Harte Schatten, helles Licht
Ein Bildband über den Bau des größten Solarthermie-Kraftwerks der Welt bietet eine betörende Ästhetik – blendet die Probleme allerdings völlig aus.
Am Anfang ist nichts als Wüste. Harte Schatten, weiter Horizont, zerrupfte Wolken. Auf der nächsten Buchseite legen sich plötzlich konzentrische Kreise über die Büsche – als habe man bei Google Earth versehentlich ein Layer mit Entfernungslinien angeklickt. Doch die Kreise sind nicht virtuell, sondern reale Zufahrtswege zur Installation von 347000 Spiegeln. Sie sollen Sonnenlicht auf drei je 140 Meter hohe Türme reflektieren, um Wasser für eine Dampfturbine zu erhitzen. Auf gut 14 Quadratkilometer verteilen sich die Spiegel des Solarkraftwerks Ivanpah in der kalifornischen Mojave-Wüste – mit 392 Megawatt das größte der Welt.
Der Fotograf Jamey Stillings hat den Bau vom ersten Spatenstich an begleitet, vom Helikopter aus, in kontrastreichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen bei tief stehender Sonne. Damit ist ihm eine betörende Dokumentation gelungen. Wie Nascar-Linien schälen sich zunächst die ersten Umrisse des Kraftwerks aus der zerfurchten Wüste. Planierte Flächen und Reifenspuren verdichten sich zu abstrakten Grafiken. Dann sprießen die ersten Spiegel aus dem Boden – ungeordnet erst, später in Reih und Glied ausgerichtet. Nach gut zwei Jahren Bauzeit zeigt Stillings dann noch einmal ein großes Wüstenpanorama – diesmal mit gleißenden Lichtinseln aus Tausenden von Spiegeln.
Die Geschichte hinter Ivanpah ist weniger schön. Umweltschützer beklagen unter anderem den Tod vieler Vögel, die durch den Hitzestrahl fliegen. Außerdem konnte das subventionierte Milliardenprojekt bislang nicht so viel Energie produzieren wie erwartet. Die kalifornische Aufsichtsbehörde für Energieversorger gab der Anlage im Frühjahr noch eine Galgenfrist von einem Jahr, um die zugesagten Strommengen zu liefern. Gleichzeitig werden die aufwendigen Solarthermie-Kraftwerke von Erdgas und Photovoltaik in die Zange genommen. Deren Kosten sanken in den letzten Jahren deutlich stärker als erwartet – zumindest in den USA.
Sollte Ivanpah scheitern, wäre das ein Fanal für die ganze Branche. Bereits jetzt wurden in der westlichen Welt zahlreiche ähnliche Projekte gestrichen, gingen Anbieter pleite. In Nordafrika und im mittleren Osten hingegen sind Solarthermie-Kraftwerke offenbar erfolgreicher (siehe S. 95). Und China will bis 2020 insgesamt zehn Gigawatt installieren. Der entscheidende Vorteil der Solarthermie: Sie kann die Wärme als flüssiges Salz zwischenspeichern und so theoretisch ununterbrochen Strom liefern, auch nachts. Aber ausgerechnet bei Ivanpah sind keine Wärmespeicher installiert.
In den Begleittexten zu Stillings Bildband ist von alldem keine Rede. Er konzentriert sich allein auf die Ästhetik. Und da können Gaskraftwerke und Photovoltaik-Anlagen einfach nicht mithalten. GREGOR HONSEL