MIT Technology Review 6/2016
S. 95
Fundamente
Rückschau

Überraschend schattig

An dieser Stelle blicken wir zurück auf Artikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind. Diesmal: Strom aus der Wüste

technology review 6/2011 Vor allem Marokko ist seinen Weg weitergegangen.

Vor fünf Jahren lag der Ölpreis bei über 110 Dollar pro Barrel und der arabische Frühling erst wenige Monate zurück. Gute Aussichten also für eine Energiewende in Nahost und Nordafrika, schrieb TR in Heft 6/2011.

Vor allem Marokko hat seitdem tatsächlich dicke Bretter gebohrt: Bei Ouarzazate ging Anfang 2016 das Parabolrinnen-Kraftwerk „Noor 1“ mit 160 Megawatt ans Netz. Dort sollen noch eine weitere Parabolrinnen-Anlage, ein Solarturm sowie ein Photovoltaikfeld entstehen und gemeinsam mit rund 500 Megawatt das größte Solarkraftwerk der Welt bilden. 2020 soll es in Marokko fünf solcher Kraftwerke geben. Bereits in Betrieb sind 13 Windparks mit insgesamt knapp 900 Megawatt.

In Tunesien, Algerien und anderen Wüstenstaaten sind Projekte ähnlichen Kalibers geplant. Auf Eis liegt hingegen die Vision des Desertec-Industriekonsortiums, einen Teil der Energie nach Europa zu leiten. Schon vor fünf Jahren zeichnete sich ab, dass die Staaten ihren Strom selbst viel besser gebrauchen können. Vom Konsortium ist nicht mehr viel übrig (siehe TR 8/2013, S. 82). Die verbliebenen Gesellschaften haben es 2014 aufgelöst und betreiben nur noch ein kleines Planungsbüro. Lediglich die gemeinnützige Desertec Foundation existiert in alter Form weiter.

Solarthermie-Strom aus der Wüste ist unterdessen deutlich billiger geworden als gedacht. Vor fünf Jahren kostete die Kilowattstunde noch rund 20 Eurocent. Erst bis 2030 dürften die Preise durch Serienfertigung „sukzessive auf 10 Cent sinken“, glaubten wir damals. Tatsächlich produziert Noor 1 bereits heute – je nach Quelle – für rund 12 bis 17 Cent.

Dennoch fällt mehr und mehr Schatten auf die Solarthermie. Das kalifornische Solarturmkraftwerk Ivanpah, mit knapp 400 Megawatt das größte seiner Art, kämpft mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Und mit Photovoltaik können Solarparks selbst im trüben Deutschland mittlerweile für unter acht Cent produzieren.

Die Energiewende in der Wüste könnte künftig also weg von gigantischen Kraftwerken gehen, hin zu dezentralen Photovoltaikanlagen. GREGOR HONSEL