c't Fotografie extra 8/2020
S. 78
Frankfurt, Stadt der Kontraste
Aufmacherbild

FRANKFURT

STADT DER KONTRASTE

Frankfurt galt viele Jahre als die verrufenste Stadt Deutschlands: Kriminalität, Drogenelend, Immobilienspekulation, Hochhäuser inmitten von Gründerzeitvierteln. Doch mittlerweile hat sich die Mainmetropole in eine weitläufige, lebenswerte Stadt verwandelt. Fotografisch interessant ist sie deshalb, weil sich dem Auge Gegensätze auftun, wie sie in keiner anderen deutschen Stadt zu finden sind.

FÜNF FOTO-STATIONEN IN FRANKFURT

ARCHITEKTONISCHE GEGENSÄTZE Nostalgie und Moderne: Wir führen Sie an Orte, an denen Sie Frankfurt als Stadt der Kontraste einfangen können. Unsere Motive finden Sie entlang der Taunusstraße ①, in Form des Rententurms vor dem Hochhaus Palais Quartier ② und der Bockenheimer Warte ③.
IDYLLE IN DER BANKENMETROPOLE Römerberg und Altstadt Frankfurts bieten mit ihren kleinen Fachwerkhäusern und urigen Kneipen ebenfalls einen spannenden Kontrapunkt zu den Hochhäusern der Bankenmetropole. Wie Sie diese Idylle ohne Kitsch einfangen, zeigen wir am Beispiel des Hauses „Goldene Waage“ ④, des Römers ⑤ und des Geheimtipps „Garten des Himmlischen Friedens“⑥.
SPANNENDE ARCHITEKTUR Frankfurts Hochhaus-Schluchten sind ein Mekka für Architekturfotografen. Hier können Sie sich darin üben, Fotos mit Linien zu gestalten und ungewöhnliche Perspektiven zu finden. Tower 185 ⑦, EZB-Gebäude ⑧ und Kronenhochhaus ⑨ stellen wir genauer vor.
STREETFOTOGRAFIE Nicht nur Architekturfotografen kommen auf ihre Kosten. Frankfurt eröffnet auch Streetfotografen eine vielschichtige Motivwelt. Dem wachsamen Beobachter erschließen sich dann möglicherweise auch Kuriositäten. Unsere Stationen hier: Main Tower ⑩ und Römer ⑤.
UNGEWÖHNLICHE ORTE BEI NACHT Zwischen schicker Altstadt und futuristischen Hochhäusern entdecken Sie in Frankfurt immer noch ungewöhnliche, nicht „aufgehübschte“ Ecken wie den Osthafen ⑪. Er bietet nicht nur selbst spannende Motive, sondern gibt den Blick auf die Skyline frei.

ARCHITEKTONISCHE GEGENSÄTZE

Architektur umgibt uns überall, sie ist entscheidend für das Erscheinungsbild des urbanen Raums. Sie ist ein Zeuge des jeweiligen Geistes oder auch Ungeistes einer Zeit. Architektur hat einerseits einen technischen und praktischen Aspekt, indem sie Lebens-, Arbeits- oder Lagerräume herstellt. Andererseits besitzt sie einen starken ästhetischen Aspekt: Ob wir uns in einer Stadt wohlfühlen, hängt entscheidend von ihrer Gestaltung ab.

KONTRASTE Dieses Bild habe ich vom Anfang der Taunusstraße gegenüber vom Hauptbahnhof geschossen. Die Prostitution sollten Sie lieber nicht fotografieren, denn das könnte Ärger geben. Sie können auch einen Schlenker zur parallellaufenden Kaiserstraße, der ehemaligen Prachtstraße Frankfurts machen. Gehen Sie die Taunusstraße in Richtung Stadtmitte, so werden Sie sehen, wie sich die Umgebung ab der kreuzenden Weserstraße schlagartig verändert: vom Drogenmilieu ins Viertel der fein gekleideten Banker.

Die Entstehung der architektonischen Gegensätze in Frankfurt

Frankfurt am Main ist wie keine andere deutsche Stadt reich an extremen architektonischen Gegensätzen. Der 2. Weltkrieg hat ihre Innenstadt, wie so viele andere, weitgehend zerstört. Die seelenlose Architektur der 1950er Jahre ersetzte viele der historischen Gebäude während des Wiederaufbaus. Nur die Gründerzeitarchitektur um den Innenstadtkern herum konnte weitgehend gerettet werden. Doch dann kamen die 1970er Jahre: Frankfurt war schon immer das deutsche Finanzzentrum und die damaligen Akteure des Kapitalismus, Banken und Immobilienspekulanten nahmen nun keinerlei Rücksicht mehr auf bestehende Strukturen oder gar ästhetische Harmonie. Gründerzeitvillen wurden trotz riesigen Protests einfach abgerissen und durch 44-geschossige Hochhäuser ersetzt, die mitten ins noble Frankfurter Westend hineingepresst wurden. Nun war das Erscheinungsbild Frankfurts vollkommen gebrochen. Die Stadt galt damals unter anderem deswegen als die verrufenste Stadt Deutschlands.