht mehr funktioniert: "Die frühere 'Leuchtturmkommunikation', mit der man durch eine Kampagne einen riesigen Effekt erzielt, gibt es heute nicht mehr. Mediaplanung von heute und erst recht von morgen ist und wird komplexer, weil die Zielgruppen weitaus zersplitterter sind als noch vor 10 Jahren". Eigentlich dürfe man nicht mehr von Zielgruppen, sondern müsse von Zielpersonen sprechen, so groß sei die Erwartung des Kunden sehr individuell angesprochen zu werden. Ziel sei die mediale Einzelkommunikation mit dem Kunden, immer dann wenn der Kunde will. Wie ein kleiner Unternehmer das mit seinem Online-Auftritt denn schaffen soll, hat er allerdings nicht erklärt.

Christian Leybold von eVenture Capital Partners sprach sich trotz vieler offener Fragen dafür aus, dass Unternehmen unbedingt in den Bereich Social Commerce investieren sollten: "Die Investitionskosten für solche Unternehmen sind anfänglich sehr gering. Wenn man weiß, wie Social Media und E-Commerce miteinander funktionieren, kann man sehr schnell ein riesiges Publikum erreichen". Werbeanzeigen oder Marketingauftritte bei Facebook & Co sind allerdings nur der Anfang. Christian Leybold erwartet, dass hier noch viele unterschiedliche Geschäftsmodelle entwickelt und getestet werden. Leybold hält aber auch weiterhin an traditionellen E-Commerce-Geschäftsmodellen fest: "In den letzten 10 Jahren hat sich an der Spitze der Top Online-Shops kaum etwas getan. Wir warten auf eine echte Innovation, die die Karten neu mischt".

Prof. Dr. Marc Drüner, Professor für Marketing und Innovationsmanagement an der Steinbeis Universität Berlin, sieht einen Trend zur Verschmelzung der Online- und Offline-Welt im Handel. Social Media Features würden in Zukunft als normale Bestandteile von Shopping-Plattformen wahrgenommen werden. Allerdings solle man nicht einfach planlos mitlaufen: "Von existenzieller Wichtigkeit ist es, dass Unternehmen sich im Vorhinein genau überlegen, was und wen sie mit ihrer Social-Media-Maßnahme erreichen wollen". Denn, wem nichts besseres einfällt. als z.B. die eigenen Facebook-Fans mit Gewinnspielen und Angeboten bei Laune zu halten, brauche sich nachher nicht zu wundern, dass er nur Schnäppchenjäger bekommt, die der Marke qualitativ nichts bringen.

Philipp Roth, Mitgründer des Blogs Facebookmarketing.de, zeigte anhand von Best-Practice-Beispielen einfallsreiche, erfolgreiche aber auch weniger erfolgreiche Social-Commerce-Maßnahmen auf Facebook. Auf den Punkt gebracht funktionieren Roth zufolge vor allem die Maßnahmen, die den Fans einen echten Mehrwert und wirklich relevante Inhalte liefern und Facebook eben nicht bloß als weiteren eindimensionalen Verkaufs- oder Informationskanal sehen. Der typische Facebook-User will kommunizieren und nicht kaufen – das sollten Unternehmen bei der Planung ihrer Kampagne stets im Hinterkopf behalten. Das erklärt auch, warum reine Shoppingmodelle auf Facebook eher mäßig funktionieren. Facebook wisse, was jeder einzelne User mag und kennt die Vorlieben der Freunde. Das sei das große Potenzial der Plattform. Weiterhin gibt Philipp Roth zu bedenken: "Wer den Schritt auf Plattformen wie Facebook wagt, muss sich auch der Konsequenzen bewusst und darauf vorbereitet sein!" Etablierte Unternehmen begeben sich plötzlich auf Augenhöhe mit jedem einzelnen Facebook-User. Es sei klar, dass der Respekt und die Hemmschwelle Kritik zu äußern damit sinken. Angesichts des momentan herrschenden Facebook- und Social-Commerce-Hypes stellt Roth aber klar: "Facebook ist immer nur ein Teil einer E-Commerce-Strategie!" Erfolgreich sind nur die, die alle Elemente sinnvoll miteinander verbinden. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)