c't Fotografie 5/2017
S. 80
Porträts auf Reisen
Aufmacherbild

Menschenbilder

So gelingen Porträts auf Reisen

Als Fotografin und Journalistin reist Sandra Petrowitz um die Welt. Von ihren Touren bringt sie authentische und ausdrucksstarke Porträts mit. Die besten Tipps, wie solche Aufnahmen jedem ambitionierten Fotografen gelingen können, gibt sie in diesem Artikel weiter.

Menschen interessieren sich für Menschen: für ihre Gesichter, ihre Lebensumstände, ihre Arbeit, ihre Geschichte(n). Zugleich ist es eine Herausforderung, Menschen zu fotografieren – auch auf Reisen, vielleicht sogar besonders auf Reisen. Dafür gibt es viele Gründe; zu den wichtigsten gehören Zeitmangel und die Scheu, fremde Menschen anzusprechen und um ein Bild zu bitten. Das Unbehagen wird verstärkt durch das fremde Umfeld mit Sprachschwierigkeiten, anderen Sitten und Gebräuchen und der eigenen Unsicherheit im Umgang mit diesen Herausforderungen. Zugegeben: Wer nicht mit unbeschwertem Wesen und einer natürlichen Gabe zur Kontaktaufnahme gesegnet ist, wird sich mit dem Fotografieren fremder Menschen zumindest anfangs schwer tun – auch auf Reisen. Aber zum einen sind weitaus mehr Menschen dazu bereit, sich fotografieren zu lassen, als man denkt. Zum anderen ist die Porträtfotografie eine Übungssache, und sie wird immer besser gelingen, je häufiger man sich selbst öffnet, darauf einlässt, es ausprobiert und verfeinert – damit am Ende Porträts stehen, die die Geschichte einer Begegnung erzählen.

Faktor Zeit

Die Hand eines Lehrers auf einem alten arabischen Manuskript, das in einer Bibliothek in Chinguetti (Mauretanien) aufbewahrt wird. Der Lehrer ist zugleich Bibliothekar. APS-C-DSLR | 55 mm | ISO 800 | f/5.6 | 1/100 s

Zeit ist entscheidend für gute Bilder. In der Landschafts- und der Wildlife-Fotografie ist es selbstverständlich, dass man Zeit braucht und sie sich nimmt – man wartet aufs Licht oder auf den besonderen Moment. Auch Porträts gelingen nicht im Vorbeigehen oder „mal eben schnell“, von Ausnahmefällen abgesehen. Ein Foto in Eile wird selten gut. Fotograf und Sujet brauchen Zeit, am besten gemeinsame Zeit: um einander ein wenig kennenzulernen, um sich aufeinander einzulassen, um den Erwartungsdruck zu dämpfen. Denn während wir sonst beim Fotografieren mit unserer eigenen Erwartungshaltung allein sind, kommt beim Porträt ein zweiter Akteur ins Spiel – und zwei Beteiligte hoffen, dass das Bild gut werden möge.