Interview mit Christian Werner
In einem Interview mit c’t-Chefredakteur Jürgen Rink erzählte Christian Werner mehr über sein Kreisligaprojekt.
c’t Fotografie: Wie entstand die Idee zu Every Sunday?
Christian Werner: Zu Beginn des Studiums habe ich eine kleine Reportage über ein Wochenende bei einem Kreisligaclub gemacht. Bei der Besprechung der Bilder haben wir dann gemeinsam mit dem Professor festgestellt, wie viel Potenzial das Thema hat. Es gab in Deutschland keine Arbeit, die das Phänomen des Kreisligafußballs direkt beleuchtet. Dabei ist der wirklich überall anzutreffen und fast jeder hat irgendwie Berührungspunkte damit – das Thema liegt so etwas von auf der Hand.
Daraus entstand dann die Idee und der Ansatz, ein Porträt der Fußballnation Deutschland zu machen, aber ganz unten, dort wo der Fußball noch Fußball ist, wo wirklich noch gelitten, gekämpft wird und in jedem Schritt, jedem Tritt und in jeder Grätsche noch Überzeugung und Leidenschaft stecken. Wo die von Kindesbeinen eingelaufene Routine und nicht die großen Erfolge, das Prestige und die Tausender auf dem Konto die ausschlaggebende Rolle spielen, wie das beim Profifußball meist der Fall ist.
c’t Fotografie: Wie hast du dich auf das Projekt vorbereitet?
Werner: Eigentlich habe ich mich kaum vorbereitet, sondern einfach begonnen. Das Thema ist ja allgegenwärtig und ich habe früher selbst viel Fußball gespielt. Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, wie ich es fotografieren möchte. Aber das war eher ein Prozess des Ausprobierens und Reflektierens – was passt bildlich, was nicht, was ist witzig und was einfach zu trivial.
Das Schwierigste war, den richtigen Humor zu finden und vor allem die richtige Bildsprache einzuhalten. Ich habe mich darauf festgelegt, das Ganze so unaufgeregt und ruhig wie möglich zu fotografieren. Keine dramatischen und ungewöhnlichen Perspektiven, alles mit etwas Distanz, Klarheit und Raum. Meiner Meinung nach passt das am besten zum Thema. Es dramatisiert nicht unnötig und zeigt einfach alles so banal wie es ist. Außerdem leben die Bilder dann wirklich ausschließlich vom Inhalt, von der Szene und dem Humor.
Auch die Umsetzung ist denkbar einfach gewesen. Ich habe mir immer dort, wo ich gerade war, Spiele an den Wochenenden ausgesucht, diese besucht und geschaut, was passiert. Mal habe ich von interessanten Mannschaften oder Plätzen gehört, manchmal einfach spontan nach Namen und Nähe entschieden.
c’t Fotografie: Über welchen Zeitraum entstand die Serie und kannst du einen typischen Ablauf eines Besuches bei den Amateuren beschreiben?
Werner: Begonnen habe ich im März 2013, also vor fast dreieinhalb Jahren, jedoch gab es viele Unterbrechungen. Ich mache nach wie vor weiter und hetze mich nicht. Wenn ich an einem Wochenende Zeit habe, schaue ich mir Spiele an und suche nach Bildern. Das ganze ist eh mit viel Glück und Geduld verbunden. Nicht bei jedem Spiel passiert etwas Witziges, was sich gut fotografieren lässt und auch in die Arbeit passt.
Es ist ein ewiges Suchen nach neuen Bildern, die das Ganze erweitern, ein ewiges sich immer wieder motivieren und aufmerksam zu sein. Ganz anders als bei anderen Arbeiten, bei Reportagen, wo man gezielt bestimmte und konkrete Bilder, Abläufe und Situationen sucht, die etwas thematisieren, was essentiell wichtig für die jeweilige Geschichte ist. Ich weiß eigentlich vorher nie, was ich bekomme. Ich kann eingrenzen, aber nie wirklich absehen, mit was ich nach Hause komme. Die Besuche laufen in der Regeln eigentlich so ab, dass ich meist etwas vor den Spielen erscheine, mich kurz bei den Offiziellen des jeweiligen Vereins vorstelle und dann einfach fotografiere. Also ganz unkompliziert.
c’t Fotografie: Ich habe während des Lumix Festivals für jungen Fotojournalismus in Hannover Leute vor deinen Bildern beobachtet, die schmunzeln, sich aber nicht lustig machen über die Kicker. Wie lernt man das, Bildaussagen so gezielt zu steuern?
Werner: Das lernt man, indem man sich viele Gedanken über Bilder und ihre jeweilige Aussage macht und überlegt, wie man sie noch mehr auf den Punkt bringen kann. Gerade in Bezug auf die eigenen Bilder hinterfrage ich immer wieder, ist es das, was ich sagen will und vor allem: Kommt meine Aussage, oder die Stimmung, auch so bei den Leuten an – wird es verstanden?
Leider gibt es da kein wirkliches Einmaleins, keine Allzweckformel dafür, wie man das lernen kann. Es ist jedenfalls wichtig, den Realitätstest zu machen und immer wieder mit unterschiedlichen Leuten über die Bilder und den Ansatz dahinter zu reden und seine eigenen Schlüsse daraus ziehen. Das kann inspirieren und einen bestärken.
Im Fall meiner Arbeit ist es aber auch eine Frage des eigenen Humors und vor allem der Empathie. Ich liebe es, Alltägliches mit Humor zu betrachten und den Witz darin zu erkennen, ohne mich darüber lustig zu machen. Sven Regener ist einer meiner Lieblingsmusiker, und irgendwann habe ich mir gewünscht, dass ich genauso sensibel wie er Dinge sehen und ihren humorvollen Kern sezieren kann. Nur eben fotografisch und nicht literarisch.
c’t Fotografie: Welchen Tipp hast du für Fotografen, die noch nie fotojournalistisch gearbeitet haben und das ausprobieren möchten?
Werner: Wählt für den Anfang ein einfaches, nicht zu komplexes Thema. Aber eines, das euch trotzdem interessiert und überprüft auch, ob sich andere Menschen dafür interessieren und es somit potenzielle Interessenten und Empfänger gibt. Denkt euch ausführlich in das Thema ein, grenzt eure Aussage ein, legt die wichtigsten Punkte fest, die für die Geschichte essenziell sind und überlegt, wie ihr sie am besten visualisieren könnt. Welche Stimmung wollt ihr herüberbringen? Welche mehr oder weniger konkreten Motive, Situationen und Abläufe könnten wichtig sein?
Sprecht mit anderen Fotografen und Leuten, die Ahnung haben, über eure Bilder und holt euch Bestätigung und vor allem Inspiration. Schaut euch andere Arbeiten an und versucht zu erkennen, wie der Fotograf versucht zu erzählen, wie er dramaturgisch vorgeht und wie er bestimmte Schwerpunkte zeigt. Manchmal hilft es, in Filmszenen und den dramaturgischen Aufbau von Filmen zu denken. Versucht zu verstehen, nach welchen Mustern gute Geschichten aufgebaut sind. Probiert vor allem visuell auch mal etwas Neues aus. Manchmal denkt man, man hat Mist verzapft – aber plötzlich merkt man, dass es der Geschichte gut tut, Dinge anders zu visualisieren. (jr )