MIT Technology Review 12/2016
S. 112
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Jubiläum
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Das heißeste Ding seit dem Transistor

Vor 50 Jahren erfanden zwei Forscher unabhängig voneinander den Farbstofflaser. Er machte den Laser erst zu dem Vielzweckwerkzeug, der er heute ist.

Erwarten Sie, dass ich rede?“, fragte James Bond, an einen Tisch gefesselt. „Nein, Mister Bond“, erwiderte Superschurke Auric Goldfinger. „Ich erwarte, dass Sie sterben.“ Als Tötungswerkzeug hatte er die modernste damals verfügbare Technik gewählt: Einen Laserstrahl, der sich langsam bondwärts durch den Tisch fraß.

Der originale Versuchsaufbau des Farbstofflasers. Im Glasgefäß befand sich ein Farbstoff, der mit einem Rubinlaser beschossen wurde. Fotos: © Deutsches Museum

Hätte Goldfinger nur die realen Laser seiner Zeit zur Verfügung gehabt – er hätte seiner Sache nicht so sicher sein können. 1964, als der Streifen erschien, waren Laser noch störanfällig und so schwach, dass sie gerade einmal eine Rasierklinge durchdrangen. Witzbolde maßen die Laserleistung deshalb in der Einheit „Gillette“.

Zwar schwärmte das „Time Magazine“ schon 1960 vom Laser als dem „heißesten Thema in der Festkörperphysik seit dem Transistor“. Doch vielen galten sie noch als eine Lösung auf der Suche nach einem Problem. Heute dagegen schneiden und verbinden Laser, stellen Computerchips her, übertragen Daten oder operieren Augen.

Das ist auch dem Physiker Fritz Peter Schäfer zu verdanken. Er arbeitete 1963 am Physikalischen Institut der Uni Marburg und wollte eigentlich nur die Fluoreszenz organischer Farbstoffe studieren. Dadurch aber wurde er zum Nestor der deutschen Laserforschung. Denn um seine Studien durchführen zu können, baute er den 1960 vom US-Physiker Theodore Maiman erfundenen Rubinlaser nach. Er bestand aus einem künstlichen Rubinstab mit halbdurchlässigen Spiegeln an den Stirnseiten. An ihnen wird das Licht einer Blitzlampe, die sich schraubenförmig um den Rubin windet, immer wieder zurückgeworfen. So entsteht ein extrem fokussierter Lichtstrahl.

Fritz Peter Schäfer wollte 1963 die Fluoreszenz organischer Farbstoffe untersuchen – und wurde zum Laser-Pionier.

Schäfer schickte einen solchen Rubin-Laserstrahl auf eine quadratische Küvette, gefüllt mit einem synthetischen Farbstoff. Bei niedriger Anregung zeigte sich eine gleichmäßige Fluoreszenz. Doch als Schäfer die Intensität erhöhte, erlebte er eine Überraschung: Die Lichtstärke war tausendfach höher als erwartet. Zunächst vermutete er einen Kabeldefekt. Dann aber stellte sich heraus: Der Farbstoff strahlte nicht nur Fluoreszenzlicht, sondern auch eigene Laserstrahlen aus. Sie entstanden dadurch, dass die Fluoreszenz in der Küvette immer wieder an der Grenzfläche zwischen Gefäß und Luft zurückgespiegelt und verstärkt wurde. Je nach verwendetem Farbstoff änderte sich die Wellenlänge des Laserlichts. Die bisherigen Laser erzeugten bis dato jeweils nur Licht einer bestimmten Wellenlänge und ließen sich entsprechend schlecht für bestimmte Aufgaben einstellen.

Die wählbaren Wellenlängen machten den Farbstofflaser zu einem neuen Werkzeug, um etwa Atome und Moleküle zu untersuchen. Mittels seiner Energie lassen sie sich auf ein höheres Energieniveau heben. Fallen sie auf ihr altes Niveau zurück, senden sie Strahlung aus, die Rückschlüsse auf ihre Eigenschaften erlauben. Auch zur Analyse von Spurenelementen in der Umwelt eignet sich der Farbstofflaser.

Ein weiterer Vorzug wurde erst später erkannt: Bei bestimmten Versuchsanordnungen verkürzte sich der Laserimpuls von Mikro- auf Nanosekunden. Dies eröffnete ungeahnte Möglichkeiten, um sehr schnelle Vorgänge zu untersuchen. Zudem sind die sogenannten Ultrakurzpulslaser ein Schlüssel zur präzisen Bearbeitung von Materialien. Bei „Goldfinger“ ist zum Beispiel deutlich zu sehen, dass der Laser eine kleine Wulst aus geschmolzenem Material an der Schnittkante hinterlässt. Sind die Pulse allerdings kurz genug, wird das Material abgetragen, ohne dass es schmilzt. Auf diese Weise lassen sich auch temperaturempfindliche Materialien wie Kunststoffe oder menschliches Gewebe schneiden.

Als Schäfer 1966 seine Entdeckung in der Zeitschrift „Applied Physics Letters“ veröffentlichen wollte, blitzte er ab: Unabhängig von ihm hatte auch US-Physiker Peter P. Sorokin am IBM-Forschungszentrum in York Town Heights ein ähnliches Gerät gebaut und seine Ergebnisse kurz vor Schäfer in diesem Journal publiziert. Doch Schäfer blieb hartnäckig und reichte seine Arbeit noch einmal ein. Nun wurde sie an einen Gutachter weitergegeben. Dieser war niemand anderes als Sorokin selbst. Er erkannte sofort, dass der Hauptaspekt von Schäfers Entdeckung, nämlich die Einstellung beliebiger Wellenlängen, weit über seine eigene Veröffentlichung hinausging – und setzte sich dafür ein, dass Schäfers Arbeit doch noch publiziert wird.

Schäfer starb 2011 und hinterließ ein reiches Erbe. So bestärkte er seine Doktoranden, die Firma Lambda Physik zu gründen. Das Unternehmen, das heute zum 1966 in Kalifornien gegründeten Laserhersteller Coherent gehört, wurde rasch Weltmarktführer bei Farbstofflasern. Sie kommen heute vor allem in der Medizin zum Einsatz, etwa zur Behandlung von Netzhautablösungen und Hautmalen. Die Industrie hingegen kehrt gewissermaßen zu den Ursprüngen zurück: Sie nutzt wieder zunehmend Festkörperlaser, die sich mittlerweile ebenfalls auf bestimmte Wellenlängen einstellen lassen, dabei aber preiswerter und einfacher zu handhaben sind als Farbstofflaser. JOSEPH SCHEPPACH