Make Magazin 6/2017
S. 22
Upcycling
Aufmacherbild

Glasabschneider

Upcycling hat sich zu einer eigenständigen Disziplin in der Maker-Szene entwickelt. Statt Materialen durch Einschmelzen zu recyceln, lassen sie sich oft auch durch kleine Modifikationen direkt zu etwas Neuem verarbeiten. Hier entstehen aus Altglas Windlichter, Aschenbecher und Lampenschirme. Und natürlich baut sich ein echter Maker eine Maschine dafür.

Manchmal werden kreative Ideen aus der Not geboren. Bei uns war es die spontane Einladung zu einer Gartenparty, für die wir am Wochenende schnell ein kleines Geschenk brauchten.

Aus Weinflaschen wurden so Windlichter. Durch das Abschneiden des Flaschenbodens lassen sich die Kerzen windsicher einsetzen. In Verbindung mit dem Sand als Untergrund kann Luft von unten nachströmen. Wir haben bewusst die Flaschengewinde erhalten. Wem das nicht gefällt, kann diese mit der hier beschriebenen Methode ebenfalls abschneiden. Die abgeschnittenen Böden eignen sich dann noch als Aschenbecher für die Gartenparty.

Flaschenbodenschnitt – old school

Unseren ersten Prototypen haben wir mit einer seit langem überlieferten Methode gefertigt. Hierzu umwickelt man die Flasche an der geplanten Trennstelle mit einer Paketkordel, tränkt diese mit einer brennbaren Flüssigkeit und entzündet diese dann.

Nach dem Ausbrennen der Schnur (ungefähr 30 Sekunden) taucht man die Flasche in kaltes Wasser, wodurch sich ein Spannungsriss entlang der Schnur bildet und der Boden der Flasche abfällt.

Das Abtrennen des Flaschenbodens mit Schnur …
… und Waschbenzin

Die Herausforderung besteht darin, die Schnur ausreichend lange und heiß zum Brennen zu bringen. Beste Erfahrungen haben wir mit Waschbenzin gemacht. Lampenöl brennt zwar länger, erzeugt aber nicht die erforderliche Brenntemperatur. Brennspiritus brannte bei unseren Versuchen nicht lange genug.

Leider erwies sich die Methode als nicht besonders zuverlässig. Es ist schwer, die Schnur schmal genug auf die Flasche zu wickeln und die Hitze genau auf die Schnittlinie zu konzentrieren. Während des Brennens haben wir daher die Flasche kontinuierlich gedreht, um die Hitze gleichmäßig entlang der Linie zu verteilen, was allerdings einiges Geschick erfordert.

Maschinenbau

Da wir auch andere Freunde mit Windlichtern beglücken wollten und uns außerdem weitere Einsatzmöglichkeiten abgeschnittener Flaschen in den Sinn kamen, haben wir den etwas hektischen Schneidevorgang von Feuer auf Strom umgestellt.

Ein durch Stromfluss zum Glühen gebrachter Draht kann die Schnittlinie viel länger und berechenbarer erhitzen. Damit der Draht bei moderatem Strom und nicht zu kleiner Spannung glüht, darf sein Widerstand nicht zu klein sein. Kupferdraht ist deshalb ungeeignet. Stahl hat einen deutlich höheren Widerstand. Wir haben uns durch Ausprobieren an die idealen Parameter herangetastet.

Ein 0,3 mm starker Stahldraht einer Länge von etwa 50 cm ließ sich mit einer Spannung von 19 Volt dauerhaft zum Glühen bringen. Hierbei floss ein Strom von rund 3,5 A. Das bedeutet, dass wir mit dem Draht rund 65 Watt Heizleistung auf das Glas bringen.

Ein glühender Draht soll die brennende Schnur ersetzen.

Somit eignet sich ein ausgedientes 19-Volt-Laptop-Netzteil ideal als Spannungsquelle. Den dünnen Stahldraht haben wir durch Abwickeln eines 2 mm starken Stahlseils gewonnen. Diese Stahlseile gibt es als Meterware im Baumarkt. Nach dem Abwickeln ist der Draht recht wellig. Durch Erhitzen und Spannen streckt er sich und wird glatt.

Da die Maschine (oder besser: die Vorrichtung) halbwegs schön aussehen sollte, haben wir sie aus Multiplex-Sperrholz gebaut.

Den Draht haben wir einem Stahlseil entnommen.
Der fertig zusammbengebaute Glasschneider
Die Maße des Prototyps

Die Flasche liegt auf einer schiefen Ebene, die auf der anderen Seite durch eine senkrechte Platte begrenzt wird. So liegen Flaschen verschiedener Durchmesser gut fixiert. Wir haben diese Schräge aus dreieckigen Abschnitten der Sperrholzplatte gebaut. Hier kann sich aber jeder Nachbauer eine eigene Lösung ausdenken.

Über die Gewindestange am Rand der Vorrichtung erhält der Heizdraht einen Pol zur Spannungsversorgung. Wir haben ihn hier einfach zwischen einer Mutter und einer Flügelmutter eingeklemmt, um die Länge an den Flaschendurchmesser anpassen zu können. Der zweite Pol wird am anderen Ende des Drahts durch eine Lüsterklemme verbunden. Die Gewindestange an der Stirnseite der vertikalen Platte hat keinen elektrischen Anschluss. Sie dient zur Umlenkung des Drahts. Die Heizleistung lässt sich durch Verschieben der Lüsterklemme einstellen – eine Low-Tech-Heizungsregelung.

Durch eine Feder wird der Draht auf Spannung gehalten. Diese kann abhängig vom Flaschendurchmesser in verschiedene Haltepunkte eingehängt werden. Bei Pollin haben wir günstig eine mechanische aufziehbare Zeitschaltuhr erstanden, die den Glühvorgang nach der eingestellten Zeit beendet. So lassen sich reproduzierbare Ergebnisse erzielen. Ein Schalter und eine Stoppuhr funktionieren natürlich auch.

Neben der Zeitschaltuhr haben wir einen Kippschalter eingebaut. Dieser hat zwei Stellungen, mit denen entweder die Zeitschaltuhr aktiviert oder der Heizstrom manuell eingeschaltet wird. In der Mittelstellung ist der Strom abgeschaltet. So gibt es auch bei Zeitschaltuhrbetrieb eine Not-aus-Funktion. Die ist nützlich, wenn sich versehentlich die Drahtenden auf der Oberseite der Flasche berühren – was bei uns schnell zum Durchglühen führte.

Glühender Einsatz

Nun muss die Flasche auf die schiefe Ebene gelegt werden. Dann wird der Draht von oben einmal um die Flasche gewickelt und mit der Feder in die passende Halterung eingehängt. Achten Sie bitte darauf, dass der Draht so um die Flasche gewickelt ist, dass sich die Windungen nicht berühren.

Die Bedienelemente
Ein ausgedientes Laptop-Netzteil versorgt den Glasschneider mit Spannung.
Der Aufbau des Glasabschneiders
Der aufgewickelte Draht darf sich nicht überlappen.
Der Querschnitt unserer Vorrichtung
Hier eine Hängelampe aus einer Ikea-Lampenfassung mit einer uralten Glühbirne

Ziehen Sie nach Ablauf der Glühzeit die Flasche schnell aus der Halterung und tauchen Sie sie in kaltes Wasser. Knackt es dann gut hörbar, war dieser Schnitt ein Erfolg.

Wir haben gute Schnitte nach zwei Minuten Glühdauer erzeugt. Wenn es beim Abschrecken im kalten Wasser nicht knackt, die Flasche also unversehrt bleibt, war die Glühdauer zu kurz.

Es ist übrigens normal, dass der Draht dort, wo er das Glas berührt, nicht glüht. Die Flaschenoberfläche kühlt den Draht etwas ab, die Temperatur ist aber dennoch für einen glatten Schnitt ausreichend. Die Qualität des Schnitts hängt wesentlich von der Glasqualität ab. Bei vielen Weinflaschen ergibt sich ein glatter gerader Schnitt ohne scharfe Kanten, während die Schnittkante zum Beispiel bei Gurkengläsern eher rau und gezackt ist.

Wir experimentieren nun mit Lampenschirmen, Kerzenleuchtern und Trinkbechern aus dem Glascontainer, ohne befürchten zu müssen, dass die Werkstatt abbrennt. —ade